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Diese verrückten 90 Minuten

Das Fuss-Ball-Buch

AutorWolff-Christoph Fuss
VerlagC. Bertelsmann
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783641129194
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
»Hasta la vista, Bayern finalista!« Spontane, unvergessliche Sprüche wie dieser sind das Markenzeichen des Fußballreporters Wolff-Christoph Fuss. Im Jahr der Fußball-WM 2014 erzählt er aus der verrückten Realität seines Traumberufs und einer häufig überdrehten Branche. Er erinnert sich an peinliche Patzer bei seinen ersten Spielkommentaren, an emotionale Augenblicke wie beim »Spiel für die Ewigkeit« zwischen Inter Mailand und Schalke 04 oder an Vorgänge hinter den Kulissen, etwa als der größte Tag in der Karriere des Jupp Heynckes auch zum Tag seiner größten Niederlage wurde. Doch im Zentrum stehen die 90 Minuten, die - unberechenbar, berauschend, ernüchternd - Millionen Menschen bewegen. Dieses besondere Fuss-Ball-Buch ist Erinnerung, Reisebericht, Autobiografie und Tagebuch in einem. Es erzählt von Spielen und Menschen, von Moderationen und Notlagen, von Pannen und Glücksmomenten.

Wolff-Christoph Fuss gilt als populärster TV-Fußballkommentator des deutschsprachigen Raums. Seine Kommentare wurden mehrfach ausgezeichnet und sind, teils zu geflügelten Worten geworden, bei Fans und Zuschauern in aller Munde. Er ist seit über 20 Jahren fürs Fernsehen tätig: DSF, Sport1, Premiere, Sat.1, seit 2012 für Sky. 2014 veröffentlichte er den Bestseller »Diese verrückten 90 Minuten. Das Fuss-Ball-Buch«.

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Leseprobe

Prolog

Still und starr döst die Liga in der Sommerpause. Wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass die ersten Vereine ihre Amtsgeschäfte schon wiederaufgenommen haben: Kilometerfressen an Berghängen, in Wäldern, an Stränden. Wilde Steigerungsläufe an verdutzten Touristen vorbei. Grundlagenausdauertraining für die neue Saison. Manch ein Spieler hat in den Wochen zuvor etwas zu exzessiv gelumpt, da müssen Kilos runter. Jürgen Klopp sagte mal: »Ich war überrascht. Der eine oder andere meiner Spieler hat über die Sommerpause Bartwuchs bekommen.«

Auch als Fußballkommentator lümmelt man in der Sommerpause mehr oder weniger beschäftigungslos herum und wartet, dass der Ball wieder rollt. Ja, gut, ich sag mal, natürlich gab es Fußball in diesem Sommer 2013. Den Confederations Cup mit einer eindrucksvollen brasilianischen Nationalmannschaft. Die Europameisterschaft der U21, die dem deutschen Nachwuchs ein Aus in der Vorrunde bescherte und dem Trainer Reiner Adrion etwas mehr Tagesfreizeit – zumindest bis auf Weiteres. Alles in allem aber nichts Weltbewegendes. Ich bin immer ganz froh, wenn es zumindest ein paar Tage im Jahr gibt, an denen ich nicht jedes Spiel gucken muss und eben nicht am nächsten Tag das Gefühl habe, irgendetwas verpasst zu haben. Man kann stattdessen andere Termine wahrnehmen, ein Buch schreiben oder mal eines lesen. Urlaub machen, Seele baumeln lassen, ohne schlechtes Gewissen.

Die Sommerpause in der Bundesliga und im gesamten europäischen Fußball ist aber weit mehr als nur eine Pause. Sie ist praktisch die Ursuppe der Spekulation: Wer geht wann warum wohin oder eben auch nicht? Den Laien oder »Eventguckern« erschließt sich dieser Charme nur sehr bedingt. Dabei sind es im Grunde die Spekulationen, die Zeitungen füllen und TV-Quote machen. Der Fakt als solcher schlagzeilt genau einen Tag – Spekulation funktioniert über Wochen.

