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Die Versorgung demenzerkrankter Patienten als Herausforderung für das (Akut-)Krankenhaus

Lösungsansätze in der Praxis

AutorKatharina Thesing
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl95 Seiten
ISBN9783640818587
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,3, Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Gesellschaft wird in der heutigen Zeit zunehmend älter. Folglich nimmt auch die Zahl der Menschen zu, die in Deutschland an einer Demenz erkranken, da diese Erkrankung in einem hohen Maße altersbedingt auftritt. Diese Entwicklung wirkt sich konsequenterweise auch unmittelbar auf die Patientenstruktur im (Akut-) Krankenhaus aus und lässt die Gruppe der demenzkranken Patienten zu einer großen Herausforderung für diese Institution werden. Die Demenzpatienten sind auf eine ihren Bedürfnissen abgestimmte Versorgung angewiesen. Dieser Herausforderung haben sich die meisten Krankenhäuser noch nicht gestellt, es fehlt ein bedarfsgerechter Umgang mit dieser Patientengruppe, wofür insbesondere Informations-, Qualifikations- und Strukturdefizite verantwortlich sind. Angesichts des demographischen Wandels und der zunehmenden Morbidität älterer Menschen wird dieses Thema nicht an Bedeutung verlieren und wird Krankenhäuser mehr denn je dazu aufrufen, sich mit damit auseinanderzusetzen und Lösungsstrategien zu entwickeln. Ausgehend von dieser skizzenhaft dargelegten Problematik möchte die Bachelor-Thesis der Frage nachgehen, welche Möglichkeiten sich für Krankenhäuser und ihr Personal bieten, mit der Patientengruppe der demenziell erkrankten Menschen in Zukunft besser und bedarfsgerecht umzugehen. Neben einigen allgemeinen, nur kurz angeführten Lösungsmöglichkeiten, beschäftigt sich diese Arbeit in detaillierter Form mit einem Konzept aus dem St. Franziskus-Hospital Münster, dem Geriatrie-Team , welches dahingehend analysiert werden soll, inwiefern es als Möglichkeit einer bedarfsgerechten Betreuung demenzieller Patienten im Krankenhaus bewertet werden kann.

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Leseprobe

3. Demenzkranke Patienten im (Akut-)Krankenhaus


 

Die Anzahl der demenzkranken Patienten im Krankenhaus, welche sich anlässlich akuter Gesundheitsstörungen dort behandelt lassen müssen, wird, wie dargestellt, zunehmen. Dieser Anteil wird gegenüber der allgemeinen Zunahme demenzkranker älterer Menschen in Deutschland sogar noch stärker ansteigen (Vgl. Angerhausen/Kleina 2007, S.36). Trotz dieser starken Zunahme von Demenzpatienten im Krankenhaus, sind Krankenhäuser kaum auf eine demenzgerechte Versorgung und Betreuung eingestellt, so dass ein Klinikaufenthalt für demenziell Erkrankte oftmals eine Krisensituation bedeutet, welche nicht selten mit negativen Auswirkungen einhergeht (Vgl. Kirchen-Peters 2008, S.467). Vor diesem Hintergrund soll im folgenden Kapitel diese spezielle Patientengruppe näher betrachtet werden. Dabei wird zunächst die Demenz unter verschiedenen Gesichtspunkten vorgestellt. Danach erfolgt eine Beschäftigung mit dem sich hinsichtlich seiner Symptome der Demenz ähnelnden Delir, von welchem Demenzpatienten in besonderem Maße betroffen sind. In einem weitergehenden Schritt wird schließlich die aktuelle, defizitäre, Versorgungssituation von demenzkranken Patienten beleuchtet, bevor ein Fazit die Anforderungen an eine demenzgerechte Versorgung im Krankenhaus zusammenfasst.

 

3.1 Demenz und Delir


 

Um sich überhaupt mit demenzkranken Patienten im Krankenhaus beschäftigen zu können, bedarf es zunächst einer eingehenden Auseinandersetzung mit dem Krankheitsbild der Demenz. Hieran schließt sich die Beschreibung dessen an, wie die Betroffenen ihre kognitiven Einschränkungen selbst erleben, über welche Ressourcen sie noch verfügen und welche Bedürfnisse sie haben. Danach wird das Krankheitsbild des Delirs untersucht und dann jenem der Demenz gegenübergestellt, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszustellen.

 

3.1.1 Das Krankheitsbild Demenz


 

Die Bezeichnung Demenz kommt aus dem Lateinischen und beinhaltet die beiden Wörter de = weg und mens = Geist (Vgl. Falk 2004, S.32).

