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E-Book

Dietrich Bonhoeffer

Seelsorge im religionslosen Zeitalter

AutorVolker Schoßwald
VerlagTWENTYSIX
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783740756178
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,49 EUR
Dietrich Bonhoeffer, ein großer Theologe und für viele auch eine Lichtgestalt. Er lehrte "Seelsorge" und er praktizierte sie auch in der Gefangenschaft. Lehre und Praxis stehen in einer Spannung zueinander. Volker Schoßwald setzt sich mit kritischer Sympathie mit dieser Facette Bonhoeffers auseinander. Dabei kommt er auch nicht umhin, die gesellschaftlichen Entwicklungen der 30er Jahre im Deutschen Reich mit den Entwicklungen in der Bundesrepublik und ihrem geographischen Umfeld heute zu reflektieren.

Volker Schoßwald, geb. 1955 Schweinfurt, verdient sich seine Brötchen und seinen Braten als Pfarrer in Nürnberg-Gostenhof. Der Vater zweier Söhne wohnt in Schwabach und hat inzwischen drei Lolo und Bibi Bücher verfasst. Daneben schreibt er theologische Fachliteratur.

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Leseprobe

3 Der familiengeschichtliche Hintergrund


In Bonhoeffers Herkunftsfamilie(n) tauchen erlauchte Namen auf. Manche werden freilich erst dann erlaucht, wenn man ein bisschen nachforscht. In Zeiten von Wikipedia ist das durchaus spannend (bis unterhaltsam in einsamen Winternächten).

Manche erlauchten Namen gehören nicht genetisch zur Familie, sondern zum engeren sozialen Umfeld. Das wird vielleicht dann interessant, wenn man sich überlegt, welchen Umgang unsere Vorfahren hatten. Meine können nicht mithalten, auch nicht, wenn der Vater Deutschlands Psychiater Nummer Eins war, an der Charité und der Urgroßvater mütterlicherseits national bekannter Kirchengeschichtler.

Beginnen wir mit den Vorfahren seiner Mutter: Urgroßvater August von Hase schrieb diverse Werke, interessant vielleicht auch heute noch schon vom Titel her: „Ideale und Irrtümer“.

Seine Schwiegertochter wurde immerhin von Clara Schumann und Franz Liszt unterrichtet. Da kann ein lokal durchaus angesehener Musiklehrer wie Herr Trunte in Schweinfurt nicht mithalten, auch wenn er mich die Flötentöne lehrte. Clara von Hases jüngere Schwester avancierte gar zur Hofdame, womit man immerhin zum Hofe Beziehungen hatte.

Ihr Vater Stanislaus Graf von Kalckreutz, ein Kunstmaler gründete gar die Kunstschule zu Weimar und Bilder von ihm finden wir in der Münchner Pinakothek, wenn auch nicht bei Avantgarde.

Claras Gatte Karl Alfred von Hase erklomm nicht die Höhe seines Vaters, war aber wichtig an dessen (familiärer) Aufarbeitung beteiligt. Ironisch könnte ich sagen: Man hielt ihn sich als Familienpfarrer auch in den desinteressieren Zweigen. Bei dieser Ironie würde mir Dietrich, der von ihm getauft wurde, vermutlich zustimmen. Als Theologe sah er dies durchaus kritisch. Diese Aufgabe als „Familienpastor für häusliche Kasualien“ erbte dann sein Sohn Hans von Haase (1873-1958), dessen Lebensdaten sich dann mit meinen bereits überschneiden.

Zwar erreichte Karl Alfred nicht den Bekanntheitsgrad seines Vaters, aber interessanterweise war er Burschenschaftler und als solcher 1824f. auf dem Hohenasperg gefangen. Wir erleben ihn also als einen, der sich heraus wagte.

