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E-Book

Duale Reihe Allgemeinmedizin und Familienmedizin

VerlagGeorg Thieme Verlag KG
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl688 Seiten
ISBN9783132209756
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis79,99 EUR
Maximaler Praxisbezug Der Titel behandelt die wichtigen Krankheitsbilder und Fragestellungen in der Allgemeinmedizin. Dabei gilt: Nur so viel Theorie wie nötig. Viele Fallbeispiele aus der Praxis illustrieren das konkrete Vorgehen. Die Texte am Seitenrand fassen das Wesentliche zusammen und sind ideal zum Reinlesen in ein Thema und zum Wiederholen, z. B. vor einer Prüfung. Die Auflage ist auf dem neuesten Stand, inkl. Berücksichtigung der relevanten Leitlinien und wichtiger Formulare. Neu hinzugekommen ist ein Kapitel zum in der Allgemeinmedizin sehr relevanten Thema 'Quartäre Prävention'. Jederzeit zugreifen: Der Inhalt des Buches steht Ihnen ohne weitere Kosten digital in der Wissensplattform eRef zur Verfügung (Zugangscode im Buch). Mit der kostenlosen eRef App haben Sie zahlreiche Inhalte auch offline immer griffbereit. Ideal für Studenten im klinischen Studienabschnitt, PJ-Studenten und Ärzte in der Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin. Duale Reihe: Ausführliche Lehrbücher zum vertiefenden Lernen mit vielen didaktischen Elementen sowie Abbildungen und Tabellen, die das Lernen erleichtern. Der Text in der Randspalte dient als Repetitorium und kann zur gezielten Prüfungsvorbereitung genutzt werden. Hier finden Sie die wichtigsten Aussagen des Haupttextes gebündelt und Sie haben die zugehörigen Abbildungen und Tabellen immer im Blick.

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Leseprobe

| © Digital Vision

1 Anamnese, körperliche Untersuchung und Dokumentation


Jost Steinhäuser, Heinz-Harald Abholz

1.1 Die Bedeutung von Anamnese und körperlicher Untersuchung in der Allgemeinmedizin


Eine genaue Anamnese und eine gewissenhaft durchgeführte Untersuchung erlauben in einem hohen Prozentsatz die Stellung einer (Verdachts-)Diagnose.

Anamnese und körperliche Untersuchung sind in der Medizin von zentraler Bedeutung – dies gilt für jeden Arzt. Mehr als in jedem anderen Fach der Medizin wird allerdings in der Allgemeinmedizin das größte Gewicht auf die Anamnese gelegt. Eine genaue Anamnese und eine gewissenhaft durchgeführte körperliche Untersuchung erlauben in einem hohen Prozentsatz eine Diagnose zu stellen bzw. Verdachtsdiagnosen auszusprechen. Letztere sind dann ggf. mit laborchemischer und/oder technischer Diagnostik weiter abzuklären.

Beim Hausarzt kommt es – im Vergleich zu Spezialisten in Praxis oder Krankenhaus – zur Vorstellung einer Vielzahl von Symptomen und Beschwerden, hinter denen sich seltener schwerwiegende bzw. umschriebene Krankheitsbilder verbergen.

In der Allgemeinmedizin können 80–90 % aller Diagnosen durch Anamnese und körperliche Untersuchung mit einer Genauigkeit gestellt werden, die den Arzt handlungsfähig macht.

Die Stellung einer Verdachtsdiagnose ist in der Allgemeinmedizin von großer Bedeutung: Beim Hausarzt kommt es – im Vergleich zu Spezialisten in Praxis oder Krankenhaus – zur Vorstellung einer Vielzahl von Symptomen und Beschwerden, hinter denen sich (prävalenzbedingt) seltener schwerwiegende bzw. umschriebene Krankheitsbilder verbergen.

Es ist entscheidend, mit einem hohen Maß an Sicherheit die Vortestwahrscheinlichkeit derjenigen Patienten zu erhöhen, die weiter untersucht werden müssen.

Es ist also gerade für den Allgemeinarzt wichtig, über Anamnese und körperliche Untersuchung vorzuklären, an welcher Stelle weitergehende technische Diagnostik notwendig ist und wann sie unterbleiben kann. Gerade in dieser Reduktion auf das Wesentliche liegt die ärztliche Kunst. Dies spart Ressourcen und schützt den Patienten vor unnötiger, möglicherweise belastender Diagnostik (z. B. vor Röntgenstrahlen). Für die verantwortungsvolle Aufgabe, mit einem hohen Maß an Sicherheit eine Vorselektion derjenigen Patienten zu treffen, die weiter untersucht werden müssen, sind sowohl fundierte Kenntnisse in der Medizin als auch die Erfahrung allgemeinärztlichen Handelns nötig.

