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E-Book

Dürer

Das Universalgenie der Deutschen

AutorKlaus-Rüdiger Mai
VerlagUllstein
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl400 Seiten
ISBN9783843711661
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
WORUM GEHT ES? Albrecht Dürer, einer der bedeutendsten Maler Deutschlands, zählt neben Leonardo da Vinci und Michelangelo zu den Universalgenies seiner Epoche. Er war bahnbrechender Künstler und Mathematiker, er revolutionierte die Techniken des Holz- und Kupferstichs, widmete sich der Astrologie, entwarf Globuskarten, schrieb das erste Mathematikbuch in deutscher Sprache und plante Stadtbefestigungen. Er unternahm ausgedehnte Reisen nach Italien und in die Niederlande und stand in engem Austausch mit den Geistesgrößen der Zeit. Der erfahrene Biograph Klaus-Rüdiger Mai stellt erstmals den Menschen Dürer in den Mittelpunkt. Er schildert ihn als sensiblen, hochgebildeten Mann, der mit allen Sinnen dem Leben zugewandt war und sich mit viel Temperament an den geistigen, religiösen und politischen Debatten seiner Zeit beteiligte. WAS IST BESONDERS? Die erste große Dürer-Biographie, die hinter dem gefeierten Universalgenie den Menschen Dürer zum Vorschein bringt. In erzählerischem Ton gelingt Mai die enge Verknüpfung von Lebensbeschreibung und Werkdeutung vor dem Hintergrund der geistigen Strömungen der Zeit. WER LIEST? • Alle, die Dürer schätzen und mehr über ihn wissen wollen • Alle, die sich für das Zeitalter der Reformation und der Renaissance interessieren • Leser von Klaus-Rüdiger Mais »Die Bachs« und Heinz Schillings »Martin Luther«

Klaus-Rüdiger Mai, geboren 1963 in Staßfurt, promovierter Germanist. Nach Tätigkeiten als Regisseur, Dramaturg, Drehbuchautor und Filmproduzent widmet er sich seit 2005 dem Schreiben von historischen Sachbüchern und Biographien.

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Leseprobe

2.
DIPTYCHON EINS: BILD DES VATERS


Eintausendvierhundertvierundachtzig Jahre waren seit der Geburt Christi vergangen, wie die offiziellen und die privaten Chroniken vermerkten. Albrecht Dürer zählte dreizehn Jahre und erlernte in der Werkstatt des Vaters das Goldschmiedehandwerk. In Nürnberg wie auch in den deutschen Landen gärte es. Wachsende Unsicherheit bei der Mehrheit der Christen, aber auch Hoffnung auf etwas Neues bei den Gebildeten unter ihnen griffen um sich. Der große Paradigmenwechsel, der nach und nach alle Bereiche des Lebens in seinen Sog zog und die Epoche hervorbringen sollte, die bis heute reicht, setzte mit aller Macht und allem Ungestüm ein.

Und wie immer ging Unerfreuliches in der Welt vor sich. In Rom wurde der ganz und gar nicht unschuldige Giovanni Battista Cibo durch kräftige Bestechung zum Papst gewählt und nannte sich in einem bei ihm weder vorher noch nachher beobachteten Anflug von Humor Innozenz VIII. Neben der selbst in der Ära des Nepotismus als dreist empfundenen exzessiven Förderung seiner Verwandten liebte er nichts mehr als das Geld und die Jagd, nicht aber auf Wildschweine wie später Leo X., sondern auf Hexen. Was ihm an Intelligenz fehlte, glich er mit Gerissenheit aus, von der er einen unerschöpflichen Vorrat zu besitzen schien. Unter seiner tatkräftigen Förderung entstand der Hexenhammer des Inquisitors Heinrich Institoris, eines Soziopathen in Dominikanerkutte, der sich rühmte, zweihundert Frauen ermordet zu haben, die er trickreich zuvor zu Hexen erklärt hatte. Damit schlug Europa nach einem überschaubaren Prolog das Hauptkapitel der großen Hexenverfolgung auf, die die folgenden zweihundert Jahre den Kontinent wie eine nicht enden wollende Epidemie verheerte. In einer Zeit wachsender Frömmigkeit erwies sich die offizielle Kirche, die Kurie, immer weniger willens und in der Lage, ihrer Aufgabe nachzukommen. Päpste wie Innozenz VIII. und Alexander VI. (Borgia) waren nicht die Männer, die dem wachsenden Frömmigkeitsbedürfnis der Christen beispielhaft vorangingen, im Gegenteil. Als durchtriebene Juristen hatten sie ausschließlich ihren Vorteil im Auge.1

Trotz Türkengefahr leisteten sich Kaiser Friedrich III. und der ungarische König Matthias Corvinus einen veritablen Krieg, der in diesem Jahr in die Schlacht bei Leitzersdorf mündete, die der Kaiser, der zur Passivität neigte, jämmerlich verlor, so dass die Ungarn vor der Einnahme Wiens standen.