Von den Personen, zu denen er eindrückliche Kontakte hatte, nenne ich Blumhardt, Dahn und Goethe. Während er mit letzterem über seine Italienreise plauderte (1830), pflegte er mit dem nationalen Historiker Dahn in Breslau freundschaftlichen Umgang. Theologisch am herausragendsten ist die Begegnung mit Blumhardt, zu der ein soziales Evangelium passt und ein Weg mit Offenheit über die konventionelle lutherische Kirche hinaus.

Karl Alfred von Hase schrieb eine Familienchronik, in der sein Vater wichtig war. Die Bonhoeffers belächelten diese Fixierung auf die Familie.23 Allerdings stellte ich diese bei den von Kleists auch massiv fest. So erscheint bei jedem Familientreffen eine dicke aktuelle Liste aller lebenden von Kleist-Retzows.

Vater Karl Bonhoeffer machte nicht gerade den Eindruck eines Revoluzzers, auch wenn er sich geistige Freiheit vorbehielt. Familiengeschichtlich treffen wir bei seinen Vorfahren auf andere Kaliber.

Von wegen „aus grauer Städte Mauern“… Ein holländischer Ahn wanderte 1513 von den guten Höfen aus Nimwegen in Schwäbisch Hall ein, van den Boenhoff… Die Integration dieses Migranten gelang offenbar hervorragend, denn unter Dietrichs Vorfahren finden wir 78 Ratsherren in Schwäbisch Hall. Die holländischen Migranten scheinen recht gut angekommen zu sein; einer meiner Vorfahren, Henricus van Hout aus Niederweerth war nur einer von drei holländischen Männern meiner Vorfahrin Margarethe. Um 1700 eingewandert gründete er eine Familie, deren Nachfahren dann nach ihm „Heinrichs“ genannt wurden. Man findet sie unter den Gründern des deutschen Zweiges des niederländischen Unternehmens „SPAR“.24 Soviel zum Thema „Migration“ bei den Vorfahren.

Spannend wird es auch, als Dietrichs Großvater Friedrich Julie Tafel heiratete, eine Frau Jahrgang 1842. Sie hatte einen Onkel namens Gottlob, der seinerzeit 1824 im Knast saß, als umtriebiger Burschenschaftler der damals revolutionären nationalen Ideen. Den Nationalisten ging es damals um Grenzöffnungen, nicht um Mauerbau!

Er saß übrigens mit einem gewissen Karl August von Hase im Knast. Der später renommierte Theologe machte sich von der gemeinsamen Haft Notizen. Gottlob Tafel hatte nämlich inhaftierte Brüder – also entweder eine Familie mit krimineller Energie oder couragierte Bürger. Die vier Brüder nannte man den „wilden“, den „wüschte“ (schwäbisch für wüst), den „schönen“ und den „frommen“. Gottlob war der „wilde“. Es erinnert mich durchaus an Fritz Teufel, der am 2. Juni 1967 während der Proteste gegen den persischen Schah verhaftet wurde, während zeitgleich ein Berliner Polizist den unbeteiligten Passanten Benno Ohnesorg erschoss. Herr Teufel sollte damals, wie es vor Gericht üblich war, sich erheben. Wir vergessen in diesem Zusammenhang lieber, dass es eine personelle Kontinuität von Richtern von 1933 bis 1967 gab und ein Richter, der den Treueeid auf den Führer Adolf Hitler geschworen hatte, 1967 einen Angeklagten verurteilen durfte. Als seinerzeit der Richter Herrn Teufel25 aufforderte, sich zu erheben, reagierte dieser – wohlgemerkt gehorchend! und sich dadurch von so manchen Faschisten unterscheidend – mit der lakonischen Bemerkung „Wenn’s denn der Wahrheitsfindung dient.“ Am 22. Dezember 1967 wurde Teufel freigesprochen. Schweigen wir lieber darüber, dass sich die Juristen nach 1945 gegenseitig freisprachen.

