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Die Zeit Constantins des Großen

Vollständige Ausgabe

AutorJacob Burckhardt
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl502 Seiten
ISBN9783849606091
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Die Zeit Constantins des Großen, beschreibt den notwendigen Übergang von der Antike zum Christentum und war die Grundlage der uns heute bekannten mittelalterlichen Kultur. Die Absicht des Verfassers war, das merkwürdige halbe Jahrhundert vom Auftreten Diocletians bis zum Tode Constantins in seiner Eigenschaft als Übergangsepoche zu schildern.

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Leseprobe

Vierter Abschnitt - Einzelne Provinzen und Nachbarlande, Der Osten


 


Wir wenden uns zu den orientalischen Grenzländern des Römerreiches. Auch hier kämpft dasselbe um seine Existenz; Diocletian erbt Empörungen und sehr blutige Kriege; er und seine Mitherrscher müssen mit unendlicher Mühe den Orient verteidigen und zum Teil neu erobern.

 

Zwar schlummert noch der schlimmste künftige Feind; die Araber, welche dereinst mit Schwert und Koran den Osten überziehen sollen, leben noch im Rücken von Syrien und Palästina getrennt in Hunderte von Stämmen, hingegeben ihrem Gestirndienst und Götzendienst, ihrer Wahrsagung und ihren Opfern; einige sind zum Judentum übergetreten, und im folgenden Jahrhundert gibt es sogar ein paar christliche Stämme. Der Mittelpunkt der Nation ist die schon von Ismael gegründete Kaaba zu Mekka; in der Nähe, zu Ocadh, wird die jährliche zwanzigtägige Messe gehalten, und neben dem Handel und der Andacht gedeihen hier auch die dichterischen Wettkämpfe, deren Überreste – sieben Gedichte, die Muallakats – bis auf unsere Zeit gekommen sind. Die Berührungen mit Rom sind hie und da freundlicher Art; arabische Reiter dienen im römischen Heer, und nicht selten besuchen Araber die alten Heiligtümer Palästinas, welche zugleich Märkte sind, wie zum Beispiel die Eiche Abrahams bei Mamre . Meist aber sind sie gefährliche Nachbarn dieses Landes. Man erfährt, dass Diocletian besiegte Sarazenen gefangennahm , doch ohne Meldung näherer Umstände. In den Kämpfen der Imperatoren um Mesopotamien und Ägypten werden sie erst gegen Ende des vierten Jahrhunderts genannt; ihre Stunde war noch nicht gekommen.

 

Viel grösser und näher war die Gefahr, welche seit den Zeiten des Alexander Severus von dem Reiche der Sassaniden aus drohte. Wenn man den nur mässigen Umfang desselben und die ohne Zweifel nicht sehr dichte Bevölkerung erwägt, so erscheint das Römerreich auf jede Weise im Vorteil. Sollte letzteres nicht mit Leichtigkeit den Völkerschaften vom obern Euphrat bis ans Kaspische Meer und bis an den Persischen Meerbusen, östlich etwa bis an die Strasse von Ormuz gerechnet, widerstehen können? In der Tat hatten die Angriffe der Sassaniden einstweilen mehr den Charakter von Raubeinfällen als von Eroberungskriegen, allein die Gefahr war und blieb doch gross und lästig, weil die Imperatoren zugleich immer von den Germanen und oft noch überdies von Abfall und Usurpation bedroht waren und also nur eine beschränkte Kraft nach Osten hin aufwenden konnten. Als stehender Feind des Römerreiches und auch um seines merkwürdigen innern Zustandes willen verdient hier das Sassanidenreich eine kurze Schilderung .

 

Fürs erste ist dasselbe ein künstlich entstandenes Präparat, mit dem Anspruch auf Restauration eines längst vergangenen Zustandes. Das alte Perserreich, von Alexander erobert, war größtenteils den Seleuciden zugefallen; durch Abfall Mesopotamiens und der östlichen Gebirgsländer hatte sich das bald wieder barbarisierte Partherreich der Arsaciden gebildet, mit welchem die Römer als Erben Vorderasiens sehr anstrengende Kriege führen mussten – weniger wegen besonderer innerer Kräfte des nur lose zusammenhängenden Staates, dessen Oberkönig vom Trotz grosser Vasallen vielfach eingeschränkt blieb, als wegen der Natur des Landes, die einem angreifenden Heere durchaus ungünstig war. Nachdem noch der letzte König, Artaban, den Nachfolger Caracallas, Macrinus, zu einem schmählichen Frieden und zum Abzug genötigt, fiel er durch die Usurpation des Ardeschir Babekan (Artaxerxes Sassan), welcher von den alten Herrschern Persiens abstammen wollte und auch zunächst die Perser in Farsistan um sich gesammelt hatte, um an die Stelle des herrschenden Parthervolkes nach orientalischer Weise ein neues herrschendes Volk zu setzen. Aber nicht nur der Staat der alten Achämeniden, der Darius und Xerxes, samt seinen Einrichtungen sollte hergestellt werden, sondern auch die alte Lehre Zoroasters sollte über den parthischen Stern- und Götzendienst siegen. Die Magier, viele Tausende an Zahl, versammeln sich zu einem Konzil; durch ein Wunder wird die vorgeblich vergessene reine Feuerreligion wieder zutage gefördert, und der König wird der erste der Magier, deren Rat und Weissagung in eine wahre Mitherrschaft übergeht. Sie lassen ihm dafür den Titel eines Gottes, und zwar von dem Range der Izeds, der Diener des Ormuzd; er ist ebenbürtig mit den Sternen und darf sich den Bruder der Sonne und des Mondes nennen . Die Christen, welche keinen Anspruch dieser Art anerkannten, erhielten in der Folge einen vielleicht noch schlimmern Stand als im Römischen Reiche, insofern hier ein dogmatischer Fanatismus herrschte, der in der römischen Vorschrift, den Kaisern zu opfern, nicht enthalten war. Es scheint, dass zur parthischen Zeit viele Christen in diese Länder geflohen waren, wo ihnen die Arsaciden vielleicht aus politischen Gründen Duldung gewährt hatten; diese alle fielen jetzt den Magiern in die Hände. Später, unter Sapor II. (310 bis 382), sollen auch die in Persien sehr mächtigen Juden, die sogar die Königin auf ihre Seite zogen, an jener grossen Verfolgung Anteil gehabt haben, welcher unter andern nicht weniger als 22 Bischöfe unterliegen mussten .

