Das in der Forschung für Raumordnung, Städtebau und Immobilienwirtschaft international anerkannte Urban Land Institute[10] definiert Shopping-Center wie folgt:
„A group of retail or other commercial establishments that is planned, developed, owned and managed as a single property. On-site parking is provided. The centre’s size and orientation are generally determined by the market characteristics of the trade area served by the centre. The two main configurations of shopping centres are malls and open-air strip centres.”[11]
Ein Shopping-Center ist danach eine bewusst geplante und errichtete Ansammlung von Einzelhandelsbetrieben unter einheitlichem Management. In der Baunutzungsverordnung (BauNVO) findet sich unter § 11 III S. 1 Nr. 1 der Begriff „Einkaufszentren“, ohne jedoch zu erläutern, was genau darunter zu verstehen sei. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil vom 27.04.1990 hierzu wie folgt ausgeführt:
“Ein "Einkaufszentrum" im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO 1977 setzt im Regelfall einen von vornherein einheitlich geplanten, finanzierten, gebauten und verwalteten Gebäudekomplex mit mehreren Einzelhandelsbetrieben verschiedener Art und Größe - zumeist verbunden mit verschiedenartigen Dienstleistungsbetrieben - voraus. Sollen mehrere Betriebe ohne eine solche Planung ein Einkaufszentrum im Rechtssinne darstellen, so ist hierfür außer ihrer engen räumlichen Konzentration ein Mindestmaß an äußerlich in Erscheinung tretender gemeinsamer Organisation und Kooperation erforderlich, welche die Ansammlung mehrerer Betriebe zu einem planvoll gewachsenen und aufeinander bezogenen Ganzen werden läßt.”[12]
Die Definition des BVerwG entspricht weitgehend der des Urban Land Institute. Bei mehreren, im engen räumlichen Zusammenhang bestehenden Betrieben, stellt das BVerwG auf die äußere Wahrnehmung durch deren Kunden als zusammengehörigen Betrieb ab. Als solcher erkennbar seien Gebäude mit einheitlicher Architektur und aufeinander bezogener Ausrichtung, auch soweit diese unterschiedliche Eigentümer haben sollten.[13] Eine von mehreren Betrieben gegründete, gemeinsame Werbegemeinschaft kann ein Indiz für die Zusammengehörigkeit von Immobilien und die Entstehung eines Einkaufszentrums im Sinne der BauNVO sein.[14]
Die Immobilienwirtschaft unterscheidet Einkaufszentren nach der Handelsfläche in Nachbarschaftszentren mit unter 8.000 m² Handelsfläche zur Versorgung eines lokal begrenzten Einzugsgebietes, Gemeinde- bzw. Stadtteilzentren mit einer Einzelhandelsfläche von 8.000 bis 15.000 m² und Regionale Shopping-Center mit mindestens 15.000 m² Fläche und umfassendem Angebot. Daneben gibt es eine Reihe weiterer Spezialformen wie z. B. Themen-Center, Bahnhofscenter, Fachmarktzentren usw.[15]
Die USA sind Vorreiter in der Entwicklung von Shopping-Centern. Schon 1922 wurde in Kansas City (Missouri) das erste Center eröffnet. Aus nur 100 Centern im Jahr 1950 wurden bis 1960 bereits 3.000. Das auch heute noch verwendete „Knochenprinzip“, bei dem eine Passage, belegt mit kleinteiligen Läden, durch sog. Ankermieter, heute i. d. R. ein großer Elektronikfachmarkt und ein großer Lebensmittelladen, an beiden Enden ergänzt und dadurch Passantenströme erzeugt werden, setzte sich durch.[16] Die Anzahl der Shopping-Center in den USA vervielfachte sich bis 2004 auf insgesamt 47.700 Center mit 553 Mio. m² Handelsfläche. Der Zuwachs an neuen Shopping-Centern ist dort aber seit Anfang der Neunziger Jahre rückläufig.[17]
In Europa entstanden erst Mitte der Sechziger Jahre die ersten Shopping-Center, sie haben sich seither fest in der Einzelhandelskultur etabliert. Der Zuwachs neuer Shopping-Center hat nach einer Studie des international agierenden Immobilienberatungsunternehmen Cushman & Wakefield Healey & Baker insbesondere in den letzten 20 Jahren mit durchschnittlich 5,2 Mio. m² Handelsfläche p. a. rasant zugenommen. Damit belief sich die Gesamthandelsfläche aller Shopping-Center in Europa Mitte 2009 auf nahezu 123,7 Mio. m². Auch in 2010 wird trotz der Wirtschaftskrise ein weiterer Flächenzuwachs von ca. 7 Mio. m² erwartet, der jedoch nicht gleichmäßig verteilt sondern regional stark differenziert stattfinden wird. Auf je 1.000 Europäer entfallen durchschnittlich 214 m² Handelsfläche. Das Verhältnis von Center-Fläche und Bevölkerung in den einzelnen EU-Staaten ist weit gefächert: An der Spitze liegt Norwegen mit über 600 m² je 1.000 Einwohner. Deutschland hat in Folge der strikten Plan- und Bauordnungsreglementierungen mit ca. 170 m² je 1.000 Einwohner (noch) weniger Centerfläche als der EU-Durchschnitt.[18] In der Studie berücksichtigt wurden Shopping-Center mit einer Fläche von mindestens 5.000 m² und mehr als 10 Läden.[19]
