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E-Book

Disrupt Yourself

Vom Abenteuer, sich in der digitalen Welt neu erfinden zu müssen

AutorChristoph Keese
VerlagPenguin Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783641229917
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Wie uns unser persönlicher digitaler Wandel gelingt
Wir spüren alle, dass der Boden, auf dem wir stehen, zittert. Lähmt uns der Gedanke, dass rund die Hälfte aller Berufe aussterben wird? Oder elektrisiert uns die Aussicht auf eine glanzvolle digitale Zukunft? Christoph Keese, einer der führenden Digitalisierungsexperten Deutschlands, ist immer am Puls der Veränderungen. Er fordert uns auf, unsere persönlichen Stärken zu erkennen und zu nutzen, um uns radikal neu zu erfinden. Zeigt, wie wir es schaffen, mit den Entwicklungen Schritt zu halten. In »Disrupt yourself« steckt ein Versprechen: Wir können alle zu Digitalisierungsgewinnern werden!

Christoph Keese ist Geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung hy und begleitet namhafte Unternehmen und Regierungsinstitutionen bei Fragen der digitalen Transformation und technologischen Innovation. Der Publizist, Wirtschaftswissenschaftler, Verlagsmanager, Investor und Bestsellerautor arbeitet seit Anfang der 1990er Jahre an der Digitalisierung von Geschäftsmodellen und ist einer der führenden Beobachter von Innovation und Erneuerung. Er gehört zu den Mitgründern der »Financial Times Deutschland«, leitete als Chefredakteur die »Welt am Sonntag« und »Welt Online« und trieb, zuletzt als Executive Vice President, die Digitalisierung bei Axel Springer voran. Christoph Keese ist Autor zahlreicher Bestseller, darunter »Silicon Valley«, »Silicon Germany« und zuletzt »Disrupt Yourself«. Für »Silicon Germany« wurde er mit dem Deutschen Wirtschaftsbuchpreis 2016 ausgezeichnet.

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Leseprobe

»DAS KÖNNTE SEIN, ABER DAS WIRD NICHT PASSIEREN.«
Die Psychologie der Betroffenen

Sorglosigkeit trotz guten Grunds zur Sorge

Die Wirtschaft boomt; in vielen Regionen herrscht Vollbeschäftigung. Zuversicht prägt das gesellschaftliche Klima. Viele Menschen blenden deswegen den digitalen Wandel aus. Sie denken nicht darüber nach, was er für sie und ihr Unternehmen bedeutet. Die notwendige Debatte in den Unternehmen unterbleibt.

Sabrina Krollnik ist eine Buchhalterin, die mir beim Zusammenstellen meiner Unterlagen für das Finanzamt hilft. Sie ist 39 Jahre alt, lebt in Berlin, arbeitet in einem Steuerbüro und hat einen achtjährigen Sohn namens Malte. Ihr Mann ist Installateur. Es sind kleinere Betriebe und Freiberufler, die auf Krollniks Dienste zurückgreifen. Zu ihren Klienten gehören Handwerker, Taxifahrer, freie Journalisten, Fotografen, Illustratoren und Übersetzer. Krollnik sortiert Quittungen, kontiert Belege, gibt Daten bei der Datev ein, verschickt Monatsberichte, füllt Umsatzsteuervoranmeldungen aus, kontrolliert Kontoeingänge, mahnt Gläubiger an und sorgt für das zügige Bezahlen von Rechnungen. Sie verdient 42 800 Euro im Jahr; netto bekommt sie monatlich 2462 Euro heraus.

Ich spreche mit Sabrina Krollnik, weil ich erfahren möchte, wie sie den digitalen Wandel einschätzt. Laut Studien gehört sie zu einer Hochrisikogruppe: Carl Benedikt Frey hat die Wahrscheinlichkeit des Jobverlusts für Buchhalter mit 98 Prozent berechnet. Fast alles, was Sabrina Krollnik erledigt, werden Computer bald besser und billiger bewältigen können.

