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E-Book

Duke Ellington

AutorWolfram Knauer
VerlagReclam Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783159617961
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Duke Ellington war einer der bedeutendsten Jazzkomponisten des 20. Jahrhunderts. Er war auch ein Pianist allerhöchsten Ranges. Sein eigentliches Instrument aber war seine Bigband mit ihren von ihm ganz individuell gestalteten Sounds. Zudem aber war Duke Ellington vor allem ein selbstbewusster Repräsentant Afro-Amerikas.Wolfram Knauer, Fachmann und Fan, stellt die Musik dieses Ausnahmekünstlers in den Mittelpunkt seines Bandes: die persönliche Herangehensweise Duke Ellingtons, die Aufnahmen, die neben den Strukturen der Musik immer auch deren besondere Interpretationsweise dokumentieren, die Klangsätze, das Streben nach Perfektion mit der dazugehörigen Freude an der Improvisationsfreiheit, am Risiko und am Unerwarteten. Ein Personen- und ein Songregister erleichtern die Orientierung.

Wolfram Knauer, geb. 1958, ist seit dessen Gründung Direktor des Jazzinstituts Darmstadt und organisiert regelmäßig das Darmstädter Jazzforum, die Darmstädter Jazz Talks und die Darmstädter Jazz Conceptions.

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Leseprobe

Intro


Duke Ellington war der bedeutendste Jazzkomponist des 20. Jahrhunderts – Punkt. Doch schon diese Definition greift zu kurz. Ellington einzig als Jazzkomponisten zu bezeichnen engt seine künstlerische Stellung ungerechtfertigt ein, wäre etwa so, als würde man von Arnold Schönberg bloß als dem »bedeutendsten Zwölftonkomponisten« sprechen oder von Johann Sebastian Bach als dem »bedeutendsten Oratorien- und Fugenkomponisten«. Es macht wenig Sinn, Vergleiche zu ziehen, aber sehr wohl, sich ab und an Ellingtons eigene ironische Selbstsicht vor Augen zu halten, die alle Klassifizierungsversuche, so praktisch sie auch zum Sprechen über Musik sein mögen, als einengend ablehnte. Sein größtes Lob lautete »beyond category«, jenseits aller Kategorien.

Duke Ellington, 1965

Dieses Buch soll Ellington »beyond category«, also in seiner Einzigartigkeit als Komponist des 20. Jahrhunderts, würdigen, für den jedwede Schublade zu klein oder schlichtweg falsch erscheint. Es wird um einen Pianisten erster Güte gehen, der seine stupende Technik aber meist zurückstellte. Denn sein Instrument war, wie oft gesagt wurde, tatsächlich das Orchester, seine Bigband mit den von ihm ganz persönlich ausgewählten Sounds, den Klangfarben seiner Musiker, die dafür sorgten, dass man selbst in einem von der Ellington-Band gespielten Unisonosatz die Einzelstimmen durchzuhören meint.

Es wird um eine Persönlichkeit gehen, die in der Zeit der Harlem Renaissance ihre Karriere begann, deren letztendlich immer noch durch europäische Werte geprägten ästhetischen Maßstäbe aber bald ablegte und stattdessen eigene entwickelte, Maßstäbe, die sich auf eine lange afro-amerikanische Musikgeschichte bezogen, auf präsente wie verklungene Teile dieser Geschichte, auf eine musikalische und ästhetische Haltung, die zur Zeit, als Ellington zu seiner Klangsprache gelangte, noch nicht einmal ansatzweise erforscht war.

Es geht um einen Musiker, der von der breiten Öffentlichkeit im Nachhinein gern in die Stilschublade des »Swing« gepackt wurde, obwohl seine Musik mit der anderer Swingbands wenig zu tun hatte. Ellington bewegte sich aber auf diesem Markt, musste mit den Gegebenheiten des amerikanischen Showbusiness jonglieren, um sein Instrument – also, siehe oben, sein Orchester – zu finanzieren und seine eigenen musikalischen Ideen, gespielt von den Musikern, für die er sie geschrieben hatte, hören zu können.

