Die Videoanalyse nach Margaret Tait: Möglichkeiten und Grenzen zur Erfassung der präverbalen linguistischen Kommunikationsfähigkeiten bei Kleinkindern mit einem Cochlea-Implantat
Examensarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Pädagogik - Heilpädagogik, Sonderpädagogik, Note: 1,3, Universität zu Köln (Heilpädagogische Fakultät), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Anzahl hörgeschädigter Kleinkinder, die vor dem zweiten Lebensjahr mit einem Cochlea-Implantat versorgt werden, nimmt kontinuierlich zu. Untersuchungsverfahren und Entwicklungsnormen zur Beurteilung der vorsprachlichen Kommunikationsentwicklung dieser Kinder fehlen allerdings bisher. In der Literatur wird die Entwicklung präverbaler Kommunikationsstrukturen als wesentlicher Indikator für eine regelrechte Sprachentwicklung bei Kleinkindern betont. Eine Überprüfung der frühen Gestenkommunikation, die eng mit der Entwicklung sprachlicher Fähigkeiten zusammenhängt, wird in den allgemein bekannten Untersuchungsverfahren für hörgeschädigte Kinder oft vernachlässigt (Lenarz et al. 1999). Neuere Forschungsergebnisse betonen jedoch, welch kritischer Stellenwert der Verwendung kommunikativer Gesten als wesentliche Vorläufer für die Sprachentwicklung sowohl bei hörgeschädigten als bei normalhörenden Kindern zukommt (Grimm 2003, Volterra und Iverson 1995).
Bei der vorliegenden Arbeit geht es darum, zu zeigen, dass durch die Aufnahme zusätzlicher, qualitativer Kriterien in den bestehenden Kriterienkatalog der Videoanalyse nach Margaret Tait eine differenziertere Einsicht in die präverbal- und ersten verbal-kommunikativen Kompetenzen sowie das Kommunikationsniveau von cochlea-implantierten Kindern möglich ist. Zu diesem Zweck wurden sieben neue Analysekriterien in das Verfahren aufgenommen, welche dann neben der ursprünglichen Originalversion an drei Kindern mit prälingual erworbener Hörstörung angewendet wurden. Die Originalversion wurde im Rahmen einer Longitudinalstudie, die in den Jahren 2000 bis 2004 am Royal Institute for Deaf and Blind Children (Australien) durchgeführt wurde, an insgesamt fünf prälingual ertaubten Kindern und einem mittleren Alter von 1;2 Jahren (Spanne 1;0 - 4;10 Jahren) angewendet. Die Testpersonen wiesen im Durchschnitt einen mittleren Hörverlust des besseren Ohres von 88 dB Hearing Level (HL) (Spanne 75 - 108 dB) in den Frequenzen 500, 1000 und 2000 Hz auf. Nach der Cochlea Implantation lag ihre Hörschwelle im Durchschnitt bei 40 dB (Spanne 35-45 dB).
Die erhobenen Daten zeigen, dass die Sprachentwicklung von Kleinkindern individuell sehr unterschiedlich verläuft. Neben den messbaren und bereits als Standardeinflussfaktoren zu betrachtenden Faktoren (Art der Versorgung, Alter bei Erstdiagnose und Hörhilfenversorgung, Art und Grad der Hörstörung, optimale technische Versorgung, etc.) können anhand der Ergebnissen aus den Videoanalysen weitere Faktoren (triangulärer Blickkontakt, Gebrauch kommunikativer Gesten) als mögliche Einflussfaktoren auf die Sprachentwicklung identifiziert werden.
Mittels der Tait-Videoanalyse ist es möglich, bereits bei Kleinkindern während der sensiblen Phase der Hör- und Sprachentwicklung die präverbale und frühe linguistische Entwicklung zu dokumentieren. Die qualitative Analyse der präverbalen Kompetenzen nach dem erweiterten Kategorienschema liefert detaillierte Informationen hinsichtlich ihres Sprachentwicklungsstandes. Die damit gewonnenen Ergebnisse dienen somit einer bessere Beratung und Anleitung von Eltern und Therapeuten und können auch zur Qualitätskontrolle hinsichtlich der Effizienz der Hörhilfen eingesetzt werden.
Es lässt sich schlussfolgern, dass sich die qualitativen Beobachtungskriterien als eine sinnvolle Ergänzung zu dem bestehenden quantitativ ausgerichteten Testprotokoll erweisen und dass das erweiterte Testprotokoll in Kombination mit der Originalversion der Tait-Videoanalyse in besonderem Maße für die Evaluation des präverbalen Kommunikationrverhaltens von Kindern mit einer Hörschädigung geeignet ist.
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