 

Nach dem Klassifikationssystem ICD-10 wird Demenz als eine Krankheit definiert, bei der sowohl das Gedächtnis als auch das Denkvermögen gestört ist. Darüber hinaus kommt es auch zu Beeinträchtigungen im nicht-kognitiven Bereich, wovon das Sozialverhalten, die Motivation und die Affektkontrolle betroffen sind. Ferner müssen für eine Diagnose diese Störungen mindestens sechs Monate bestehen sowie derart ausgeprägt sein, dass sie zu einer wesentlichen Einschränkung der selbständigen Lebensführung führen. Gleichzeitig darf jedoch keine Störung des Bewusstseins vorliegen (Vgl. Mahlberg/Gutzmann 2009, S.5). Die Definition der Demenz ist zunächst einmal unspezifisch und fasst nach Gutzmann und Zank (2005, S.29) eine Reihe demenzieller Erkrankungen mit ähnlichem Erscheinungsbild zusammen. Es lassen sich primär degenerative, sekundäre sowie vaskuläre Demenzen unterscheiden (Vgl. a.a.O., S.26). Hager (2009, S.68) ergänzt Mischformen[28]. Bei den primären Demenzen ist die Ursache auf krankhafte Veränderungen des Gehirns zurückzuführen. Zu ihnen gehört unter anderem neben der Lewy-Körper-Demenz oder der frontotemporalen Demenz auch die bekannteste und am häufigsten auftretende Form dieser Krankheit, die Alzheimer-Demenz (Vgl. Kastner/Löbach 2007, S.9 u. 30). Von dieser sind ca. 60% aller Demenzkranken betroffen (Vgl. Mahlberg/Gutzmann 2009, S.3). Die sekundären Demenzen sind die Folge andere Erkrankungen und haben somit ihre Ursache außerhalb des Gehirns. Auslöser können beispielsweise Infektionen, Alkohol oder Medikamente, Tumore, Stoffwechselstörungen oder ein Schädel-HirnTrauma sein (Vgl. Kastner/Löbach 2007, S. 9 u. 37). An dieser sekundären Demenzform leiden ca. 10% der Erkrankten (Vgl. Hager 2009, S.68). Im Gegensatz zu den primären Demenzen, welche als nicht heilbar gelten, sind sekundäre Demenzen rückbildungsfähig (Vgl. Falk 2004, S.38f.). Vaskuläre Demenzen, wie z.B. die Multi-Infarkt-Demenz, sind die zweithäufigste Form demenzieller Erkrankungen. Ausgelöst werden diese durch eine verringerte Hirndurchblutung, aus der sich eine einen Schlaganfall auslösende Ischämie entwickelt, was wiederum zu einer dauerhaften Schädigung der Gehirnzellen führen kann. Risikofaktoren für eine gefäßbedingte Demenz sind vor allem Bluthochdruck und Diabetes mellitus. Von einer gemischten Demenz wird gesprochen, wenn sowohl Anzeichen der AlzheimerDemenz als auch vaskuläre Symptome vorzufinden sind (Vgl. Kastner/Löbach 2007, S.33).

 

Mit Bowlby Sifton (2008, S.130f.) ist zu berücksichtigen, dass nicht von einem typischen Krankheitsbild der Demenz ausgegangen werden kann, da Symptome und Verlauf von Person zu Person und von Tag zu Tag variieren können und auch abhängig von der jeweiligen Form der Demenz sind. Nichtsdestotrotz „weisen die Demenzen [...] mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede auf" (a.a.O., S.130), so dass Symptome und Verlauf generalisiert dargestellt werden können, um ein besseres Verständnis zu ermöglichen. Je nach Ausmaß der Symptome lässt sich die Demenz in ein frühes, mittleres und ein schweres Stadium unterteilen.

 

Im frühen Stadium wird die Krankheit häufig nicht von Betroffenen und ihren Angehörigen als eine solche erkannt. Leichte Gedächtnisstörungen im Sinne einer verminderten Merkfähigkeit werden durch das noch funktionierende

 

Langzeitgedächtnis kompensiert und somit überdeckt (Vgl. Bowlby Sifton 2008, S.132f.; Kastner/Löbach 2007, S.26f.). Hinzu kommen leichte Probleme mit der Orientierung in Ort und Zeit sowie bei der Bewältigung alltagspraktischer Dinge (Vgl. Wojnar 2007a, S.177).

