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Du wachst auf, und dein Leben ist weg

Die Geschichte meines Gedächtnisverlustes

AutorMax Rinneberg, Ulrich Beckers
VerlagPatmos Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl232 Seiten
ISBN9783843608749
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
Durch einen Treppensturz verliert der 17-jährige Max Rinneberg sein Gedächtnis. Als er nach kurzer Bewusstlosigkeit im Krankenhaus aufwacht, erkennt er seine Eltern und Freunde nicht mehr. Auch seinen früheren Hobbys, wie Marathonlauf und Fußball, kann er nichts mehr abgewinnen. Zwar kann er noch sprechen und schreiben, kennt die Dinge des Alltags, aber sein biografischepisodisches Gedächtnis, das Archiv der persönlichen Lebensgeschichte, ist gelöscht. Mühsam muss der heute 26-Jährige sich Vergessenes zurückerobern und sich selbst neu erfinden. Das geht nicht ohne eine existenzielle Krise. Wie lebt man ohne Vergangenheit? Ist man noch derselbe? Ist es nur ein Verlust oder auch eine neue Freiheit? Eine ergreifende Lebensgeschichte, die die Frage nach der eigenen Identität auf ungewohnte Weise neu stellt.

MAX RINNEBERG, geboren 1990, aufgewachsen bei Aschaffenburg, ist nach einer Ausbildung zum Versicherungskaufmann nun als Weinsommelier in einem Osttiroler Golfhotel tätig. Als 17-Jähriger verliert er bei einem Treppensturz sein Gedächtnis und muss danach fast wieder bei null anfangen. ULRICH BECKERS ist Autor, Musiker und Comedian. Er hat unter anderem für Murat Topal und Eckart von Hirschhausen als Texter und Ideengeber gearbeitet. Bei Patmos sind von ihm erschienen: Freddy Leck mit Ulrich Beckers: Nicht jeder Fleck muss weg. Und: Hans Jürgen Herber mit Ulrich Beckers: Der lange Abschied.

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Am Anfang ist der Atem.

Es hebt und senkt sich, immer wieder. Luft strömt aus und ein. Macht wieder Platz für neue Luft, die einströmt und wieder hinausweicht.

Es ist ein Auf und Ab, ein tiefer Rhythmus, etwas, das aus sich heraus lebt und pulsiert. Es ist beruhigend und köstlich: Frische Luft belebt mich. Sie ist alles, was ich brauche.

Der Sauerstoff ist mein Elixier: Wie leuchtende Flüssigkeit strömt er in meine Lungen, fließt durch alle Bahnen, Adern, Verästelungen, wie ein breiter Strom mäandert er sich bis in die tiefsten Niederungen meiner Körperlandschaft; er vergoldet alles und erweckt es zum Leben.

Mir wird warm und ich habe ein gutes Gefühl.

Ich atme.

Mein Körper erwacht, die Organe regen sich. Ich spüre das Herz, das auf dem Weg ist und schlägt, eine tiefe Trommel in meiner Mitte, es ist im Einklang mit dem Atem. Ich muss nichts tun: Es arbeitet und lebt aus sich. Mein Körper hat einen Plan, alles ist im Fluss. Und ich stehe am Rande dieses Flusses, staunend und sprachlos.

Der Fluss ist stark und er ist eine Einladung an mich: Willkommen im Leben.

Ich habe ein gutes Gefühl. Ich lebe und ich will leben.

Irgendwo setzt das Denken ein.

Worte bilden sich, klar und deutlich, sie reihen sich aneinander, bilden Sätze, einfache Gedanken. Es sind Vermutungen und Fragen.

Wie arbeitet dieser Körper? Bin ich sein Bewohner? Wie hängt das alles zusammen?

Bewusstsein meldet sich: Wer ist das, der diese Fragen stellt? Bin das ich? Und wer ist ich?

Da ist diese weite Ahnung, dass etwas auf mich zukommt: das Leben. Ich bin dabei, Erfahrungen zu machen. Ich bin neugeboren. Ich bin unwissend und neugierig.

Ich bin frei.

Mein Denken macht jetzt eine Pause. Irgendwo ist da noch etwas Größeres, etwas außerhalb von mir. Ich kann es spüren. Es ist im ersten Moment anders und es verängstigt mich, mein Atem stockt: Da ist Umgebung: die Welt draußen, außerhalb meines Körpers.

