Die Gliederungsvorschrift des § 266 Abs. 3 HGB schreibt den separaten Ausweis von Rückstellungen für Pensionen und ähnlichen Verpflichtungen vor.[36] Unter diesen Begriff sind alle Verpflichtungen aus Leistungszusagen eines Arbeitgebers aus Anlass des Arbeitsverhältnisses an einen Mitarbeiter zu subsumieren, die für die Ereignisse Alter, Invalidität oder Tod einen Versorgungsanspruch beinhalten. Im Zusammenhang mit der Neufassung der Bewertungsvorschriften für Rückstellungen hat der Gesetzgeber zusätzlich zu dem bisherigen Begriff „Pensionen und ähnliche Verpflichtungen" den Begriff „Altersversorgungsverpflichtungen oder vergleichbare langfristige Verpflichtungen" eingeführt.[37] Er wird allerdings im Gesetz nicht näher erläutert.
Auch nach den Änderungen des BilMoG unterscheidet das Handelsrecht bei der Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen dem Grunde nach wie bisher zwischen mittelbaren und unmittelbaren Verpflichtungen. Unmittelbare Verpflichtungen liegen vor, wenn die aus der arbeitsrechtlichen Zusage gewachsene Leistungsverpflichtung seitens des Arbeitgebers direkt gegenüber dem Arbeitnehmer bzw. der leistungsberechtigten Person besteht. Mittelbare Verpflichtungen bestehen gegenüber einem mit der Abwicklung der betrieblichen Altersversorgung betrauten Rechtsträger (bspw. einer Unterstützungskasse). Sie äußern sich bspw. in einer latenten Einstandspflicht des Trägerunternehmens aus einer Unterdeckung des Kassenvermögens einer Unterstützungskasse.
Das Passivierungswahlrecht war von Beginn an aus verschiedenen Gründen in der Literatur umstritten. Bemängelt wurde die unklare Abgrenzung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Verpflichtungen, ebenso wie der unzutreffende Schuldausweis. Der RefE BilMoG sah zwar noch die Streichung des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 EGHGB
vor.[38] Durch diese Änderung wären zukünftig neben den unmittelbaren Neuzusagen auch alle mittelbaren Pensionsverpflichtungen zu passivieren gewesen, da sie unter die grundsätzliche Passivierungspflicht der ungewissen Verbindlichkeiten nach § 249 Abs. 1 HGB gefallen wären. Entsprechend der in der Vergangenheit vorgebrachten Kritik ist die vorgesehene Streichung des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 EGHGB allgemein auf Zustimmung gestoßen.[39] Das Passivierungswahlrecht des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGHGB sollte jedoch fortbestehen. Demnach wäre über sog. Altzusagen weiterhin lediglich im Anhang zu berichten gewesen. Da die Regelung des RefE BilMoG damit eine kaum begründbare Ungleichbehandlung von Pensionsverpflichtungen zur Folge gehabt hätte, wurde sie dementsprechend als „halbherzig" kritisiert. In Bezug auf den Fortbestand des Passivierungswahlrechts für Altzusagen heißt es in der Regierungsbegründung, die Aufhebung des Ansatzwahlrechts für Altzusagen sei obsolet, da zu erwarten sei, "dass sich die Altzusagen im Sinn des Artikels 28 Abs. 1 Satz 1 EGHGB innerhalb des vorgesehenen Ansammlungszeitraums von 15 Jahren [...] weitestgehend abbauen".[40] Spätestens bis zum Ende der Übergangsregelung im Jahr 2024 werden die vor dem 1.1.1987 gewährten Pensionszusagen durch Ableben der Berechtigten für die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ihre Bedeutung weitgehend verloren haben. Aus systematischen Gründen und mit Blick auf das erklärte Ziel einer Angleichung an internationale Bilanzierungsregeln wäre eine Aufhebung des Passivierungswahlrechts jedoch wünschenswert gewesen. Ihre Entscheidung, das Ansatzwahlrecht gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 EGHGB auch für mittelbare Pensionsverpflichtungen beizubehalten, begründet die Bundesregierung mit Rechtssicherheit.[41] Die Auswirkung dieses Wahlrechts schätzt sie gering ein, da es für den überwiegenden Teil der mittelbaren Pensionsverpflichtungen, mangels Vorliegens der zu einer Rückstellungsbildung verpflichtenden Tatbestandsvoraussetzungen, keine konstitutive Wirkung entfaltet.[42]
Unklar bleibt, warum bei einer Streichung des Passivierungswahlrechts das Gebot der Rechtssicherheit als verletzt angesehen wird bzw. welches schutzwürdige Interesse den Unternehmen aus dem Passivierungswahlrecht erwachsen sein könnte.
Der der Begründung nachfolgende Hinweis, dass "für den Bereich der umlagefinanzierten Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes [... ] es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs an der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der Trägerunternehmen und damit an einer Verpflichtung zur Bildung einer Rückstellung nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB" fehle,[43] lässt einen politisch motivierten Beweggrund für die Beibehaltung des Wahlrechts vermuten.[44] Anders als der Hauptfachausschuss des IDW[45] stuft der BFH die Verpflichtung der Gebietskörperschaft gegenüber den Pensionsberechtigten als mittelbare Verpflichtung ein.[46] Als mittelbare Verpflichtungen wären danach die Pensionsverpflichtungen zahlreicher Kommunen passivierungspflichtig gewesen, wenn das Übergangswahlrecht des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 EGHGB aufgehoben worden wäre.