Mit einem gewissen Amüsement kann man als Fußballkommentator in der Sommerpause dieses Treiben verfolgen. Robert Lewandowski war in jenem Sommer ein großes Thema. Noch mehr sogar seine Berater, die medial einmal quer durch die Dörfer getrieben wurden und schließlich gar als Mahnmale einer nicht immer seriösen Branche gehandelt wurden. Wie berechtigt oder unberechtigt derlei Vorwürfe sind und waren, können die wenigsten wirklich beurteilen. Bei Transfers im Profigeschäft geht es um viele individuelle Befindlichkeiten, und jeder möchte so gut wie irgend möglich dastehen. Also bestand die Sommerpause 2013 auch aus einem »Unser täglich Lewandowski gib uns heute«. Er geht zu Bayern, er geht nicht zu Bayern, er geht nächstes Jahr zu Bayern, er geht nie zu Bayern, er geht sofort zu Bayern, er geht nach Chelsea, er geht nach Manchester, er geht nirgendwohin, er geht nie mehr irgendwohin. Informanten waren mal die für gewöhnlich »gut informierten Kreise«, die Berater und einer, der einen kennt, der wiederum einen kennt, dessen Bruder mit der Cousine des Onkels gesprochen haben will, und die müsse es schließlich ganz genau wissen. Dazwischen immer wieder vermeintlich gierige Berater, die nur das Beste für ihren Schützling wollen. Und plötzlich heiratet er auch noch. Mahlzeit! Das war der Fußball-Juni komprimiert. In vergleichbarer Form mit unterschiedlichen Personen ist das ein sich Jahr für Jahr wiederholendes Ritual. Eine Art dadaistisches Grundrauschen – ein Evergreen. Lewandowskis endgültiger Wechsel zum FC Bayern München zur Jahresmitte 2014 wurde schließlich, juristisch wasserdicht, den Statuten gemäß, Anfang Januar bekannt gegeben.

Hinein in dieses Rauschen baute der Fußballsommer 2013 eine Oase. Im Jahr zuvor schien diese Oase noch eine Fata Morgana – zu utopisch, um auch nur in Ansätzen Realität werden zu können. Die Oase trug den Namen Pep. Josip Guardiola – so heißt er mit vollem Namen – ist der erfolgreichste Trainer im Vereinsfußball der letzten Jahre. Er hat alles, was der europäische Fußball an Titeln zu bieten hat, zum Teil mehrfach gewonnen.

Schon früh im Jahr hatte der FC Bayern München Pep Guardiolas Verpflichtung bekannt gegeben. Im November 2012, als das Gerücht erstmals auftauchte, war es eigentlich keins. Es war mehr eine Pointe, gerne kommentiert mit dem Zusatz: »Und Lionel Messi und Cristiano Ronaldo kommen auch noch mit.« Klar! Logo! Immer her damit! Erst im Januar 2013 erfuhr die Öffentlichkeit davon, dass Guardiola schon vor einigen Jahren den Bayern-Bossen zugeraunt hatte: »I can imagine to work for Bayern.« Oh yes, he can!

Es war kein Scherz. Die Scheichs aus Manchester und Paris und die Russen aus Chelsea schauten vollkommen überrascht in die Röhre. Bayern München also. Jupp Heynckes hatte, nachdem die Trainerverpflichtung bekannt gegeben worden war, mit den Bayern das Triple geholt. Meisterschaft, Pokal, Champions League. Alles. Das volle Programm. Erstmals für die Bayern, einmalig im europäischen Fußball für eine deutsche Mannschaft. Gerade so, als wollte er sagen: »Dann seht mal zu, was der beste Trainer der Welt noch verbessern kann.« Ich meine das jetzt im übertragenen Sinne. Jupp Heynckes ist für derartiges Gedankengut ein viel zu anständiger Mensch. Und doch ist er mit einer gehörigen Portion Stolz und Genugtuung von der Bühne abgetreten, in dem Wissen, die Benchmark für die folgenden Trainergenerationen im deutschen Fußball gesetzt zu haben, und seien es die besten der Welt. Wie steigert man Rekordsaison?!