Gerade noch war ich tief im Innen, zeitlos und im tiefen Frieden. Nun ist es das Jetzt, das Hier, der Moment: Ich erwache.

Ich lasse mich darauf ein, beginne, diesen Moment, diesen Ort wahr werden zu lassen. Da ist ein deutlicher Unterschied: Das, was ich im Innern spüre, in meinem Körper. Und dann das andere, das, was außer mir ist. Was ist da?

Ich rieche, lausche, fühle.

Ich liege da, auf meinem Rücken, mein Körper ist gebettet. Von allen Seiten ist er in eine Hülle verpackt, in ein Zelt aus Watte. Irgendwo unten, an meinen Zehenspitzen, fällt diese mollige Temperatur ab, die Zehen sind kühler, fast ein bisschen frisch ist es dort. Dort endet der Kokon, öffnet sich dem Außen. Meine Arme liegen links und rechts passiv neben meinem Körper, lang und ausgestreckt. Der linke fühlt sich kühler an als der rechte. Wie an den Zehenspitzen zieht es auch dort, scheint auch der linke Arm nicht unter diesem wärmenden Schirm von Watte zu liegen. Und noch etwas ist anders. Ein leise pochender Schmerz meldet sich. Irgendetwas Spitzes steckt dort in meinem linken Unterarm. Ich kann es nicht sehen, aber ich weiß, dass es da ist. Eine Flüssigkeit dringt durch diesen Kanal in meinen Arm und breitet sich von dort mit jedem Schlag meines Herzens in meinem Körper aus. Ich weiß nicht, was es ist. Aber es tut mir gut.

Vom Hals abwärts bin ich eingepackt in diesen Schutzmantel; das, worauf ich liege – was immer das ist –, bietet mir weichen Halt und Schutz, die Watte um mich herum ist meine zweite Haut, mein Pelz, meine Höhle. Ich weiß, dass ich diese Hülle brauche: Sie bietet mir Schutz und Wärme. Ich brauche diese Energie, um zu leben. Alles ist gut.

Da sind noch andere Empfindungen. Die sind nicht gut.

Ich spüre ein schmerzhaftes Pochen und Stechen an meinem Kopf. Am Kinn nervt da außerdem ein Kratzen, ein Jucken. Auch hier scheint etwas in mir zu stecken. Es ist ein anderes Stecken als das im linken Arm. Da spannt sich etwas quer über die Haut: Irgendwas wird hier zusammengezogen, geklammert.

Viel größere Sorgen macht mir dieses Stechen im Kopf; es ist intensiver als alles andere. Irgendwo im Zentrum meines Kopfes wohnt es, von hier sendet es seine Wellen wie ein Funksignal, bestrahlt die äußeren Zonen meines Schädels. Wo genau sitzt dieses Ding? Der Schmerz breitet sich knapp links der Mitte meines Kopfes aus. Es ist ein präsenter, pulsierender Schmerz, er ist stark und fordernd, er raubt mir Kraft und Nerven. Ich mache mir Sorgen: Der Schmerz saugt meine Energie auf. Werde ich dieser Attacke auf die Dauer gewachsen sein? Noch liege ich geschützt in meinem Wattenest, aber der Feind ist in meinem Kopf.

So kann es nicht weitergehen. Ich beschließe, mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Auf das, was da noch ist, außerhalb von mir.

Meine Zehen, mein Kopf, mein linker Arm sind offenbar nicht im Innern des Schutzzeltes, sie ragen irgendwo ins Außen.

Da ist kühle, frische Luft.

Ich sauge die Raumluft ein, schnüffele sie prüfend.

Ich rieche! Seltsam klar und streng, fast beißend ist die Luft. Wo bin ich, was ist das für ein Raum? Es ist der Geruch von Sterilität und Hygiene. Noch kann ich diesen Geruch nicht zuordnen.

Jetzt öffnet sich ein weiterer Kanal: Der Druck weicht aus meinen Ohren, sie sind frei und tasten den Raum ab …

Ich höre – zum ersten Mal in meinem Leben! Was ist da, in diesem Raum?

Es ist ruhig – aber es ist nicht still. Was ich höre, ist nicht hier drinnen. Es kommt von draußen: Da ist ein Rauschen, Streicheln und Rascheln, mal leise und zart, dann wieder kräftig und bestimmt. Es ist der Wind.

