Beobachtet man in einem Freizeitpark Leute auf Achterbahnen, fällt oft auf, dass diese zwar vor Angst kreischen, jedoch trotzdem Spass an der Fahrt haben. Dabei drängt sich die Frage auf, wieso sich viele Menschen freiwillig einer angstauslösenden Situation aussetzen und daran sogar noch Spass haben. Es scheint ein Widerspruch zu sein, gleichzeitig Angst und Freude zu empfinden, da es sich bei der Angst um eine negative und bei der Freude um eine positive Emotion handelt (Tracy & Randles, 2011), und trotzdem lässt sich manchmal ein gleichzeitiges Vorkommen von negativen und positiven Gefühlen beobachten.
Auf einer Achterbahn lassen sich jedoch nicht nur Menschen finden, die Angst und Freude gleichzeitig ausdrücken. Bei einigen könnte die wilde Fahrt lediglich sehr starke Angstgefühle erwecken, die in keiner Weise als positiv erlebt werden. Umgekehrt lassen sich auch Menschen finden, die sich von einer solchen Fahrt nicht beeindrucken lassen und überhaupt keine Angst verspüren. Dabei könnte man annehmen, dass eine solche Person umso mehr Freude an der Fahrt empfinden müsste, da keine negativen Gefühle vorhanden sind, doch das Gegenteil ist der Fall: eine Achterbahnfahrt, bei der keine Angst aufkommt, wird eher als langweilig empfunden. Wie kommt es, dass bei einigen Personen ein Ereignis gemischte Emotionen hervorruft, bei anderen jedoch nicht? Dieser Frage geht die vorliegende Studie nach.
Um den Begriff der gemischten Gefühle definieren zu können, muss zuerst klargestellt werden, wie sich Emotionen – die Bestandteile der gemischten Gefühle – definieren lassen. Mulligan und Scherer (2012) beschreiben eine Emotion als eine affektive Episode, die sich auf ein bestimmtes Objekt bezieht. Dabei wird dieses Objekt bewertet (zum Beispiel könnte eine Person eine Handlung einer anderen Person nicht gutheissen, wobei diese Handlung als Objekt dient, das negativ bewertet wird, weshalb dann zum Beispiel die Emotion Wut aufkommt). Die Bewertung kann hierbei auf verschiedenen Stufen – von einer unbewussten automatischen Verarbeitung bis zu einer kognitiv anstrengenden Schlussfolgerung – vollzogen werden. Scherer (2001) nennt ausserdem verschiedene Komponenten, die eine Emotion ausmachen: eine kognitive Komponente (Bewertung), eine neurophysiologische Komponente (körperliche Symptome), eine motivationale Komponente (Handlungsabsichten), eine motorische Komponente (Gesichtsausdruck und sprachlicher Ausdruck) und das subjektive Gefühl (emotionale Erfahrung). In dieser Arbeit wird nicht auf alle Komponenten eingegangen, die Scherer (2001) nennt, sondern lediglich auf die kognitive Komponente sowie auf das subjektive Gefühl. Ausserdem wird einfachheitshalber oft von „gemischten Gefühlen“ gesprochen, obwohl der korrekte Ausdruck „gemischte Emotionen“ lauten würde (der Begriff „Gefühl“ ist weiter gefasst, da auch zum Beispiel ein Schmerz im Knie als Gefühl bezeichnet werden kann).
Gemischte Gefühle lassen sich als ein gleichzeitiges Erleben von zwei Gefühlen gegensätzlicher Valenz definieren, zum Beispiel das gleichzeitige Auftreten von Freude und Traurigkeit (Hunter, Schellenberg & Schimmack, 2008). Auch andere Gefühle gegensätzlicher Valenz können zu gemischten Gefühlen führen, zum Beispiel das gleichzeitige Auftreten von Ekel und Vergnügen (Hemenover & Schimmack, 2007) oder von Hoffnung und Angst (Madrigal & Bee, 2005).
Von einigen Autoren wird angenommen, dass Emotionen auf den Dimensionen Lust und Unlust sowie Aktivierung und Deaktivierung basieren (z. B. Russell, 2003). Diese Dimensionen sind primitiv, universell und werden als Kern-Affekt bezeichnet. Kern-Affekt zeigt sich in Emotionen (bezogen auf ein Objekt) sowie in Stimmungen (nicht auf ein bestimmtes Objekt bezogen) und kann bewusst als auch unbewusst (vor allem in einer neutralen Stimmung) sein (Russell, 2003). In dieser Arbeit ist vor allem die Dimension Lust – Unlust relevant, wobei Lust positivem Affekt und Unlust negativem Affekt entspricht.
Positiver und negativer Affekt werden von einigen Autoren als die gegenüberliegenden Enden eines Kontinuums angesehen (z. B. Russell & Carroll, 1999). Diese Ansicht schliesst ein Vorkommen von gemischten Gefühlen aus, da eine Zunahme von positivem Affekt zwangsläufig eine gleichzeitige Reduktion von negativem Affekt bedeuten würde. Andere Wissenschaftler hingegen sind der Meinung, dass positiver und negativer Affekt unabhängig voneinander sind und daher gleichzeitig auftreten können (z. B. Cacioppo & Berntson, 1994). Zwischen diesen beiden Positionen läuft eine Debatte über die Existenz von gemischten Gefühlen. Auf beide Postionen wird im Folgenden genauer eingegangen.