»Glauben Sie, dass Computer Ihnen die Arbeit wegnehmen könnten?«, frage ich. Sie schaut mich erstaunt an: »Wissen Sie, was bei mir los ist?«, antwortet sie. »Die Leute stellen mir ganze Schuhkartons voller Belege auf den Tisch. Zerknittert, gefaltet, zerknüllt. Nichts ist ausgefüllt. Ich darf es dann sortieren. Ich darf in den Kalendern der Kunden nachschauen, wen sie zum Mittagessen eingeladen hatten. Da ist überhaupt nichts mit Digitalisierung. Mein Beruf wird nicht verschwinden, solange meine Kunden so chaotisch bleiben, wie sie nun einmal sind. Ordnung werde ich in sie nicht mehr hineinbekommen, das dürfen Sie mir glauben.«

»Aber es könnte doch sein, dass Ihre Kunden die Belege künftig per App einscannen«, halte ich entgegen. »Oder dass Restaurants elektronische Rechnungen verschicken, die in Kopie direkt ans Finanzamt gehen. In Brasilien gibt es das schon. Der Computer des Restaurants trägt automatisch die Namen und Steuernummern der Gäste ein. Er bezieht diese Daten aus dem Reservierungssystem. Wenn das auch bei uns eingeführt wird, braucht man dafür keine Buchhalter mehr.« – »Ja, das könnte sein, aber das wird nicht passieren«, antwortet sie resolut. »Meine Kunden hassen Belege und werden sie ganz bestimmt nicht einscannen. Sicher möchten sie auch nicht, dass ihr Lieblingsrestaurant direkt mit dem Finanzamt über sie spricht. Und selbst wenn das eines Tages kommen sollte, ist damit ja noch nichts kontiert und gebucht. Das muss dann immer noch ich machen.«

»Kontieren und Buchen kann von Algorithmen erledigt werden«, sage ich. »Das ist ziemlich einfach. Der Buchungssatz für Bewirtungen ist immer der gleiche. Das lernt ein Computer in Windeseile.« Sie zuckt mit den Schultern: »Mag sein. Aber Beratung brauchen die Menschen immer. Ich glaube, die Leute werden immer lieber zu uns kommen als zu einer Maschine. Bei uns können sie die vielen Fragen stellen, die sie auf dem Herzen haben.« – »Zum Beispiel?« – »Zum Beispiel heute Morgen«, sagt sie. »Ein Kunde ruft an und möchte wissen: Kann er den Seat-Leon-Jahreswagen, den er kaufen möchte, über seine Firma laufen lassen und in fünf Jahren abschreiben, wenn er jetzt 5000 Euro Anzahlung auf den Leasingvertrag leistet?« Sie schaut mir etwas schnippisch in die Augen: »Und, kennen Sie die Antwort? Wahrscheinlich nicht. Aber ich kenne sie. Kein Computer kommt so schnell an meine Erfahrung heran. Probieren Sie es einmal aus. Fragen Sie Amazons Alexa. Ich habe es aus Spaß kürzlich ausprobiert. Alexa hat keine Ahnung von Steuern. Da ist Alexa blank. Aber nur einmal angenommen, das Gerät gibt irgendwann eine vernünftige Antwort: Was passiert denn, wenn das Finanzamt hinterher eine andere Meinung als Alexa vertritt? Angenommen, das Finanzamt schickt meinem Mandanten trotzdem eine Nachforderung. Dann kann ihn nur noch ein guter Steuerberater retten. Wenn das passiert, steht mein Kunde von heute Morgen sofort wieder auf der Matte.«

»Und wenn eines Tages auch das Finanzamt voll digital läuft?«, frage ich weiter. »Wenn da gar keine Fehler mehr passieren und die Algorithmen dort auf genau demselben Stand sind wie Alexa? Wenn zwei Roboter untereinander die Steuern Ihres Mandanten ausrechnen und der Kunde weiß, dass sein Roboter genauso hartnäckig für ihn kämpft wie Sie, bloß für 3 Euro im Jahr statt für 1800 Euro?« Nun schaut Frau Krollnik mich fast strafend an.

»Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, oder? Das Finanzamt voll digitalisiert? Kommen Sie doch mal mit aufs Amt, ziehen Sie eine Marke, warten Sie zwei Stunden auf dem Flur, zahlen Sie Gebühren an einem Münzautomaten, und schauen Sie sich an, auf welchen alten Möhren die da arbeiten. Hängen Sie mal 40 Minuten in der Warteschleife, nur um zu fragen, ob der Umschlag mit den Belegen angekommen ist und ob wir einen Monat Verlängerung bekommen können. Mir tut die Schulter jetzt noch weh vom eingeklemmten Hörer. Voll digitales Finanzamt? Das wird in unserem Leben nicht mehr passieren.« Sie schaut auf die Uhr: »Ich müsste dann so langsam los«, murmelt sie. Für Science-Fiction hat sie heute keine Zeit mehr.

Durch meine Fragen fühlt Sabrina Krollnik sich angegriffen. Sie empfindet mein Nachbohren als Geringschätzung ihres Berufs und hält mit Argumenten dagegen. Ihre Reaktion erinnert mich an mein eigenes Verhalten in der Kalkscheune.