In meinem Innern lausche ich weiter dem Pulsieren meines Herzens, dem Auf und Ab des Atmens; es ist wie Musik, ruhig und sanft. Und diese Musik löst in mir einen tiefen Frieden aus.

Die Neugierde meldet sich: Was ist das überhaupt für ein Raum, in dem ich hier liege? Und woher kommt dieses Windgeräusch?

Ich will es sehen.

Meine Augenlider sind träge, sie wollen nicht loslassen voneinander.

Schließlich öffne ich die Lider, zum ersten Mal.

Blendend hell ist es da draußen, ich schließe die Augen wieder, wage blinzelnd einen zweiten Anlauf: Es ist die weiße Decke über mir, einfarbig und flach; sie ist alles, was ich sehe.

Doch einfach weiß ist sie nicht: Der helle Putz ist geriffelt, gestreift, mal glatt, dann wieder pockennarbig und unregelmäßig wie eine Mondlandschaft. Tausend Geschichten stehen da geschrieben, eine ganze Welt auf eineinhalb Quadratmetern. Wie kann so etwas Simples so komplex sein? Wahnsinn.

Ich senke den Blick, in dem ich meinen Kopf anwinkele. Ich bin in einem mittelgroßen Zimmer: weiße Einbauschränke, eine Nische mit Sitzgruppe, eine Tür. Und da ist das große Fenster zu meiner Linken, mein Auge in die Welt da draußen.

Ich sehe einen wunderschönen Herbstmorgen. Himmelblau strahlt das Firmament, schwere Wolkenberge in bleigrau, taubenblau, schieferfarben türmen sich davor auf, ziehen vorbei wie eine massige Herde. Bäume wiegen sich, tanzen ausgelassen mit goldenem, orangem, gelbem Blattwerk. Es ist eine Sinfonie und der Wind ist ihr heimlicher Dirigent. Ich kann mich kaum sattsehen an so viel Schönheit.

Ich lasse ab von der berührenden Welt da draußen, kehre zurück in den Raum. Ich bin gespannt auf meinen Körper. Ich habe ihn von innen erforscht und jetzt kann ich es kaum erwarten, das Erspürte von außen wahrzunehmen.

Ich schaue an mir hinab, entlang der blassgelben Bettdecke.

Weit unten, am Ende des Lakens sehe ich zwei Füße. Irgendetwas stimmt hier nicht: Wenn das meine Füße sind, wieso sind sie dann so weit weg von mir? Ist das überhaupt mein Körper?

Ich prüfe nach, wackele mit dem linken, dann mit dem rechten Fuß, bewege die große Zehe auf beiden Seiten: kein Zweifel, das sind meine Füße, das bin ich.

Ich kann es kaum fassen: Ich stecke offenbar im Körper eines Erwachsenen! Das ist zutiefst verwirrend! Bin ich nicht gerade erwacht, habe ich nicht eben zum ersten Mal gerochen, gehört, gesehen? Wie kann das sein, wie passt das alles zusammen?

Die gelbe Bettdecke reicht mir bis zum Hals hinauf, sie umschließt meinen ganzen Körper. Das erklärt, wie dieses wohlige Gefühl der Schutzhülle zustande kommt. Nur der linke Unterarm schaut aus der Daunendecke heraus. Und auch hier erkenne ich den Grund der Kühle, des metallischen Stechens im Arm. Dort steckt eine kleine Nadel, an der ein Schlauch hängt. Von dort rinnt etwas in meinen Körper. Die Flüssigkeit tut mir gut. Alles ist gut, ich bin einverstanden.

Was mich weit mehr beunruhigt, ist dieses Gefühl, in falschen Körper zu wohnen.

Sollte ich nicht ein kleines Baby sein, das im den Armen seiner Mutter, seines Vaters liegt? Schutzbedürftig und zart? Bin ich nicht gerade erst geboren worden?

Es befremdet mich. Unerklärlich ist das alles, ich habe quälende Fragen und keine Erklärung. Bis hierhin war doch alles gut: Ich bin aufgewacht und angekommen; ich will leben, teilnehmen an der Welt da draußen. Und jetzt das.

Etwas macht sich in mir breit. Es ist ein neues, unangenehmes Gefühl, das keinen Namen hat. Und dieses Gefühl ist eindeutig nicht gut.

Ich bin verwirrt. Die behütete Geborgenheit, die unschuldige Neugier des Erwachens ist verloren, sie ist etwas anderem gewichen, sie lässt mich erkalten. Etwas Größeres hat...

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