Verschiedene Studien unterstützen die Annahme, dass gemischte Gefühle existieren (z. B. Larsen & McGraw, 2011). Sie zeigen auf, dass gemischte Gefühle in unterschiedlichen Situationen aufkommen können. So fanden Diener und Iran-Nejad (1986) sowie Larsen, McGraw und Cacioppo (2001) das Vorhandensein von gemischten Gefühlen im Alltag. Diener und Iran-Nejad (1986) gaben ihren Studienteilnehmenden den Auftrag, während einer Periode von 6 Wochen immer dann einen Fragebogen über ihre Stimmung auszufüllen, wenn sie eine ihrem Empfinden nach starke Emotion wahrnahmen. Die Ergebnisse zeigen, dass Gefühle derselben Valenz zwar dazu neigen, zusammen aufzutreten. Es finden sich aber auch gemischte Gefühle, wobei jedoch die Intensität der jeweiligen positiven und negativen Emotion nicht sehr hoch ist (Diener & Iran-Nejad, 1986).
Larsen et al. (2001) befragten Studienteilnehmende an dem Tag zu ihren Gefühlen, als diese aus dem Studentenwohnheim auszogen. Diese Studienteilnehmenden berichteten signifikant mehr gemischte Gefühle als Studienteilnehmende, die an einem beliebigen Tag befragt wurden. Weiter fanden Larsen et al. (2001), dass Studienteilnehmende, die am Tag des College-Abschlusses befragt wurden, signifikant mehr gemischte Gefühle berichteten als Studienteilnehmende, die ihren Abschluss noch nicht gemacht hatten.
Gemischte Gefühle können nicht nur in alltäglichen Situationen, sondern auch im Labor ausgelöst werden. Hunter et al. (2008) haben gezeigt, dass sich durch bestimmte Musik gemischte Gefühle erzeugen lassen. Dabei wurden die verwendeten Musikauszüge in Geschwindigkeit und Tonalität variiert. Schnelle Musik sowie Musik in Dur gelten als fröhlich, während langsame Musik sowie Musik in Moll als traurig gelten. Verbindet man in einem Stück fröhliche und traurige Komponenten, werden Emotionen gegenteiliger Valenz aktiviert, was zu einem Konflikt zwischen positiven und negativen Emotionen führen könnte. Durch die konfliktreiche Kombination schnell/Moll beziehungsweise langsam/Dur liessen sich bei den Studienteilnehmenden demzufolge gemischte Gefühle auslösen, wobei sie angaben, dass sie sich durch die Musik fröhlich und traurig zugleich fühlten.
Durch Filme können ebenfalls gemischte Gefühle ausgelöst werden. Larsen und McGraw (2011) zeigten ihren Studienteilnehmenden einen bittersüssen Filmausschnitt. Der Begriff bittersüss bezeichnet bereits einen Zustand, in dem gemischte Gefühle erlebt werden (schmerzlich und schön zugleich). Die Ergebnisse zeigen, dass Studienteilnehmende, die einen bittersüssen Filmausschnitt gesehen hatten, mehr gemischte Gefühle berichteten als Studienteilnehmende, die einen Kontroll-Filmausschnitt gesehen hatten.
Mit einem gänzlich anderen Ansatz ist es Larsen, McGraw, Mellers und Cacioppo (2004) gelungen, gemischte Gefühle zu erzeugen. Larsen et al. (2004) haben ihre Studienteilnehmenden Glücksspiele spielen lassen, wobei die Ergebnisse der einzelnen Partien neben klaren Gewinnen und Verlusten auch enttäuschende Gewinne (Gewinne, die noch besser hätten sein können) sowie erleichternde Verluste (Verluste, die noch schlimmer hätten sein können) enthielten. Die Ergebnisse zeigen, dass auf enttäuschende Gewinne und erleichternde Verluste signifikant mehr gemischte Gefühle folgten als bei klaren Gewinnen und Verlusten.
Wie bereits beschrieben wurde, scheinen mehrere Studien die Existenz von gemischten Gefühlen zu bestätigen. Doch einige Autoren (z. B. Russell & Carroll, 1999) sind der Meinung, dass diese Schlussfolgerung auf falschen Interpretationen der jeweiligen Studienergebnisse basiert. Ihrer Theorie nach sind positiver und negativer Affekt die zwei Enden eines Kontinuums. Dies würde bedeuten, dass positiver und negativer Affekt nicht gleichzeitig auftreten können, was das Vorhandensein von gemischten Gefühlen ausschliessen würde. Das entsprechende Modell lieferte Russel (1980) in Form des Circumplex Modells. Das Modell besteht im Wesentlichen aus zwei Achsen: die eine Achse beschreibt die Dimension der Valenz mit den Polen Lust und Unlust, die andere Achse beschreibt die Dimension der Erregung mit den Polen Aktivierung und Deaktivierung. Die beiden Achsen stehen in einem rechten Winkel zueinander und sind daher unabhängig. Das heisst, bestimmte Ausprägungen der Valenz können kombiniert mit allen Ausprägungen der Erregung vorkommen. Diese Kombinationen finden sich zwischen den Achsen. Die folgende Abbildung soll das Modell verdeutlichen.
Abbildung 1: Modell nach Posner et al. (2005), in Deutsche übersetzt von der Autorin.
Nach...