Unter dem Terminus Fachsprache wird ein Teilbetrag der Bildungssprache verstanden. Fachsprache ist eine spezielle Ausprägung der Bildungssprache, die auch als ‚Fachjargon‘ bezeichnet werden kann (Lange & Gogolin, 2010). Fachsprachen zeichnen sich durch einen intra-, inter-, extra- und nichtfachlichen Fachwortschatz aus. Das bedeutet, dass Fachsprachen zum einen eine eigene Fachlexik besitzen und zum anderen Wörter anderen Fachsprachen oder sprachlichen Kontexten entlehnen und sie mit einer dem Fach eigenen Definition versehen (Roelke, 2010). Leisen (2005) regte eine Unterteilung in die Sprachregister Alltags-, Unterrichts- und Fachsprache an. Unterrichtssprache definiert er als Mischform zwischen Alltags- und Fachsprache und als Annäherung an Fachsprache, da sie ihm zufolge eine höhere Komplexität besitzt als Alltagssprache. Fachbegriffe werden jedoch primär laienhaft verwendet. Leisen beschreibt Fachsprache als weitere Verdichtung von Unterrichtssprache und schließt sich bei ihrer Charakterisierung weitestgehend der von Roelke (2010) an. Im Folgenden soll dennoch in erster Linie von Alltagssprache und Bildungssprache gesprochen werden. Wenngleich diese Entscheidung die Komplexität der Thematik reduziert, so fasst der Begriff Bildungssprache die Aufgliederungen in Unterrichts-, Fach-, Wissenschaftssprache etc. angemessen zusammen. Der Fokus dieser Arbeit liegt weniger auf einer genauen Unterscheidung verschiedener sprachlicher Sub-Register (Gogolin, 2013) als auf der Tatsache, dass schulbezogene Sprache sich von Alltagssprache unterscheidet.
2.2 Forschungsstand zum Zielspracherwerb
Die zuvor zitierte Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass bei der sprachheterogenen Gruppe von Schülerinnen und Schülern kein Unterschied bezüglich der Verwendung eines umgangssprachlichen oder elaborierten Modus attestiert werden kann. Einen signifikanten Unterschied weist die Untersuchung allerdings bei der Beherrschung des akademischen Modus nach. Einsprachig-partnersprachliche Schülerinnen und Schüler wiesen bei der Fähigkeit zur Nutzung dieses Modus im Bezug auf den Wortschatz einen deutlichen Abstand zu dem Rest der Schülerschaft auf (vgl. Roth et. al., 2007). Als ein möglicher Grund für diese Diskrepanz wird ein geringerer Wortschatz angeführt, weshalb die Schülerinnen und Schüler der betreffenden Gruppe weniger Komposita bilden können. Unklar bleibt jedoch der Befund, dass bei den anderen untersuchten Modi keine Unterschiede gefunden wurden, obwohl auch dort ein gewisser Wortschatz vorhanden sein muss.
Insgesamt ist festzuhalten, dass die beobachteten einsprachig-partnersprachlichen Schülerinnen und Schüler bei der Verwendung eines hochfrequenten Einsatzes von unpersönlichen Ausdrücken und Konnektoren sowie von Substantivierungen und Komposita hinter ihren mehrsprachigen Mitschülerinnen und Mitschülern zurückbleiben. Dass ein Gefälle im Wortschatzumfang zwischen monolingualen und zumindest bilingualen Schülerinnen und Schüler existieren kann, deuten jedoch auch andere Studien an. In einem Kieler Forschungsprojekt zum ungesteuerten Zweitspracherwerb wurde der Wortschatz von Schülerinnen und Schülern mit türkischer Herkunftssprache untersucht. Insgesamt wurde der Wortschatz von 36 Schülerinnen und Schülern der ersten Klasse mit Hilfe von Wortschatzlisten ermittelt. 52,2 Prozent der Schülerinnen und Schüler wiesen einen Wortschatz von bis zu 500 Wörtern, 25 Prozent von 500 bis 699 und 22,2 Prozent von über 700 Wörtern auf. Verglichen mit einem von Augst (1984) geschätzten Referenzwert für ungefähr gleichaltrige monolingual-deutschsprachige Schülerinnen und Schüler von ca. 3800 Wörtern folgerten die Autoren: Die Schülerinnen und Schüler mit dem vergleichsweise größten Wortschatzumfang im Deutschen liegen immer noch 40% hinter dem durchschnittlichen Wortschatz monolingual-deutschsprachiger Schülerinnen und Schüler.
Aufgrund des geringen Stichprobenumfangs ist die Studie von Schwanke und Pütz (1986) jedoch nur eingeschränkt aussagekräftig. Zudem besteht bei den für die Studie und für die Erstellung des Referenzwertes untersuchten Kindern ein zeitlicher Abstand von ca. einem Jahr. Dennoch werden die erhobenen Daten durch eine aktuellere Untersuchung an Berliner Grundschulen von Limbird (2007) unterstützt. In dieser Studie wurden 169 Kinder mit deutscher und türkischer Herkunftssprache zu insgesamt drei Messzeitpunkten untersucht. Beim ersten und zweiten Untersuchungszeitpunkt wurden Daten zum Wortschatz der Schülerinnen und Schüler erhoben, die jeweils einen signifikanten Unterschied, bezogen auf den Wortschatzumfang, darlegen. Die Studie untermauert die These, dass zumindest Kinder mit türkischer Herkunftssprache einen tendenziell geringeren quantitativen Wortschatzumfang besitzen als monolingual-deutschsprachige Schüler-innen und Schüler (vgl. Eckhardt, 2008).