Das alles nahm man in der Reichsstadt Nürnberg sehr wohl zur Kenntnis und es erreichte auch den Goldschmiedelehrling Albrecht, der allem, was in der Welt vorging, waches Interesse entgegenbrachte. Hexenhysterie und Hexenjagd allerdings unterband der kluge Rat allein schon, um den Bürgerfrieden zu bewahren. Fanatiker wie Institoris waren in der Bürgerstadt nicht gelitten, obwohl die Nürnberger wie die meisten Menschen dieser Zeit – und mit ihnen auch Albrecht – nicht an der Existenz und an den Umtrieben der Hexen, an ihrem Schadenzauber und der Buhlschaft mit dem Teufel zweifelten. Sehr konkret sahen sie sich einer Fülle von Gefahren, Misshelligkeiten und gesellschaftlichen wie auch privaten Katastrophen ausgesetzt, die der Teufel mit seinem großem Anhang hervorbrachte, gelegentlich auch die Juden. Auch der junge Albrecht glaubte an die Existenz der Teufel, Hexen, Zauberer, so wie ihm das Wirken Gottes und der Heiligen gewiss war. Der Glaube an Letzteres bedingte die Realität des Ersteren. Ohne Gott kein Teufel, ohne Teufel kein Gott. Für den Christen hieß das, immer aufs Neue Möglichkeiten zu finden, um für sein Seelenheil zu sorgen. Der Mensch befand sich in Hiobs Position.

In der Reichsstadt achtete der Rat jedoch streng auf ein aus seiner Sicht notwendiges Maß in der Verfolgung der Hexen und vermied alle Übertreibungen, obwohl er unnachsichtig und mit rigider Hand die öffentliche Ordnung ohne Ansehen der Person durchsetzte. Er schreckte auch nicht davor zurück, einen der seinen, Patrizier und Ratsmitglied, hinzurichten, als herauskam, dass er Ratsgelder unterschlagen hatte. Die Pointe von Peter Muffels Missetat bestand allerdings darin, dass er das Geld zum Zwecke des Ankaufs von Reliquien entwendet hatte. Alles in allem blieb die Zahl der unglücklichen Opfer, verglichen mit anderen Gebieten und Städten während der Hexenverfolgung, gering.2

Nürnberg hielt seit jeher eine enge Verbindung zum Kaiser, was für Albrecht Dürer wichtig werden sollte, und stand bis zur Reformation stets treu zum Reichsoberhaupt. Im Schutz der Mauern und Bollwerke der Stadt wurden seit 1424 die Reichskleinodien aufbewahrt, die Herrschaftsinsignien des Reiches, beispielsweise die Reichskrone, der Reichsapfel, das Reichsschwert und das Szepter3, das König Sigismund vor den aufständischen Hussiten in Böhmen in Sicherheit wissen wollte. Aus der Unmittelbarkeit zum Kaiser und aus der eigenen großen wirtschaftlichen Macht bezog Nürnberg seinen Stolz und seine städtische Freiheit und die Patrizier ihr unerschütterliches Selbstbewusstsein. Nürnberg war die deutsche Metropole des 15. Jahrhunderts – und das erschloss Dürers Handwerk einen erfreulich großen und soliden Absatzmarkt und sorgte für eine stabile Auftragslage. Wie eine »Spinne im Netz«, so empfanden es schon die Zeitgenossen, saß Nürnberg im Zentrum der großen europäischen Handelswege, die von Nord nach Süd, von Ost nach West die Reichsstadt kreuzten. Sie verband im wahrsten Sinne des Wortes den Orient mit dem Okzident, den Fernen Osten über Venedig mit dem Norden, den Hansestädten, mit Flandern Brabant, England und Skandinavien, Nowgorod mit Avignon. Damit ging vollkommen unaufwendig einher, dass die Stadt nicht nur Waren vermittelte, sondern mit ihnen auch Nachrichten. Der kleine Albrecht sah von Kindesbeinen an exotische Tiere und Pflanzen, fremd gekleidete und anders aussehende Menschen, hörte Geschichten aus der ganzen damals bekannten Welt und wurde hin und wieder eines Bildes, zumeist eines Holzschnittes, ansichtig. Und so verwundert es nicht, dass ausgerechnet in Nürnberg der Plan reifte, eine große Weltchronik als Enzyklopädie, die das Wissen über die Welt in einem großformatigen und mit 1802 Holzschnitten illustrierten Werk versammelte, zu produzieren. Ein Blick in das Buch der Chroniken zeigt das Wissen und die Vorstellungen, mit denen Albrecht in Kindheit und Jugend in Berührung kam.

