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Erscheinungsformen von Unterrichtsstörungen
Mit Störungen in der Klasse kann vieles gemeint sein.
Hans-Peter Nolting
Unterrichtsstörungen sind unterschiedliche Formen abweichenden Verhaltens, die das Lehren und Lernen mehr oder weniger stark beeinträchtigen.
Eine objektive Definition dessen, was als Unterrichtsstörung bezeichnet werden kann, ist nicht immer möglich. Ob der Unterricht jetzt gerade gestört wird, hängt natürlich auch von der Situationsauffassung und Bewertung des Lehrers ab. Eine Äußerung wie zum Beispiel «Da blicke ich nicht durch», kann vom Lehrer X als dankbarer Hinweis zur Stoffwiederholung und vom Lehrer Y als unerlaubter Zwischenruf aufgefasst werden. Jenseits dieses subjektiven Ermessensund Toleranzspielraumes gibt es jedoch Ereignisse wie das andauernde Schwätzen mit dem Banknachbarn, die den Unterrichtsprozess eindeutig stören und den Lernerfolg der Mitschüler gefährden.
Wer sich mit Unterrichtsstörungen befasst, sollte auf eine differenzierende Beschreibung achten. Geht man von schulpsychologischen Erkenntnissen und Beobachtungen aus, lassen sich sechs typische Erscheinungsformen unterscheiden:
Akustische Störungen
• | Schwätzen mit dem Banknachbarn |
Motorische Störungen
• | mit Arbeitsmitteln spielen |
Aggressionen
• | Mitschüler verbal provozieren |
• | Mitschüler körperlich angreifen |
• | Sachen beschädigen, zerstören |
• | Lehrer körperlich angreifen |
geistige Abwesenheit
• | stofffremde Arbeiten erledigen |
• | zum Fenster hinausschauen |
Verweigerung
• | fehlende Unterrichtsmaterialien |
• | Unerledigte Arbeitsaufträge |
[27]Verstöße gegen die Hausordnung
Obwohl nicht von Schülerinnen und Schülern verursacht, können auch Ereignisse aus dem Außenbereich des Klassenzimmers sehr störend wirken. Beispiele für diese externen Störungen sind Baulärm, Fluglärm, Verkehrslärm, Lärm aus einem anderen Klassenzimmer, Sirenengeheul, Lautsprecherdurchsagen.
Welche dieser unterschiedlichen Störformen als besonders störend erlebt werden, ist bisher erstaunlich selten empirisch untersucht worden. Ein paar Erkenntnisse findet man in Manfred Tückes (2005, S. 408 f.) «Psychologie in der Schule – Psychologie für die Schule». Danach fühlen sich Lehrpersonen besonders gestört, wenn Schüler miteinander streiten. Aus der Schülerperspektive werden akustische Störungen als besonders unangenehm empfunden.
Fallbeispiele
Sven, ein Drittklässler, ist schnell ablenkbar. Wenn er ein Geräusch hört, schaut er sofort hin. Er lenkt auch andere immer wieder ab und verwickelt sie in Gespräche. Er ist motorisch unruhig – er zappelt und schaukelt öfters auf dem Stuhl. Stellt die Lehrerin eine Frage, platzt er mit seiner Antwort heraus. Am Beginn von Stillarbeiten fragt er nach, was gemacht werden soll, weil er beim Arbeitsauftrag unaufmerksam war.
Petra ist eine stille Fünftklässlerin. Sie wirkt zunächst ruhig und unauffällig. Dass ihr Verhalten dennoch ein Problem ist, erfährt man erst, wenn man sie aufruft. Sie war mit ihren Gedanken irgendwo anders. Sie war auf Tournee mit Tokio Hotel. Einen neulich gesehenen Film hat sie in ihrem inneren Kino nochmals Revue passieren lassen. Auch der Ehestreit ihrer Eltern ging ihr durch den Kopf. Obwohl körperlich anwesend, ist sie geistig abwesend.
[28]Marcus ist Schüler der Klasse 7 einer städtischen Hauptschule. Leistungsmäßig gehört er zu den Schwächeren. Und vom Großteil der Klasse wird er abgelehnt. Sein Verhalten ist im Verlauf dieses Schuljahres immer auffälliger geworden. Er spielt den Klassenclown, gibt mit Absicht dumme...