Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die historischen Auswirkungen technischen Fortschritts bis hin zur heutigen Tertiarisierung der Volkswirtschaft. Außerdem wird gezeigt, dass sich die Aktivitäten innerhalb beruflicher Tätigkeiten zunehmend „vergeistigen“ und inwiefern sich dadurch die Digitalisierung von vergangenen industriellen/technischen Revolutionen unterscheidet.
Technische Entwicklungen hatten im Laufe der Menschheitsgeschichte schon immer einschneidende Auswirkungen. Doch die erste sprunghafteste Entwicklung fand während der ersten industriellen Revolution (Industrialisierung) in Großbritannien Mitte des 18. Jahrhunderts statt, als durch die Einführung des mechanischen Webstuhls sowie durch die Optimierung der Dampfmaschine, der Übergang zur industriellen Fertigung begann.[61],[62]
Im gleichen Zeitraum wuchs die Bevölkerung rasant und es wurden durch landwirtschaftliche Entwicklungen wie Mäh- und Sämaschinen sowie Kunstdünger menschliche Arbeitskraft freigesetzt. Die Menschen wanderten zunehmend in die Städte ab, wo sie auf Grund des starken Wachstums des produzierenden Gewerbes wieder Arbeit finden konnten.[63]
Das Prinzip der Arbeitsteilung gilt als Beginn der zweiten industriellen Revolution.[64] Die Aufgaben gut ausgebildeter Arbeiter wurden in kleinere, vereinfachte Teilaufgaben aufgeteilt. Für diese Teilaufgaben bedurfte es keiner besonderen Fähigkeiten und sie konnten dadurch, bei gleichzeitiger Steigerung der Produktivität, statt von gut ausgebildeten Arbeitern von einer Vielzahl ungelernter Arbeiter ausgeführt werden.[65],[66]
Der Bedarf von Arbeitskraft hat sich demzufolge in einen anderen Sektor, von der Landwirtschaft und der handwerklichen Einzelherstellung zur industriellen Produktion, verlagert. Außerdem ist der Bedarf an ausgebildeten Arbeitskräften gesunken, während der Bedarf an ungelernten Arbeitskräften gestiegen ist. [67]
Ebenfalls auf dem Prinzip der Aufteilung von umfangreichen Produktionsschritte in kleinere, vereinfachte Teilschritte basierte das von Henry Ford im Jahre 1913 eingeführte Fließband. Fließbänder waren zwar schon länger bekannt, Henry Ford allerdings mechanisierte und verfeinerte das Prinzip. Durch das Aufteilen der Arbeitsschritte für die Herstellung einer Magnetzündung in 29 kleinere Arbeitsschritte konnte Ford die Fertigungszeit von 20 Minuten auf 5 Minuten pro Stück reduzieren.[68]
Obwohl von der Fließbandfertigung und ähnlichen Prinzipien zunächst insbesondere ungelernte Arbeitskräfte profitierten, stieg mit der zunehmenden Nutzung von Elektrizität auch der Bedarf an ausgebildeten Arbeitskräften wieder an. Durch die zunehmende Automatisierung von Produktionsschritten durch elektrischen Strom war man auf Arbeitskräfte angewiesen, die die dazu notwendigen Maschinen entwerfen, installieren und warten konnten.[69],[70]
Im Laufe des 19. Jahrhunderts konnte die Stahlindustrie ihre Preise senken und gleichzeitig die Ausbringungsmenge erhöhen, was zu einem rasanten Fortschritt im Ausbau des globalen Transportnetzes führte. Durch das weiterentwickelte Transportnetz konnten Anfang des 20. Jahrhunderts zunehmend internationale Märkte erschlossen werden.[71],[72]
Die Einführung und Nutzung von Technologien wie dem Telegraphen, dem elektrischen Lochkartenstanzer oder der elektrischen Schreibmaschine Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts verdoppelten in den USA, in Verbindung mit dem weiterentwickelten Transportnetz, zwischen 1900 und 1940 die Arbeitskräfte im Informationssektor. [73],[74],[75]
Um 1970 begann die dritte industrielle Revolution mit der Entwicklung der Mikroprozessoren (oder auch Mikrocomputer genannt). Computer wurden zwar schon seit den 1940er Jahren gebaut und genutzt, konnten jedoch aufgrund ihrer physikalischen Ausmaße und den enormen Kosten nur in separaten Räumen und nur von einer Handvoll Personen genutzt werden.