In des Vaters Goldschmiedewerkstatt verkehrte naturgemäß die Oberschicht der Stadt. Die Dynastien der Nürnberger Kaufleute, die als Patriziat mit harter Hand und kalter Berechnung die Stadt beherrschten, mischten durch teils gewagte Operationen im Nah- und Fernhandel mit. Handelsprivilegien wie beispielsweise Zollfreiheit besaßen sie in fast achtzig Städten und Herrschaften. Kräftig investierten sie sehr zum eigenen Vorteil in die Montanindustrie und produzierten in der Oberpfalz mehr Eisen als irgendwo sonst in Europa hergestellt wurde. In der Stadt selbst blühte das metallverarbeitende Handwerk. Mittels Wassermühlen an der Pegnitz, wie sie Albrecht Dürer auf seinem berühmten Aquarell verewigen sollte, stellten sie beinah schon industriell Eisendraht her, der für allerlei Produkte von Haken und Ösen über Mausefallen bis hin zu Drahtbürsten, Ketten und Saiten en masse Verwendung fand. Gleichzeitig bildete in diesen Jahren, was Albrecht von Kindheit an erlebte, Nürnberg das Zentrum der Rüstungsindustrie im Reich, aber auch europaweit, denn vom Dolch über den Harnisch bis hin zu Neuerungen wie Kanonen, Hakenbüchsen und später Arkebusen rüstete man die großen Heerhaufen aus, die zunehmend das Bild des Schlachtfeldes bestimmten und die Ritter als Militärelite verdrängten.

Doch damit war der Elan der Reichsstädter nicht im mindesten erschöpft. Mit Hilfe des von Nürnbergern entwickelten Saigerverfahrens, bei dem durch Zugabe von Blei Silber aus dem Rohkupfer gelöst wurde, beutete die Reichsstadt das Mansfelder Land aus. Im mitteldeutschen Kupferrevier gaben die Nürnberger Saigergesellschaften den Ton an.4 Aber auch im Erzgebirge und in Böhmen waren die Nürnberger in der Montanindustrie nicht nur engagiert, sondern häufig auch deren Motor.

Spanische und portugiesische Seefahrer, und nicht nur sie, schätzten die Nürnberger Kompasse. In Nürnberg, dem politischen und kaisertreuen Zentrum, fanden Reichstage statt und nahm die erste Reichsregierung – das Reichsregiment – Anfang des 16. Jahrhunderts Quartier. Letzteres sollte aber auch Verdruss mit sich bringen. Im 15. und im beginnenden 16. Jahrhundert führte Nürnberg auch als Buchdrucker-Stadt, als Verlagsort und in der Papierherstellung. Diese Besonderheit prägte und förderte die Entwicklung Albrechts. Nürnberg besaß eine reiche Bürgerschaft und verfügte über weitgespannte und stabile Handelsverbindungen, gleichzeitig beherbergte es als Ort reichspolitischer Veranstaltungen die Großen des Reiches. So war die Stadt – nicht zuletzt mit Blick auf die Familie Dürer gesagt – auch ein Zentrum der Goldschmiedekunst und wetteiferte hierin mit dem burgundischen Hof Philipps des Guten, dem vornehmsten Mitte des 15. Jahrhunderts in Europa.

Zu den Patriziern, den ratstauglichen Geschlechtern wie den Tuchers, den Rummels, den Pirckheimers, den Muffels, den Stromers und den Löffelholz, um nur einige zu nennen, gehörten die Dürers nicht, dennoch wohnten sie im besten Viertel der Stadt mit ihnen in enger Nachbarschaft. Sie mochten zu den ärmeren Bewohnern eines allerdings reichen Viertels zählen. So subjektiv ist die Wahrnehmung, dass Albrecht Dürer von Kindesbeinen an seine Familie und sich für arm hielt, arm allerdings nur im Vergleich. Die Dürers hungerten nicht, sie lebten nicht in einem Verschlag oder in einem zwielichtigen...

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