 

Mit dem mittleren Stadium nehmen die kognitiven Leistungen weiter ab, die Betroffenen sind zunehmend auf fremde Hilfe angewiesen. So schreitet der Gedächtnisverlust voran und die örtliche, zeitliche und auch situative Desorientierung nimmt stark zu. Zudem ist die Wahrnehmung zunehmend gestört, was sich in Wahn oder Verkennungen äußern kann. Des Weiteren sind sprachliche Auffälligkeiten, wie beispielsweise Wortverwechselungen oder -wiederholungen, zu erkennen. Beginnende Verhaltensstörungen, z.B. das rastlose Umherwandern, treten auf. Die Erkrankten haben Schwierigkeiten beim Einkaufen, der Kleidungsauswahl und geben weniger Acht auf die Körperpflege. Ferner sind Antriebsstörungen nicht aufzuhalten, welche sich einerseits durch Apathie oder Rückzug oder aber durch eine Antriebssteigerung und Unruhe äußern. Neben einem veränderten Schlaf-WachRhythmus zeigt sich eine beginnende Harninkontinenz (Vgl. Kastner/Löbach 2007, S.27; Stuhlmann 2008, S.7).

 

Das schwere Erkrankungsstadium ist geprägt von beträchtlichen Störungen geistiger und körperlicher Art, was den Betroffenen keine selbstständige Lebensführung mehr zulässt und nicht selten in Verwahrlosung mündet. Neben Vergesslichkeit und Apraxie sind die Betroffenen nicht mehr in der Lage, die Signale des autonomen Nervensystems wahrzunehmen und einzuschätzen (Vgl. Wojnar 2007a, S.177). Dies führt gehäuft zu Harn- und Stuhlinkontinenz sowie zu Problemen mit der Nahrungsaufnahme, was häufig Fehl- oder Unterernährung wie auch Dehydratation mit sich bringt. Die Erkrankten haben darüber hinaus schwere Probleme beim Gehen und der Koordination, was schlussendlich in Bettlägerigkeit endet und sind nur noch zu Ein-Wort-Sätzen in der Lage, was als globale Aphasie bezeichnet wird. Es kann auch zu einem vollkommenen Sprachverlust kommen (Vgl. Kastner/Löbach 2007, S.27f.; Stuhlmann 2008, S.7).

 

3.1.2 Eigenes Erleben der Demenzkranken


 

Bei der Beschreibung des eigenen Erlebens Demenzkranker muss beachtet werden, dass jede Person ein individuelles Erleben hat und Pauschalisierungen daher als unangebracht anzusehen sind (Vgl.Gutzmann/Zank 2005, S.116) und es zudem kaum möglich ist, die ganze Brandbreite des Erlebens zu erfassen (Vgl. Kitwood 2004, S.108). Nichtsdestotrotz besteht nach Kitwood (a.a.O., S.107) die Möglichkeit, „einen ungefähren Leitfaden" für das Erleben von Demenzkranken zu verfassen. Das Anfangsstadium ist davon geprägt, dass die Betroffenen die Krankheit mit ihren Auswirkungen bewusst wahrnehmen. Dies führt zu Verunsicherung, Angstgefühlen, Scham und Verzweifelung. Auch zeigt sich in diesem Stadium oftmals eine depressive Symptomatik. Die Betroffenen können sich nur schwer eingestehen, dass kognitive Defizite vorhanden sind und tun es als normale Alterserscheinung ab. Bei dem Versuch, die Veränderungen vor ihrer Umgebung zu verbergen, schaffen sie sich Strategien zur Kompensation und führen immer die gleichen vertrauten Aktivitäten durch. Sie ziehen sich stark zurück und meiden reizüberflutende, fremde und ungewohnte Situationen. Die Demenzkranken neigen dazu, ihr eigenes Versagen auf ihre Umgebung zu projizieren, was die zwischenmenschlichen Beziehungen beinträchtigen kann (Vgl. Wojnar 2007b, S.56ff.; BMFSFJ 2002, S.176). Wojnar (2007b, S.62) spricht im mittleren Krankheitsstadium von einem „Leben im Augenblick", da bereits nach kurzer Zeit das Geschehene vergessen wird. Die Defizite werden von den Erkrankten entweder nicht mehr bemerkt oder geleugnet, was mit einer beeinträchtigten Selbstwahrnehmung zusammenhängt (Vgl. BMFSFJ 2002, S.176). Die Betroffenen sind nicht mehr in der Lage, gespeicherte Erinnerungen beliebig abzurufen. Vielmehr treten Erinnerungen passend zur gegenwärtigen Situation oder Stimmung auf, welche sich oftmals auf einen wichtigen emotionalen Lebensabschnitt beziehen. Diese Erinnerungen...

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