Die Entwicklung von Mikroprozessoren 1971 ermöglichten den Bau von kleineren Computern, die zu Hause oder am Arbeitsplatz genutzt werden konnten.[76],[77]
Dadurch verbesserten sich die Möglichkeiten der Automatisierung und es wurden zunehmend Arbeitskräfte, die körperliche Routine Aufgaben ausgeführt haben, substituiert. Diese Arbeitskraft verlagerte sich zunehmend in den Dienstleistungssektor.[78]
Während der Rückgang der Arbeitsnachfrage im produzierenden Sektor hauptsächlich schlecht bis mittel ausgebildete Arbeitskräfte betroffen hat, stieg die Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften im nicht produzierenden Sektor - hauptsächlich im Umfeld von Computern.[79],[80]
Die seit diesem Zeitpunkt immerzu stärkere Digitalisierung analoger Daten, in Verbindung mit anderen Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnik, wie z.B. dem Internet und der stetigen Verdopplung der allgemeinen Rechnerleistung (Mooresches Gesetz) begründeten den Übergang vom analogen in das digitale Zeitalter.[81]
Die durch die Digitalisierung ermöglichte Produktivitätssteigerung in der Industrie führte abermals zu einer Verschiebung der Arbeitskraft vom Industriesektor zum Dienstleistungssektor. So waren 1970 noch 46,5 % der Erwerbstätigen in Deutschland im produzierenden Gewerbe tätig. Im Jahr 2017 ist diese Zahl auf 24,1 % gesunken. Gleichzeitig ist der Anteil der Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor um fast 29 % gestiegen.[82]
Es ist zu bemerken, dass sich die oben beschriebenen Entwicklungen insbesondere auf die Entwicklungen in Europa sowie Nordamerika beziehen.
Der im vorherigen Kapitel beschriebene Vorgang zeigt deutlich einen sektoralen Strukturwandel. Ein sektoraler Strukturwandel ist dadurch gekennzeichnet, dass es innerhalb der Hauptsektoren einer Volkswirtschaft (primärer-, sekundärer-, und tertiärer Sektor) zu Verschiebungen in der Arbeitsstruktur und in der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage kommt.[83] Die nachfolgende Grafik zeigt den sektoralen Strukturwandel in Deutschland anschaulich:
Abbildung 3: Entwicklung der Wirtschaftssektoren
Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Geißler, 2014, S. 11 [84]
Gleichzeitig findet auch ein intrasektoraler Strukturwandel, also ein Wandel innerhalb eines Sektors, statt. So wurden früher hauptsächlich Dienstleistungen an private Haushalte nachgefragt. Heute ist jedoch dadurch, dass zahlreiche Dienstleistungen als Vorleistungen für Produktionsprozesse dienen, die Nachfrage nach Dienstleistungen an Unternehmen höher.[85]
Die Wirtschaftssektoren umfassen nach der Drei-Sektoren-Hypothese von Fisher, Fourastié und Clark folgende Bereiche:
Der primäre Sektor umfasst die Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei und die Viehzucht - also die Urproduktion. Der sekundäre Sektor umfasst die Industrie und das Handwerk. Der tertiäre Sektor umfasst Dienstleistungen, Handel und das Versicherungs-, Bank-, sowie Transportwesen.[86]
Neben vielen anderen, teilweise oben beschriebenen, Verbundeffekten ist der Grund für sektorale Strukturwandel aus makroökonomischer Sicht insbesondere das durch den technologischen Fortschritt steigende volkswirtschaftliche Realeinkommen. Ein steigendes Realeinkommen war in diesem Zusammenhang einerseits das Ergebnis der Verschiebung von Arbeitskraft in andere, besserbezahlte Wirtschaftsbereiche (z.B. vom primären Sektor in den sekundären) oder aber sinkende Güterpreise durch eine gesteigerte Produktivität in manchen Wirtschaftszweigen (z.B. durch das Fließband, das von Ford eingeführt wurde).[87] Das veränderte Realeinkommen nimmt dann Einfluss auf die volkswirtschaftliche Gesamtnachfrage.
In Zeiten, in denen der Großteil der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft gearbeitet haben (primärer Sektor), war das Einkommen relativ gering und dementsprechend die Einkommenselastizität für lebensnotwendige Güter wie Verpflegung und Kleidung sehr hoch, da der Bedarf nach diesen Gütern noch nicht gedeckt war.[88]
Mit steigendem Einkommen jedoch sinkt die Einkommenselastizität für lebensnotwendige Güter und es können Sättigungseffekte festgestellt werden. Dadurch kann sich die Nachfrage differenzierter verhalten und verlagert sich auf Produkte des sekundären Sektors. Durch den weiteren technologischen Fortschritt und durch die mit der...