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»Doppelindividualisierung« und Irrtum.

Studien zur strafrechtlichen Lehre von der Erfolgszurechnung zum Vorsatz.

AutorYu-An Hsu
VerlagDuncker & Humblot GmbH
Erscheinungsjahr2010
ReiheSchriften zum Strafrecht 193
Seitenanzahl247 Seiten
ISBN9783428522934
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis79,90 EUR
In der vorliegenden Untersuchung werden die Grenzfälle zwischen dem error in persona und der aberratio ictus behandelt: Um ein bestimmtes Objekt zu verletzen, nutzt der Täter eine geeignete Kausalkette aus und glaubt, das erwünschte Objekt werde in die Kausalkette geraten. In diesem Fall bestehen zwei Konkretisierungen im Tatplan, einmal hinsichtlich des Zielobjekts und einmal bezüglich des Angriffsobjekts der Kausalkette. Die tatsächliche Geschehensentwicklung ist jedoch anders als geplant, weshalb von einem Doppelindividualisierungsirrtum die Rede ist. Ein Beispiel: Der Täter baut in das Auto des B eine Bombe ein, um ihn beim Start zu töten. Ausnahmsweise benutzt jedoch dessen Frau das Auto und stirbt durch die Explosion. In seiner Untersuchung hat Yu-An Hsu festgestellt, dass die unterschiedlichen bisherigen Lösungsansätze aus der Perspektive von Psychologismus und Intellektualismus nicht in der Lage waren, die Problematik widerspruchsfrei zu bewältigen, denn der Täter kann seine Kenntnisse manipulieren. Aufgrund dieser Wechselbeziehung zwischen Wissen und Wollen kritisiert der Autor die bisherigen Meinungen. Sein Gegenmodell gründet er auf die Unterscheidung von Individuum und Person, sowie auf den Normbefolgungswillen und seinen Gegensatz, den Tatwillen, als Teile des normativen Willensbegriffs. Die subjektive Zurechnung bezieht sich auf die Bewertung der angewendeten subjektiven Befähigung des Handelnden, und ermöglicht es, den Tatwillen anhand der Art der pflichtwidrigen Reaktion des Handelnden festzustellen. Der Gemütszustand ist so zwar Gegenstand der Bewertung, nicht jedoch Bewertungsmaßstab. Durch die Unterscheidung von konkreter und abstrakter Kenntnis bleibt die Bewertung unabhängig davon, dass der Täter bei der Tatbegehung überhaupt nicht an deren Folgen denkt. Da die abstrakte Kenntnis die generellen Eigenschaften einer Tatsache oder einer Handlung enthält, ist diese Kenntnis jeder vernünftigen Person immanent. Der Tatwille als Vorsatz liegt dann vor, wenn ein beabsichtigtes Verhalten nach abstrakter Kenntnis mindestens regelmäßig eine Folge herbeiführt, gleichgültig, ob der Handelnde sich diese gewünscht oder vorgestellt hat. Mit der in dieser Arbeit vertretenen These werden die umstrittenen Irrtumsprobleme und die axiologisch ungerechte Behandlung der Tatsachenblindheit gelöst.

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Inhaltsverzeichnis
Vorwort8
Inhaltsverzeichnis10
Einführung und Überblick über den Gang der Untersuchung18
Erster Teil: Das Problem des Doppelindividualisierungsirrtums20
§ 1 Die relevanten Fälle und ihre komplexe Problematik20
I. Untersuchung der Fallkonstellationen21
1. Bombenlegerfall21
a) Die konventionelle Situation – die falsche Person21
b) BGH NStZ 1998, 294 – das falsche Auto22
2. Telefonbeleidigerfall24
a) Fälle von error in persona24
b) Der diskussionswürdige Sachverhalt25
3. Fangbrieffall BGHSt. 9, 24025
4. Enzianschnapsfall27
5. Weitere Fälle des Doppelindividualisierungsirrtums27
II. Bedeutung des Doppelindividualisierungsirrtums27
1. Die Problematik der Abgrenzbarkeit von aberratio ictus und error in objecto vel persona27
2. Die Problematik des Doppelindividualisierungsirrtums28
III. Überblick über die bisherigen Lösungsansätze29
§ 2 Der Meinungsstand im Einzelnen30
I. Gegenmeinungen zur Doppelindividualisierung30
1. Irrelevante Zusatzindividualisierung – Jakobs30
2. Zweifel an der Abgrenzung – Puppe und Loewenheim31
3. Gattungsvorsatz – Janiszewski32
II. Zum Vorschlag der Lösung über die Kausalität33
1. Irrtum über den Kausalverlauf34
2. Von der geistigen Identitätsvorstellung bis zur bekannten Gefahr – Herzberg35
3. Das durch den Mechanismus richtig verstandene Angriffsobjekt – Prittwitz36