Es geht in diesem Buch schließlich auch um Grundsätzliches. Zum einen ist Duke Ellington ein Musterbeispiel des selbstbewussten Afro-Amerikas, das aus sich heraus Geltung besaß und keiner Legitimation aus irgendwelchen anderen Quellen bedurfte, sei es aus der Welt der klassischen Musik, jener der Musikkritik ganz allgemein oder aber einer Avantgarde-Ästhetik, der sich ja auch der Jazz in der Lebenszeit Duke Ellingtons allmählich annäherte.

Zugleich beschreibt das Buch Ellington als einen »Omni-American«, dessen Musiksprache zwar aus der afro-amerikanischen Kultur geboren wurde, mit der sich aber jeder Amerikaner, gleich welcher ethnischen Herkunft, identifizieren konnte. Er selbst war es, der die afro-amerikanische Musik – und Kultur, um auf Stanley Crouch zu verweisen, von dem diese Beschreibung des »Omni-American«-Aspekts afro-amerikanischer Kultur stammt – in den »Mittelpunkt des amerikanischen politischen, spirituellen und kulturellen Lebens« stellte.

Neben Biographischem steht dabei die Musik im Mittelpunkt dieses Buchs. Sein Autor ist überzeugt davon, dass sich Musikgeschichte nur aus der Musik heraus beschreiben lässt, dass sich die Fragen an die Biographie des Künstlers, seine ästhetischen Entscheidungen, die Einbindung seines Werks in die Kulturgeschichte seiner Zeit nur aus dem offenen Blick auf die Musik beantworten lassen. Der Jazz ist für eine solche Herangehensweise ein dankbares Sujet, da seine Partituren nicht fest notierte, von anderen interpretierte Kompositionen sind, sondern ungemein persönliche Aufnahmen, die seit Beginn der Jazzgeschichte neben den Strukturen der Musik immer auch deren Interpretation dokumentieren, die Klang- und Improvisationsansätze, das Streben nach Perfektion genauso wie die nötige Risikofreude.

Und so beschreibt dieses Buch Ellington als einen Komponisten, dessen Handwerkszeug so völlig verschieden ist von dem, was in der europäischen Musik Tradition hat: nicht Bleistift und Notenpapier allein, sondern vor allem die offenen Ohren, das Hören auf und die Kommunikation mit seinen Musikern. Ellington ist das Beispiel eines Komponisten, der nur im selbstgewählten Team funktionieren konnte, bei dem die Teammitglieder ihm Ideen gaben, Klangfarben, Melodien, Harmonien, Voicings, die er dann in den unverwechselbaren Ellington’schen Sound verwandelte. Sein Ansatz entspricht dabei einer ur-afro-amerikanischen Art des Zusammenarbeitens, und das größte Problem, unter dem Ellington zeitlebens zu leiden hatte, war, dass sein kompositorisches Schaffen zu oft nach dem europäischen Verständnis von Komposition beurteilt wurde anstatt »beyond category«.

Dieses Buch stellt Ellington aber auch als einen Musiker vor, der sich und seinen Stil immer wieder neu erfand. Es verfolgt seine musikalische Sprache, fragt nach den konkreten kompositorischen Ideen und betrachtet deren Umsetzung in den verschiedenen Jahrzehnten seines Schaffens. Es versucht dabei mit dem Vorurteil aufzuräumen, der »späte« Ellington habe dem »frühen« oder »mittleren« an Kreativität nachgestanden, indem es mit nüchternem Blick die verschiedenen musikalischen Herausforderungen analysiert, denen sich Ellington mit sehr unterschiedlichen musikalischen Ansätzen stellte. Es zeigt Ellington dabei als einen Künstler, der sich selbst laufend in den ästhetischen Diskurs der Zeit einbrachte, zu dem bestimmte musikalische Entscheidungen genauso gehörten wie geschäftliche und ästhetische Positionierungen oder das Bewusstsein für neue Aufführungs- und Präsentationsmöglichkeiten für seine Musik, und der seine musikalische Produktivität den neuen Gegebenheiten laufend anzupassen verstand.