In Deutschland wurde 1964 das erste Shopping-Center, das Main-Taunus-Zentrum in Sulzbach bei Frankfurt am Main, eröffnet. Das Main-Taunus-Zentrum war charakteristisch für die 1. Generation von Shopping-Centern in Deutschland, die auf „der grünen Wiese“ mit einer ebenerdigen Verkaufsebene, einfacher Architektur und einem Kaufhaus als Magnetmieter errichtet wurden. Seit 1973 wurden in der sog. 2. Generation die Shopping-Center zunehmend in die Innenstädte verlegt. Zwischen 1982 und 1992 wurden in der 3. Generation fast ausschließlich städtische Standorte mit immer anspruchsvollerer Architektur und heller, freundlicher Präsentation entwickelt.[20] Diese Entwicklung wiederholte sich in den östlichen Bundesländern im Zeitraum nach der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 bis zum Jahr 1999, beginnend mit einem kurzfristigen Bau von Shopping-Centern auf der grünen Wiese.[21] In den alten Bundesländern standen zu dieser Zeit bereits die Revitalisierung älterer Shopping-Center und die Entwicklung neuer Kombinationen von Freizeit und Shopping im Vordergrund (4. Generation). Seit dem Jahr 2000 geht der Trend in der 5. Generation nun wieder verstärkt in die Innenstädte sowie in bisher noch unbesetzte Mittel- und Kleinstädte. Darüber hinaus steht die Realisierung spezieller Formen von Shopping-Centern, wie z. B. das Factory-Outlet-Center (Verkauf direkt vom Hersteller) oder das Themencenter (Konzentration auf bestimmte Waren oder Themen) im Fokus der Entwicklung.[22] Der stetige Zuwachs an Handelsflächen durch Eröffnung neuer, aber auch durch Erweiterung bestehender Shopping-Center in Deutschland ist ungebrochen. Die Kunden können in der Folge zwischen immer zahlreicheren Einkaufsmöglichkeiten mit vergleichbarer Sortimentsbreite und Erreichbarkeit wählen.[23]
Im Kontrast zum fortgesetzten Wachstum der Handelsfläche stagnieren gemäß einer Untersuchung des statistischen Bundesamtes – abgesehen von periodischen Schwankungen – die realen Umsätze im Einzelhandel (inflationsbereinigte Umsätze) in Deutschland:
Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2010.[24]
Abbildung 1: Entwicklung der Einzelhandelsumsätze in Deutschland
Negativ wirken sich insbesondere die konjunkturelle Dämpfung der Warennachfrage, aber auch strukturelle Umschichtungen des privaten Verbrauchs, d. h. der Rückgang des Anteils der Warennachfrage, aus. Ein Indikator dafür ist u. a. die steigende Sparquote der privaten Haushalte, die nach der Statistik der Bundesbank 2008 mit 11,2% des verfügbaren Einkommens auf ihrem höchsten Stand seit 1994 notiert und auch in 2009 voraussichtlich auf diesem Niveau stabil blieb.[25] Problematisch für den klassischen Einzelhandel ist darüber hinaus die wachsende Konkurrenz des Online-Shoppings. Zwar kann das physische Einkaufserlebnis nicht ersetzt werden, jedoch weist Online-Shopping Vorteile hinsichtlich der Einkaufsbequemlichkeit auf. Auch erhält der Verbraucher eine bessere Marktübersicht, die zur Intensivierung des Preiswettbewerbs führt.[26]
Das Ungleichgewicht zwischen dem fortgesetzten Flächenzuwachs einerseits und der stagnierenden Nachfrage andererseits führt zu einem Ausleseprozess, in dessen Folge zahlreiche Flächen nicht mehr marktfähig sind. Ursächlich für das trotz dieser Aussichten auch im Krisenjahr 2009 und darüber hinaus zwar gedämpfte aber noch immer kräftige Flächenwachstum sind die wegen der langen Planungs- und Entwicklungszeiten von Immobilien nur zeitversetzt möglichen Reaktionen, aber auch die im internationalen Vergleich aufgrund der im Verhältnis zu den verfügbaren Einkommen noch immer relativ geringen Shoppingcenterfläche je Einwohner in Deutschland vermeintlich vorhandenen Potenziale. Kennzeichnend für Probleme einzelner Standorte ist u. a. die – erst bei genauer Betrachtung auffallende – Kaschierung von leer stehenden Läden durch z. B. Gemäldegalerien, Ausstellungsflächen für Autohäuser oder provisorisch eingerichtete Verkaufsstellen.
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