So hat der Hauptfachausschuss der Wirtschaftsprüfer in seiner Stellungnahme HFA 2/1988[47] zwischen mittelbaren und unmittelbaren Pensionsverpflichtungen unterschieden. Diese Unterscheidung gilt auch nach Einführung des BilMoG weiter. Die nachstehende Abbildung[48] gibt einen Überblick über Regelungen zum Ansatz von Pensionsrückstellungen.
Abb. 1: Überblick über Regelungen zum Ansatz von Pensionsrückstellungen
Bei einer unmittelbaren Pensionsverpflichtung ergibt sich aus der Versorgungszusage ein direktes Verhältnis zwischen dem Unternehmen und den Begünstigten. D. h., das Unternehmen schaltet keinen externen Versorgungsträger ein, sondern zahlt die künftigen Versorgungszahlungen unmittelbar an die Leistungsempfänger. Davon unbenommen ist die Nutzung eines externen Dienstleisters zur Abwicklung der Auszahlung. Ebenso ändert die Nutzung von Rückdeckungsversicherungen oder Treuhändern nichts an der unmittelbaren Pensionsverpflichtung, die in der arbeitsrechtlichen Versorgungsregelung festgelegt ist. Arbeitsrechtlich ergibt sie sich aus der Definition des Durchführungswegs der unmittelbaren Pensionszusage gem. § 1b BetrAVG.[49]
Obwohl die unmittelbare Pensionsverpflichtung im Wesentlichen aus der Pensionszusage resultiert, kann es auch bei externen Durchführungswegen zu einer unmittelbaren Pensionsverpflichtung kommen. So ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG ein direkter Anspruch der Begünstigten gegenüber dem Arbeitgeber, für den Fall, dass ein externer Versorgungsträger die zugesagte Leistung nur teilweise erbringt bzw. erbringen kann.[50] Solche Situationen sind z. B. denkbar, wenn der Arbeitgeber die Beitragszahlung an eine Direktversicherung einstellt und sich die Versorgung nicht an den Beiträgen, sondern an einer zugesagten Leistung orientiert. Pensionsfonds bieten günstige Möglichkeiten der Auslagerung unmittelbarer Pensionsverpflichtungen an. Dabei zahlt das Unternehmen einen Einmalbeitrag zur Ausfinanzierung erreichter Anwartschaften bzw. Leistungen. Gleichzeitig vereinbaren der Pensionsfonds und das Unternehmen eine Nachschussverpflichtung für den Fall, dass das Pensionsfondsvermögen zur Pensionszahlung nicht ausreicht, d. h., Unterdeckungen sind vom Trägerunternehmen auszugleichen. Unterlässt das Unternehmen die Zahlung, muss der Pensionsfonds seine Kalkulation umstellen. Die Leistung ergibt sich dann aus einer versicherungsmathematischen Umrechnung des vorhandenen Vermögens mit dem Garantiezins von Versicherungen (aktuell: 2,25 %).[51] Folglich gewährt der Pensionsfonds eine niedrigere Leistung als ursprünglich in der Versorgungszusage vereinbart. Die Differenz trifft den Arbeitgeber unmittelbar.
Art. 28 EGHGB beschreibt, wann für unmittelbare Pensionsverpflichtungen Pensionsrückstellungen zu bilden sind. Gem. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 wird zwischen Alt- und Neuzusagen differenziert. Diese Unterscheidung ist auf die Einführung des Bilanzrichtliniengesetzes (BiRiLiG) vom 19.12.1985 zurückzuführen. Bis dahin galt für Pensionsverpflichtungen in der Handelsbilanz ein Ansatzwahlrecht. Mit Inkrafttreten des BiRiLiG änderte sich diese Bilanzierungspraxis zu einer Ansatzpflicht, wobei Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGHGB eine Übergangsregelung berücksichtigt. Demnach gilt die Ansatzpflicht nur für Neuzusagen, während für Altzusagen weiterhin das Ansatzwahlrecht angewendet werden kann. Als Neuzusage gilt eine Versorgungszusage, die erstmals nach dem 31.12.1986 erteilt wurde. Bei Altzusagen handelt es sich somit um Zusagen, die erstmals vor dem 1.1.1987 erteilt wurden. Gleiches gilt für Erhöhungen von Altzusagen, die nach dem 31.12.1986 stattfinden. Auch in diesem Fall gilt das Ansatzwahlrecht. Hieran hat sich durch die Einführung des BilMoG nichts verändert.[52]
Im Zusammenhang mit der Einführung des BilMoG und der damit verbundenen zum Teil erheblichen Erhöhung bestehender Pensionsrückstellungen könnte sich die Frage stellen, ob das Ansatzwahlrecht auch so interpretiert werden kann, dass eine freiwillig gebildete Pensionsrückstellung wieder vollständig...