Die Pressekonferenz zum Antritt des spanischen Jupps in der Allianz Arena war hoffnungslos überbucht. Mehr als zweihundert Journalisten aus aller Welt hatten sich angemeldet, Liveübertragung im Fernsehen inklusive. Ein wahrer Hype hatte die bayerische Landeshauptstadt erfasst. Eine Inszenierung wurde erwartet, mit Kettenkarussell und Dosenwerfen, und am Ende würde Pep womöglich noch übers Wasser gehen und Hunger und Armut auf der Welt besiegen. Wir sind zwar nicht mehr Papst, aber wenigstens Pep, und wenn die Hand Gottes in Rom jetzt schon ein Argentinier sein muss, dann sind wir zumindest der Außenrist. So geht Hype. Und es hat Zeiten gegeben, da haben die Protagonisten den Affen gezuckert – in München. Jürgen Klinsmann wollte jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser machen. Louis van Gaal meinte, sein Verständnis des »Mia san mia« und das des FC Bayern passe zu ihm »wie ein warmer Mantel«. Beide Trainer scheiterten. Klinsmanns Buddhas, die er auf der Wohlfühl-Dachterrasse des Leistungszentrums an der Säbener Straße zur Kräftigung der inneren Mitte aufbauen ließ, wurden nach einem Dreivierteljahr medial von selbiger Terrasse geschossen, das Chi war in die völlig verkehrte Richtung geflossen und wurde im Anschluss noch wuchtig von der Vereinsspitze kommentiert. Van Gaal gewann zwar Titel, glaubte sich aber in Sphären jenseits des Vereins – und musste schließlich kurz vor Ende seiner zweiten Spielzeit gehen. Der warme Mantel war auch nur eine Übergangsjacke gewesen.

Jetzt also Pep Guardiola. Und es passierte – nichts. Buenos dias, Messias! Ein wohltuend unaufdringlicher, fast schüchtern wirkender Trainer nahm, im perfekt sitzenden Anzug und flankiert von den Bayern-Granden, auf dem Podium Platz. Die Herrschaften vom Club grinsten wie die Honigkuchenpferde. In beachtlich gutem Deutsch würdigte der Neue die Vorsaison, vermied Kampfansagen, analysierte, parlierte aufgeschlossen, freundlich, zurückhaltend. Bayerns Mediendirektor Markus Hörwick meinte gar, er wünsche manch anwesendem Journalisten eine derartige Grammatik. Das klingt überzogen, sollte aber wohl eher seiner Erleichterung Ausdruck verleihen. Denn mit Sprachproblemen und rudimentären Deutschkenntnissen hat man beim deutschen Rekordmeister einschlägige Erfahrungen gemacht. Die Hochphase von Giovanni Trapattoni ist noch allgegenwärtig: »Ein Trainer is nisst ein Idiot. Ein Trainer seigt se was passiere in Platz.« Sätze, die mittlerweile ein Stück deutscher Fußballkulturgeschichte darstellen, führten in erster Instanz auf eine humoreske Reise in die Untiefen der deutschen Grammatik. »Was erlaube Strunz!?«

Nein, hier saß eine Größe des Weltfußballs vor dem imposanten Plenum, etwas nervös zwar, aber doch Staatsmann. Er bildete mühelos deutsche Relativsätze, konnte aber gleichzeitig auch den Kollegen aus England und Italien in ihrer jeweiligen Muttersprache Auskunft geben. Nein, so viel wolle er gar nicht verändern, es sei eine Ehre, hier zu trainieren, und klar sei das hier medial sehr erhitzt, aber so sei das nun mal, wenn ein großer Club einen neuen Trainer verpflichte.

Selten wurde ein Hype durch einen charmanten Auftritt so wohltuend konterkariert wie an diesem Vormittag. Pep ging nicht übers Wasser, segnete in der Folge auch keine Kleinkinder, und der Weltfrieden blieb ebenfalls ein süßer Traum. Das hatte internationales Flair. Fußballerische Hochkultur an der Isar.

Der Tag danach war der 26. Juni 2013. Das erste öffentliche Training des neuen Topstars der Fußballbundesliga. Fünfundzwanzigtausend Zuschauer waren zugelassen. Um noch mehr Menschen einen ersten Blick auf den neuen Trainer zu gewähren, setzten die Münchner für den 27. Juni eine zusätzliche Trainingseinheit in der Allianz Arena an. Gegen fünf Euro Eintritt, für eine neunzigminütige Einheit. Es gab Stimmen, die besagten: »Was ein Schnäppchen!« In der vorangegangenen Saison kostete das Ticket ein Vielfaches. Da allerdings gab es einen Gegner, zumindest offiziell.

Ich sollte das Training live kommentieren, mitten in der lümmeligen Sommerpause. Ein Träumchen, ohne Zweifel. Eine Herausforderung ohne Wenn und Aber. Kommentiere Warmlaufen,...

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