Dieses Muster wiederholt sich, als ich einige Tage später in einem Aufzug mithöre, wie zwei Paketboten auf dem Weg in das oberste Stockwerk über Amazon reden. Ich spreche sie an. »Glauben Sie, dass Paketboten von Zustellrobotern und Drohnen abgeschafft werden?«, frage ich. – »Was meinen Sie damit?«, möchten die Boten wissen. Ich erkläre, dass derzeit Milliarden Dollar Wagniskapital in Projekte fließen, die den letzten Kilometer des Weges zum Kunden durch Automatisierung überwinden sollen. Der Beruf des Boten wird angegriffen. Alibaba, der chinesische Amazon, hat sich zum Ziel gesetzt, Haushalte in einem Radius von drei Kilometern rund um seine Filialen vollautomatisch zu versorgen. In Europa schaffen Roboter des Start-ups Starship eine vollautomatische Lieferung innerhalb von 30 Minuten für weniger als einen Euro. Heute kosten solche Lieferungen bei Kurierdiensten mehr als das Zehnfache.

Wagniskapital: englisch: Venture Capital. Eigenkapital, das absichtlich einem hohen Risiko ausgesetzt wird, um es in potenziell hochprofitable Start-ups zu investieren. Gegenteil von Fremdkapital. Technologie-Start-ups haben zum Zeitpunkt ihrer Gründung eine Scheiterwahrscheinlichkeit von etwa 90 Prozent. Je älter Start-ups werden, desto weiter sinkt das Ausfallrisiko ab. Technologie-Start-ups haben fast keinen Zugang zu Fremdkapital, da das Risiko, das mit ihrer Gründung verbunden ist, für traditionelle Bankenkredite zu hoch ist. Sie sind fast ausschließlich durch Eigenkapital finanziert. Wagniskapital fließt im Regelfall durch Kapitalerhöhungen ins Unternehmen. In jeder Runde von Kapitalerhöhungen können die Alteigentümer durch die Einlage frischen Kapitals mitziehen oder sich dem Zuschuss neuen Geldes enthalten, wodurch ihre bisherigen Anteile entwertet (»verwässert«) werden.

»Ich glaube nicht, dass wir abgeschafft werden«, sagt der eine Bote. »Kommen Sie gerne mit nach unten, und schauen Sie sich unsere Lieferwagen an. Da passt kein Stück Papier mehr rein. Wir sind komplett ausgebucht.« Der andere nickt: »Ich wäre ja froh, wenn der Job verschwinden würde. Paketzustellung ist eine Plackerei. Ich würde bestimmt etwas anderes finden. Doch der Job wird nicht verschwinden. Menschen sind immer schneller, flexibler und intelligenter als Maschinen. Zum Beispiel würde ein Roboter hier im Haus nie die Kanzlei auf der 13. Etage finden, die gerade erst eingezogen ist und noch kein Türschild am Klingelbrett angebracht hat. Schon ich musste zehn Minuten lang suchen. Der Roboter würde verzweifelt vor die Wand laufen und müsste abgeholt werden.« Die Boten lachen. Sie denken nicht darüber nach, dass der technische Fortschritt auch hier eine Lösung bringen könnte. Sie rechnen aus der Gegenwart in die Zukunft hoch und nehmen an, dass alles so bleibt, wie es heute ist.

Nicht viel anders geht es bei Taxifahrern zu. Ich erkundige mich bei jedem Fahrer, in dessen Taxi ich steige, ob er sich vor autonomen Autos fürchtet. Fast immer lautet die Antwort nein. Die meisten haben eine klare Meinung zu Uber und beschweren sich über die unfairen Bedingungen, zu denen sie konkurrieren müssen. Jeder regt sich über die Standgebühren am Flughafen auf, über die Pflicht zur Annahme von Kreditkarten, über Leute, die einen Wagen für 500 Meter Fahrt bestellen, und jeder hat eine Meinung dazu, ob es sich heutzutage noch lohnt, einer Funkzentrale anzugehören oder nicht. Aber bis auf eine einzige Ausnahme konnte kein Fahrer mit Gedanken zu selbstfahrenden Autos aufwarten. Und das, obwohl selbstfahrende Autos den Beruf des Taxifahrers mit großer Sicherheit abschaffen werden. Volkswagen beispielsweise hat ein Konzept namens Sedric vorgestellt, bei dem jeder Bürger einen Schlüsselanhänger geschenkt bekommt, der auf Knopfdruck ein automatisches elektrisches Auto herbeiruft. Für ein Fünftel oder gar Zehntel...

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