4. Programmierung des Tatplans – Stratenwerth37
5. Theorie der Planverwirklichung – Roxin38
6. Der Strukturvergleich – Rath40
7. Die aktuelle Beherrschung – Toepel40
8. Lebenskonkreta – Grotendiek42
III. Kritische Zusammenfassung und Zwischenergebnis43
1. Doppelindividualisierungsirrtum als Kausalabweichung43
2. Doppelindividualisierungsirrtum als error in objecto oder aberratio ictus45
3. Die Gattungsvorsatzthese als Lösung?45
Zweiter Teil: Die für die Doppelindividualisierungsfälle relevanten dogmatischen Grundlagen der Irrtumslehre46
§ 3 Doppelindividualisierungsirrtum bei Kausalabweichungen46
I. Die Ansicht der Rechtsprechung zur Kausalabweichung – Vorzeitiger Erfolgseintritt als Hauptbeispiel46
1. Der Entführungsfall BGH NStZ 2002, 30947
a) Auffassung und Bewertung des BGH47
b) Analyse der Rechtsprechung48
aa) Die subjektive Seite bei der ersten Stufe48
bb) Versuchsbeginn = Vorsatzbeginn?50
2. Der Luftinjektionsfall BGH NStZ 2002, 47551
3. Der Eisenbahnsturzfall RG DStrR 1939, 17752
4. BGH GA 1955, 12353
5. Zwischenergebnis: Der BGH argumentiert zirkelhaft54
II. Meinungsstand in der Literatur54
1. Die Wesentlichkeitstheorie bei Kausalabweichung54
2. Die neue Lehre im Anschluss an die objektive Zurechnungslehre56
3. Die Auffassung von der Vorsatzgefahr – Puppe59
4. Die bekannte Gefahr – Herzberg60
5. Die Planverwirklichung – Roxin62
III. Zwischenergebnis64
1. Kritische Bemerkung: Kausalverlauf und subjektive Zurechnung64
2. Eine Lösung für den Doppelindividualisierungsirrtum?65
§ 4 Doppelindividualisierungsirrtum beim error in objecto vel persona67
I. Meinungsstand zum error in objecto vel persona67
1. Rechtsprechung und herrschende Meinung: Motivirrtum67
2. Tatwille bei der finalen Handlungstheorie69
3. Mindermeinung: Kausalverlaufsirrtum69
a) Wesentlicher Kausalverlaufsirrtum69
b) Unwesentlicher Kausalverlaufsirrtum71
II. Doppelindividualisierungsirrtum jenseits von error in objecto vel persona72
§ 5 Doppelindividualisierungsirrtum bei der aberratio ictus73
I. Meinungsstand zur aberratio ictus74
1. Die Versuchslösung – die sog. Konkretisierungstheorie74
a) Aberratio ictus als „Danebenschießen“ wegen Kausalabweichung74
b) Das erkannte Risiko76
c) Konkreter Tatwille – Hettinger77
d) Raumzeitkonkretisierung des Wollens bzw. des Vorsatzes – Rath78
2. Die Vollendungslösung79
a) Die sog. Adäquanztheorie79
b) Die sog. formelle Gleichwertigkeitstheorie81
aa) Gleichwertigkeit im Tatbestand und in der Vorstellung des Täters81
bb) Würdigung und Kritik83
c) Grundsatz der Vorsatzzurechnung und Vorsatzgefahr – Puppe85
3. Die differenzierende Lösung85
a) Materielle Gleichwertigkeitstheorie – Hillenkamp85
b) Die Planverwirklichung – Roxin87
4. Gesamtwürdigung und Kritik87
II. Der Doppelindividualisierungsirrtum jenseits der aberratio ictus88
1. Die Bedeutung der sinnlichen Wahrnehmung bei der aberratio ictus88
2. Objektive Prognose bei Doppelindividualisierungsirrtum89
Dritter Teil: Grundlagen der subjektiven Zurechnung und ihr Einfluss auf die Irrtumslehre91
§ 6 Entwicklung der Vorsatzlehre und Meinungsstand91
I. Feuerbach und der psychologische Vorsatzbegriff91
1. Theorie des psychologischen Zwangs als Grundlage91
2. Dolus und culpa92
a) Dolus als Absicht93
b) Culpa als ein Unterbegriff der Willensschuld94
3. Vorsatz-Fahrlässigkeit-Kombination95
4. Normativer Vorsatzbegriff?97
5. Die psychologische Vorsatzlehre nach Feuerbach98
II. Wesen und Ratio der Vorsatzbestrafung in der jüngeren Diskussion100
1. Vorsatz als Entscheidung zur Rechtsgutsverletzung100
a) Vorsatz als Planverwirklichung100
b) Vorsatz als Entscheidung gegen die rechtliche Verhaltensnorm102
c) Die sozialpsychische Perspektive – Frisch103
d) Vorsatz als hervorgehobener Modus des „Dafür-Könnens“ – Hassemer104
2. Vorsatz als willentliche Verletzung105
a) Die finale Handlungstheorie – Welzel105
b) Der verletzende Wille – E. A. Wolff, Zaczyk und Köhler107
3. Vorsatz als Wissen110
a) Wissen als Grund der Akzeptabilität – Jakobs110
b) Die Lehre der Vorsatzgefahr – Puppe112
c) Die analytische Handlungstheorie – Kindhäuser115