Gehen wir von Teufel zurück zu Tafel. Gottlob Tafel wurde wegen demokratischer Frevel angeklagt. Zu seinem Untersuchungsrichter sagte er (laut K.A.v.Hase): „Nun, Herr von Prieser, Sie haben uns ans Messer geliefert. Sie werden dafür gewiß eine rechte Karriere machen....“ Auch kein schlechtes Wort, fast so wiederholungswürdig wie das von Fritz Teufel.

Gottlobs Nichte Julie war wohl von ähnlichem Holz. Wie Fritz Teufel (1943-2010) lebte sie in Berlin, jedoch deutlich vor diesem. Dietrich Bonhoeffer erlebte seine Großmutter hautnah und es wird ihm unter die Haut gegangen sein, als er ihre Zivilcourage mitbekam. Im April 1933 blockierte die SA (kurz bevor ihr geliebter Führer ihr den Garaus machte und seinen Duzfreund Ernst Röhm umbringen ließ26) das renommierte KdW, Kaufhaus des Westens.27 „Kauft nicht bei den Juden!“ hieß damals die Parole, so wie in unserem Jahrzehnt in der BRD von türkischstämmigen Moslems die Parole ausgegeben wird: „Kauft nicht bei Gülen-Anhängern!“. Die deutschen Anhänger der faschistoiden Erdogan-Regierung bringen Phänomene aus der Nazi-Herrschaft wieder in unser Land, während ihr „Führer“ Erdogan gleichzeitig Deutsche als Nazis beschimpft. Dietrich Bonhoeffer verschlief seinerzeit den Paradigmenwechsel. Das sollte uns heute als Kirche wie als Gesellschaft nicht noch einmal passieren.

Juli Tafel, Dietrichs Großmutter, seinerzeit 91 Jahre alt, zeigte 1933 Zivilcourage. Sie schritt durch die blockierenden Reihen der SA hindurch ins Kaufhaus und kaufte ein. Das war ein echtes Zeichen. Soviel müssten wir heute auch noch zu Stande bringen.

Gehen wir zur Generation unter ihr, also zum Ehepaar Bonhoeffer. Immerhin schrieb sich Karl Bonhoeffer im Lebensrückblick (nach 1945!) auf die Fahnen, in seiner Abteilung in der Charité kein Hitlerbild aufgehängt zu haben. In seiner Erinnerung war er der einzige und sein Nachfolger ließ dann eine überdimensionierte Hitlerbüste aufstellen.

Es ist nicht so einfach, Karl Bonhoeffer aus seinem Blickwinkel nach 1945 mit der Zeit davor in Übereinstimmung zu bringen. Ein Widerstandkämpfer war er offenkundig nicht. Aber er war das patriarchalische Oberhaupt einer Familie, in der viele Widerstandkämpfer waren, die ihren Widerstand mit dem Leben bezahlten und dadurch besonders glaubwürdig machten.

In seinen Erinnerungen schreibt er, dass Hitler für ihn immer unwählbar war, schon weil er aus Kollegenkreisen um seine psychopathologische Einschätzung wusste. Es würde allerdings auch schon der akademisch abschätzige Blick auf den Proletarier ausreichen.

Hitler zu verachten sagt noch nichts über das eigene Wertebild aus. Der in der BRD als Widerstandkämpfer hochgejubelte Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der wirklich sein Leben einsetzte und verlor!, war keineswegs ein Vorkämpfer für die Demokratie. Das schmälert nicht sein Verdienst, verbietet aber eine Vereinnahmung für eine demokratische Gesellschaft. Dass er sich nach 1945 anders entwickelt hätte, wäre eine realistische Möglichkeit. Dazu passt die Stellungnahme seines Enkels Karl Schenk Graf von Stauffenberg zu Äußerungen aus der AfD28: „Als Enkel eines Widerstandskämpfers und deutscher Patriot empfinde ich es unerhört, dass sich Herr Gauland auf einen Mann bezieht, der von Menschen ermordet wurde, deren vermeintlicher Bezug auf eine deutsche Kultur große...

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