 

An einer Felswand unweit Persepolis sieht man die Gräber der alten Könige von Persien in gewaltigem Maßstab, in herbem altpersischem Stil eingehauen. Die Sassaniden wollten sich diese geheiligte Stätte nicht entgehen lassen; eine Reihe von weiter unten angebrachten Reliefs stellt Szenen des Krieges, des Zeremoniells und der Jagd dar, in welchen der König als Hauptperson auftritt . Das feindliche Römerreich scheint dazu die Künstler (vielleicht Kriegsgefangene) geliefert zu haben, wenigstens zeigen diese Bildhauereien wie die wenigen erhaltenen Bauwerke durchaus den Einfluss der sinkenden römischen Kunst. Es handelt sich hauptsächlich um ein paar im Rundbogen gewölbte Eingänge zu Felsgrotten und um die im römischen Thermenstil komponierten, in der Ausführung aber schon sehr barbarischen Paläste von Firuz-Abad und von Sarbistan, mit grossen nischenartigen Öffnungen und Kuppelräumen . Eigentliche Tempel gab es nicht ; die Pyreen oder Feueraltäre waren der Herd des Kultus; an ihren Stufen dürfen wir in der Regel auch den König, von den Magiern umgeben, aufsuchen.

 

Die Orthodoxie war hier zum notwendigen Staatsprinzip geworden. Vergebens tritt der Reformator Mani, der aus der christlichen, parsischen und buddhistischen Religion ein höheres, neues Ganzes machen wollte, mit seiner Tafel voll gemalter Symbole in Persien auf; Bahram I. lässt ihn durch seine Doktoren niederdisputieren und dann lebendig schinden, die Haut aber zu allgemeiner Warnung am Tor von Djondischapur aufspannen. Einmal jedoch bemerkt man, dass ein König sein Geschlecht von der drückenden Magierherrschaft zu befreien sucht; Yezdegerd I. Alathim (400–421) lässt seinen Sohn Bahram-gur ferne vom Hof durch einen götzendienerischen, später zum Christentum bekehrten Araber, den Häuptling Noman von Hira, erziehen; allein der Prinz wird in der Folge nicht anerkannt, »weil er arabische Sitten angenommen habe«, und muss mit einem von den Grossen aufgestellten Gegenkönig Kesra oder Khosru im eigentlichen Sinn des Wortes um die Krone streiten. Unweit der Residenz Madain wird die Tiara der Sassanidenherrscher zwischen zwei hungrige Löwen gelegt, und es wird gefragt, welcher von beiden Thronbewerbern zuerst danach greifen dürfe? Kesra lässt dem Bahram-gur gerne den Vortritt, und dieser tötet die beiden Löwen und setzt sich sofort die Krone auf. Doch dauerte die Rechtgläubigkeit in vollem Glänze fort. Als später (491–498) der König Cobad sich dem Irrlehrer Mazdak hingegeben hatte, welcher die Gemeinschaft der Weiber und den Kommunismus predigte, gab es eine allgemeine Empörung gegen ihn, und er musste einige Zeit in dem »Schlosse der Vergessenheit« zubringen. Erst gegen die letzten Zeiten des Reiches hin lässt sich eine grosse religiöse Erschlaffung verspüren.

 

In politischer Beziehung ergibt sich das Bild des gewöhnlichen asiatischen Despotismus. Das Volk kann nur anbeten; wenn ein neuer König seine erste Ansprache gehalten hat , werfen sich alle mit dem Antlitz auf die Erde und bleiben in dieser Stellung, bis der König den Befehl schickt, wieder aufzustehen. Es hat lange gedauert, bis die Demut auch im oströmischen Reiche so weit entwickelt war; noch bei Diocletian beschränkt sich die Anbetung auf das Innere des Palastes. – Die Freude des Orientalen an auffallenden Akten der Gnade und der Strafgerechtigkeit, wobei sich eine tröstliche Gleichheit vor dem Despotismus offenbart, geht auch hier nicht leer aus. Doch hat der König eine Aristokratie von ungewissem Ursprung um sich, vielleicht die Familien der von Ardeschir aus Farsistan mitgebrachten Grossen. Dieser Adel scheint sich mit den Magiern in den Einfluss bei Hofe geteilt und mehr als eine Revolution auf eigene Hand versucht zu haben; er ist es, der Bahram II. (296–301) im Einverständnis mit dem Grossmagier (dem Mobed der Mobeds) zur Nachgiebigkeit zwingt, Bahram III. wider Willen auf den Thron erhebt (301), und an Shapurs III. Zelt die Stricke durchschneidet, so dass der König unter dessen Einsturz erstickt. In manchen Thronfragen übt er jedoch seine entscheidende Macht in so günstigem Sinne, dass das...

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