III. Das sog. Kompensierungsverhältnis zwischen Wissen und Wollen118
1. Die Bedeutung der Kompensierung118
2. Problematik beim typologischen Vorsatzbegriff119
IV. Anmerkung zu der oben wiedergegebenen Diskussion120
§ 7 Vorsatz und Irrtum gem. § 16 StGB121
I. Zur Entstehungsgeschichte von § 16 StGB121
II. Zur strafrechtlichen Dogmatik von § 16 StGB124
1. Die sog. Kehrseite von § 16 StGB124
2. § 16 StGB als Lösung für das Problem des Tatbestandsirrtums?125
III. § 16 StGB im Lichte von Psychologismus und Intellektualismus126
IV. Zwischenergebnis128
Vierter Teil: Entwicklung eines neuen Lösungsansatzes: Doppelindividualisierungsirrtum als Tatabweichung129
§ 8 Vorsatz als normative Institution129
I. Grundlage der subjektiven Zurechnung129
1. Grundzüge einer Person in der Gesellschaft129
2. Normbefolgungswille als Grundhaltung einer Person bei ihrer Handlung130
II. Der Wille als Element der Zurechnung133
1. Der normative Willensbegriff133
2. Der Wille im psychologischen Sinne?135
a) Der Willensbegriff seit Luden bis zur kausalen Handlungslehre135
b) Die Trennung innerhalb des Willens bei Welzel137
c) Der ontologische Willensbegriff der heute h. M. in der Literatur138
§ 9 Wissen und Wollen bei der subjektiven Zurechnung141
I. Die Ebenen und der Inhalt der Kenntnis141
1. Abstrakte Kenntnis und konkrete Kenntnis141
2. Die Bedeutung der Unterscheidung zwischen konkreter und abstrakter Kenntnis145
3. Kenntnis, Erkennbarkeit und sog. allgemeine Lebenserfahrung149
4. Der Inhalt der Kenntnis151
II. Die Beziehung zwischen Wissen und Wollen152
1. Die konventionelle Erklärung im Strafrecht153
2. Die Wechselseitigkeit von Wissen und Wollen156
3. Vermeidungsmotiv, Wissen und Wille158
III. Die Schuldformen und die subjektive Zurechnung160
1. Die Kenntnis beim Versuch160
2. Kenntnis, Unkenntnis und Fahrlässigkeit162
a) Die unbewusste Fahrlässigkeit162
b) Die sog. bewusste Fahrlässigkeit und das Vertrauen163
3. Die Kenntnis bei den drei Erscheinungsformen des Vorsatzes165
a) Absicht165
b) Wissentlichkeit167
c) dolus eventualis168
4. Die Kenntnis und der Willen beim Unterlassungsdelikt168
IV. Zwischenergebnis170
1. Der Vorsatz als Tatwille170
2. Die Bedeutung der abstrakten Kenntnis171
§ 10 Irrtum und die subjektive Zurechnung171
I. Bedeutung der Unkenntnis im Strafrecht171
1. Unkenntnis als Grund für Straferleichterung172
a) Unkenntnis als Unfreiwilligkeit172
b) Unkenntnis der „starken“ Norm174
c) Der nicht vorhandene Tatwille175
2. Unkenntnis als Irrtum in der Strafrechtsdogmatik176
3. Die Bedingung eines relevanten Irrtums178
II. Vorliegen von nicht relevanten Irrtümern180
1. Die verschuldete Unkenntnis180
2. Die Problematik der Tatsachenblindheit186
a) Die Diskussion über die Tatsachenblindheit187
b) Essenz der Tatsachenblindheit190
c) Die überlieferte Lösung zum Irrtumsproblem – dolus indirectus193
aa) Historische Rückschau194
bb) Gleichgültigkeit als dolus indirectus – Jakobs197
d) Würdigung und Kritik200
III. Zwischenergebnis201
1. Konkrete Kenntnis, abstrakte Kenntnis und Irrtum201
2. Unkenntnis und Tatwille201
§ 11 Lösung für die Irrtumsproblematik und ihre Fälle202
I. Die objektive Interpretation des § 16 StGB203
1. Die objektive und widerspruchsfreie Interpretation203
2. Überlegungen zum Unkenntnisbegriff im Sinne des § 16 StGB205
II. Die Kausalabweichung207
1. Der sog. Irrtum über den Kausalverlauf207
2. Der vorzeitige Erfolgseintritt208
3. Der sog. dolus generalis209
III. Aberratio ictus und error in persona211
1. Die Standardfälle211
2. Die verwandten Fälle212
a) Anstiftung213
b) Mittelbare Täterschaft215
IV. Strafrechtliche Bewertung des Doppelindividualisierungsirrtums217
1. Mangel an der objektiven Zurechenbarkeit217
2. Regelmäßigkeit der Tatbestandsverwirklichung218
a) Bombenlegerfall218
b) Fangbrieffall220
c) Essplatz- und Hotelzimmerwechselfall221
3. Unregelmäßigkeit der Tatbestandsverwirklichung221
§ 12 Ergebnisse222
I. Zusammenfassung der vorliegenden Untersuchung in Thesen222
II. Schlussbetrachtung und Ausblick226
Literaturverzeichnis227
Sachwortverzeichnis246

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