1.2 Spezifische allgemeinärztliche Anamnese und Untersuchung


Fallbeispiel

Fallbeispiel 1

Ein 45-jähriger Patient kommt mit einer Bläschenbildung im Bereich der linken Achselhöhle und des linken Thorax zu mir. Die Inspektion der Veränderung und die streng halbseitige Lokalisierung lassen keinen Zweifel an einer Gürtelrose. Meine Anamnese beschränkt sich auf die Frage, ob er in letzter Zeit sehr viele Belastungen gehabt habe. Er bejaht dies und berichtet von einer sehr anstrengenden Geschäftsreise sowie dem „erneuten Kummer“ mit seinem Freund. Beim Anziehen sagt er dann noch: „Ich habe die Stelle immer mit Babypuder behandelt, man muss ja schließlich etwas dagegen tun. Ich habe mir schon gedacht, dass es wieder eine Gürtelrose ist.“ Ähnlich kurz wie die Anamnese ist meine körperliche Untersuchung. Sie beschränkt sich auf die Inspektion der Haut. Und dies, obwohl mir klar ist, dass sich hinter einem Herpes zoster – selten, wie die Literatur ausweist - konsumierende Erkrankungen, Abwehrstörungen usw. verbergen können. Warum ich dennoch nicht mehr wissen wollte, hatte eine recht einfache Erklärung: Ich kenne den Patienten seit 6 Jahren, weiß, dass er HIV-positiv ist und eine leicht erniedrigte T4-Zellzahl aufweist (bisher Stadium B2 nach CDC-Klassifikation) und dass er als homosexueller Mann mit einem festen Partner zusammenlebt. Dieser macht immer wieder „Ausbrüche“ aus der festen Beziehung, die meinen Patienten dann in tiefe Krisen stürzen. Ich weiß schließlich, dass der Patient für seinen Umgang mit der HIV-Infektion den Weg gewählt hat, sich möglichst nicht kontinuierlichen medizinischen Kontrollen oder Prophylaxemaßnahmen auszusetzen, sondern „gesund“ zu leben und nur bei deutlicher Symptomatik einen Arzt aufzusuchen. Eine antiretrovirale Medikation lehnt der Patient derzeit ab, um nicht dauernd an die Krankheit erinnert zu werden. Trotz wiederholter Diskussion, bzw. des Beginns einer Behandlung, zeige ich in diesem Moment keine Neigung, diese Umgangsform mit der Krankheit zu durchbrechen und eine weitergehende Diagnostik zu betreiben. Mir scheint dies auch ohne Gefährdung vertretbar, denn es ist aus der Literatur bekannt, dass bei betroffenen Patienten eine HIV-Infektion ohne weitere opportunistische Infekte ausreicht, um überhäufig einen Herpes zoster zu verursachen. Zudem werde ich den Patienten im Verlauf seiner Grunderkrankung noch einige Male sehen.

Regeln für Anamnese und klinische Untersuchung in der Allgemeinmedizin:

  1. eine vollständige Anamnese und körperliche Untersuchung wird in der Praxis meist erst über einen längeren Zeitraum erreicht.

  2. Bei umschriebenen Fragestellungen ist eine fokussierte Anamnese und Untersuchung verantwortbar.

  3. Eventuell wird auf weitere diagnostische Maßnahmen verzichtet.

  4. Von erheblicher Bedeutung ist das Zuhören auf die Wortwahl des Kranken, vgl. Kap.  ▶ Arzt-Patienten-Kommunikation.

  5. Eine längere Arzt-Patienten-Beziehung führt im Laufe der Zeit zu einer „erlebten Anamnese“.

Verallgemeinert man das oben Geschilderte, so lässt sich für die Allgemeinmedizin in Bezug auf Anamnese und körperliche Untersuchung Folgendes festhalten:

  1. Der Allgemeinarzt kommt zu einer vollständigen Anamnese und körperlichen Untersuchung – in der Regel – über die Zeit, in der er seinen Patienten betreut und intensiv kennen lernt.

  2. Häufig ist der Allgemeinarzt – ebenso wie der Spezialist – nur zu einem umschriebenen Gesundheitsproblem gefragt und verzichtet dann zum Teil auf eine umfassende Anamnese und körperliche Untersuchung. Dies ist im Zusammenhang mit Punkt 1 verantwortbar.

  3. Der Allgemeinarzt verzichtet manchmal sogar auf eine weitergehende Anamnese und Untersuchung, selbst wenn diese medizinisch wünschenswert wären (z. B. wenn die Ausweitung von Anamnese und körperlicher Untersuchung mit anderen Aspekten der Betreuung des Patienten in Kollision gerät).

  4. Von erheblicher Bedeutung ist das Zuhören auf die Wortwahl des Kranken. Den Hinweis des Patienten im obigen Beispiel, er habe Babypuder benutzt, denn man müsse etwas tun, nehme ich sehr ernst: Neben meiner Verordnung von Aciclovir (Zovirax, Generika) erörtere ich auch noch die wissenschaftlich zwar fragwürdige, vom Patienten aber gewünschte Möglichkeit, mit B-Vitaminen selbst etwas gegen seine Beschwerden zu unternehmen. Meine Botschaft soll sein: Ich nehme Sie ernst.

  5. Mit zur Anamnese in der Allgemeinmedizin gehört auch, dass mit dem Patienten über Jahre eine gemeinsame Erfahrung vorliegt. Diese Erweiterung der Anamnese, die ganz spezifisch für die kontinuierliche Betreuung in der Allgemeinpraxis ist, wird als „erlebte Anamnese“ bezeichnet.

1.3 Erlebte Anamnese


Voraussetzungen: Lange bestehende Arzt-Patienten-Beziehung, häufige Arzt-Patienten-Kontakte, vertrauensvolles Verhältnis.

Die erlebte Anamnese...

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