Als einer der gewichtigsten Faktoren für die Entwicklung des Wortschatzes wird in der Literatur der sprachliche Input angesehen (vgl. Zangl, 1998). Vor allem der Schuleintritt wirkt sich positiv auf die Entwicklung des Wortschatzumfangs im Deutschen aus. Dabei wurde beobachtet, dass sich die gesprochenen Sprachen eines Sprachlerners nach Themenbereichen aufteilen. Das bedeutet, dass eine beherrschte oder gerade gelernte Sprache einen bestimmten Themenbereich dominiert. Dies zeigte Karasu (1995) in einer qualitativen Studie, in der er den Spracherwerb von 15 Schülerinnen und Schülern türkischer Herkunftssprache analysierte. Die Schülerinnen und Schüler wurden das erste Mal kurz vor der Einschulung und das zweite Mal Mitte der ersten Klasse untersucht. Es zeigte sich, dass der Wortschatz im Türkischen zu beiden Messzeitpunkten größer war. Allerdings belegen die erhobenen Daten auch, dass der Zuwachs des Wortschatzes im Deutschen mit Schuleintritt umfangreicher war als der im Türkischen und sich dessen Variabilität erhöhte. Bei noch genauerer Betrachtung der Sprachdaten stellte sich heraus, dass sich der Wortschatz im Deutschen zu anderen Themen entwickelte als der türkische Wortschatz.
„No subject reported adequate comprehension of text with only 80% coverage rate, but at 90% and 95% coverage a few did, and only at the 98% level did most subjects gain adequate comprehension.” (Nation & Waring, 1997, S. 12)
Unter Berücksichtigung einer Untersuchung von Nation und Waring (1997), in der sie zu dem Schluss kommen, dass fremdsprachenlernende Leserinnen und Leser mindesten 95 Prozent der Wörter eines Textes kennen müssen, um diesen inhaltlich vollständig zu erfassen, kristallisiert sich folgendes Bild heraus:
Der Wortschatz ist von großer Bedeutung für den Erwerb bildungssprachlicher Fähigkeiten. Mehrsprachige Kinder verfügen jedoch über einen geringeren Wortschatzumfang im Deutschen als monolingual-deutschsprachige Kinder. Gogolin (2013) weist jedoch darauf hin, dass mehrsprachige Menschen funktional betrachtet in der Regel insgesamt über einen umfangreicheren Wortschatz verfügen. Darüber hinaus unterstreicht sie bestehende Hinweise, dass sich der Wortschatz in der Herkunftssprache und im Deutschen inhaltlich unterschiedlich entwickelt. Untersuchungen mit einem größeren Stichprobenumfang, welche die Repräsentativität der Daten erhöhen würde, stehen allerdings noch aus (vgl. Eckhardt, 2008).
Neben dem Wortschatz- ist der Syntaxerwerb von Bedeutung für einen erfolgreichen Zielsprachenerwerb. Allgemein wird davon ausgegangen, dass er mit dem Syntaxerwerb monolingualer Sprachnutzer vergleichbar ist (vgl. Romaine 2006), allerdings mehr Zeit benötigt wird.
Diese These wird durch Befunde gestützt, die Diehl (2000) im Zuge des Projekts ‚Deutsch an Genfer Schulen‘ (vgl. Diehl, Christen, Leuenberger, Pelvat & Struder, 2000) machte. In dieser Studie wurde der gesteuerte Spracherwerb der deutschen Sprache von primär frankophonen Schülerinnen und Schülern (N=520) der Klassen vier bis zwölf analysiert. Dazu wurden jeweils acht Aufsätze von jedem Kind untersucht, die über einen Zeitraum von zwei Jahren verfasst wurden. 60 Schülerinnen und Schüler wurden hinsichtlich ihres Erwerbs von Satzmodellen untersucht. Die Ergebnisse zeigen eine regelhafte Aneignung der Satzmodelle mit der Reihenfolge Hauptsatz, Fragesatz, Verbklammer, Verbendstellung im Nebensatz und Inversion. Diese Erwerbsreihenfolge ähnelt der bei monolingualen Sprachlernern (vgl. Szagun, 2006). Überdies kommt Diehl zu der Erkenntnis, dass die frankophonen Schülerinnen und Schüler, die Deutsch als zweite Sprache lernten, besondere Schwierigkeiten beim Erwerb der Inversion aufwiesen.
Den Erwerb des Passivs untersuchte Wegener (1998) in einer Studie bei Kindern nichtdeutscher Herkunftssprache. Er analysierte dazu die Entwicklungen beim Erwerb des ‚werden-Passivs‘ durch sechs Schülerinnen und Schüler. Wegener kam zu dem Ergebnis, dass sich auch hier die Erwerbsreihenfolge mit der von monolingual-deutschsprachigen Sprachlernern ähnelt, aber zeitverzögert beginnt und zudem langsamer umgesetzt wird. Das 2003 ins Leben gerufene, bundesweite Modellprogramm ‚FörMig‘ (Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund) welches die sprachliche Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in den Fokus nahm, bezieht sich einerseits auf u. a. zuvor genannte Untersuchungen zur Spracherwerbstheorie von Sprachlernern. Andererseits fußt es auf Forschungsergebnissen zur Sprachaneignung in Bildungsinstitutionen. Diese zeigen, dass Sprachaneignung im frühen Kindesalter mitnichten automatisch auf dem Fundament des schon...