Das Buch beschreibt Ellington, den Pianisten, dessen kraftvoller Anschlag swing und Sound erzeugen konnte, wie dies nur wenigen Pianisten vor und nur ganz bedeutenden nach ihm gelang. Tief verankert im Stil des Harlem Stride Piano interessierten ihn Klänge, die nicht direkt von den Tasten gesteuert zu sein schienen: Zwischensounds, die er durch heftigen Anschlag, durch Nachklingen, durch den Einsatz von Arpeggien oder andere Techniken hervorbrachte und die dem Klavier, das doch eigentlich soundmäßig nicht sonderlich variabel ist, einen eben Ellington’schen Klangfaktor verliehen. Thelonious Monk, Randy Weston, Cecil Taylor, Dollar Brand / Abdullah Ibrahim und andere besonders sound-orientierte Pianisten bezogen sich in diesem Teil ihrer jeweiligen Personalstile direkt auf ihn.

Dieses Buch beschreibt Ellington als einen Klangmaler des 20. Jahrhunderts, dessen große »Werke« – diesmal durchaus im Sinne europäischer Werktradition – als gesellschaftliche Kommentare gedacht waren. »Black and Tan Fantasy« aus den 1920er Jahren, das hochpersönliche »Reminiscing in Tempo« aus den 1930ern, »Black Brown and Beige« aus den 1940ern, »A Drum Is a Woman« aus den 1950ern, seine »Sacred Concerts« aus den 1960er Jahren: Duke Ellington drückte jedem Jahrzehnt, das er als Musiker begleitete, seinen persönlichen Stempel auf, einen Stempel, der Geschichte durch den Blick des afro-amerikanischen Künstlers neu interpretieren wollte.

Das Buch beschreibt nicht zuletzt Ellington, den Privatmenschen, sensibel, sinnlich, kein Kostverächter (wie man so sagt), ob es nun um Essen ging oder um Frauen. Wer die Sinnlichkeit Ellingtons ignoriert, der wird seine Musik schwerlich verstehen können, die von nichts anderem handelt als von der sinnlichen Erfahrung von Menschen, Gesellschaft und Geschichte.

Neben den biographischen Aspekten geht es in diesem Buch dabei auch um die Darstellung einer alternativen Lesart afro-amerikanischer Kultur, um den Versuch, sie aus sich selbst heraus zu verstehen und dabei von den eurozentrischen Wertevorstellungen zu abstrahieren, die nicht nur unser Ellington-Bild, sondern auch jenes in den USA bis in die Gegenwart hinein prägen.

 

Zu Beginn der Recherchen für dieses Buchs stand ein mehrtägiger Aufenthalt in der Smithsonian Institution in Washington, D. C., die den Nachlass Duke Ellingtons verwaltet, d. h. seine Geschäftspapiere, seine Korrespondenz, vor allem aber die kompositorischen Skizzen, die teils von ihm, teils in Kooperation mit seinem musikalischen Partner Billy Strayhorn angefertigt wurden, sowie die Bandbooks, also die Stimmen, aus denen das Orchester über die Jahrzehnte hinweg die Musik spielte.

Der Besuch erfolgte, bevor ein einziges Kapitel dieses Buchs geschrieben war: Ich setzte mich ins Archiv, ließ mir Kiste um Kiste mit Papieren kommen, die Ellingtons Aktivitäten in unterschiedlichen Jahrzehnten dokumentierten, und hoffte darauf, dass die Stimmen und Partituren, dass der Blick in den persönlichen Nachlass des Duke mich zu Fragen anregen würden, von denen ich selbst noch nicht wusste, dass ich sie hatte. Dies erwies sich als eine kluge Entscheidung, denn dieser erste Blick in die Werkstatt Ellingtons sollte tatsächlich vieles über die ästhetischen und geschäftlichen Entscheidungen erklären helfen.

Am Schluss meiner Arbeit am Manuskript stand ein erneuter Besuch in der Sammlung der Smithsonian Institution, in der ich diesmal nur noch in die Notationen schaute. In der Auseinandersetzung mit Ellingtons Werk hatte ich immer...

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