Zur Erarbeitung geeigneter Bewertungskriterien sowie Zielkennzahlen wird in diesem Kapitel eine Modellierung der Fachkonzeptschicht des offenen Smart Metering IKS durchgeführt. Die Definition auf der Ebene des Fachkonzepts ist auf Grund der Beständigkeit der fachlichen Abläufe dem teilweise kurzlebigen DV-Konzept vorzuziehen. Durch die Nutzung dieser Methode des ARIS-Konzepts wird das Problem aus fachlicher Sicht in einem strukturierten Modell abgebildet. Dabei führt die Bildung der verschiedenen Sichten des ARIS-Modells zu einer Zerlegung des Problems in seine Teilaspekte und damit zur Komplexitätsreduktion, ohne jedoch den ganzheitlichen Ansatz aufzugeben.
In der Modellierung wird das im IEC 61970 standardisierte Common Information Model (CIM) sowie der Standard IEC 61968 für die Zählerfernauslesung herangezogen. Das CIM ist plattformunabhängig einsetzbar. Das Modell beinhaltet aber keine konkrete Datenbankumsetzung und Regelung über die interne Datenorganisation und -speicherung, sondern ist als Schnittstellenstandard für den Datenaustausch zu verstehen.[50]
Abbildung 10: ARIS-Methoden
Darüber hinaus werden die in vorstehender Abbildung aufgeführten Werkzeuge aus der ARIS-Toolbox bei der Modellierung eingesetzt. Beginnend mit der Organisationssicht werden die Rollen im Smart Metering Umfeld mit ihren Aufgaben und Beziehungen untereinander betrachtet. In der Steuerungssicht erfolgt die Modellierung der relevanten Prozesse in Form von Anwendungsfällen (Use-Cases). Im nächsten Schritt wird auf der Grundlage der definierten Prozesse in der Datensicht die Datenstruktur festgelegt sowie das Datenvolumen mittels eines erarbeiteten Bewertungsverfahrens für jeden Prozess ermittelt. In der Funktionssicht erfolgt die Betrachtung der entsprechenden Smart Metering spezifischen Funktionen des IKS. Auf eine Modellierung der Leistungssicht kann verzichtet werden, da der Aspekt für die Evaluierung der Technologien und Architekturen nur von niedriger Relevanz ist.
Durch die Verwendung von Standards in der Kommunikation sollen die Transaktionskosten bei der Integration von Anwendungen und Geschäftsprozessen verringert werden. Um dieses sicherzustellen gibt es verschiedene Standardisierungsgremien weltweit. Eine Übersicht relevanter Normen für Smart Metering ist im Anhang 1 enthalten.
Das an dem EPRI Institut Mitte der 1990er Jahre entwickelte und im Standard IEC 61970 normierte CIM umfasst alle Anforderungen der IT-Landschaft eines Energieunternehmens an ein Datenmodell. Das CIM wurde mit dem Ziel entwickelt die heterogenen Standards in der Energiebranche zu beseitigen und so zu einem verbesserten Informationsmanagement beizutragen. Das Modell fungiert als Integrator in einer nachrichtenbasierten Architektur und sichert die Datenqualität durch ontologiebasierter Metadatenannotierung.[51]
Dabei beinhaltet das CIM ein umfassendes und detailliertes Modell der typischen Objekte in der elektrischen Energiewirtschaft mit unterschiedlichen Sichtweisen und Detaillierungsgraden.[52]
Eine genaue Beschreibung der Anwendungsfälle für die Kopplung zweier Systeme und die Definition der Formate auszutauschender Nachrichten ist im Standard IEC 61968 – „Integration von Anwendungen in Anlagen der Elektrizitätsversorgung – Schnittstellen für Netzführung“ enthalten. Wichtig für Smart Metering ist der Teil 9 des Standards, welcher aus den folgenden typischen Anwendungsfeldern besteht[53]:
Zählerfernauslesung,
Zählersteuerung,
Zählerereignisse,
Kundendatensynchronisation und
Kundenwechsel.
Ziel des Standards ist die Integration von Metering Systemen (MS) in die IT- und Prozesslandschaft von Energieunternehmen. Bei der Betrachtung werden Kommunikationsprotokolle explizit nicht berücksichtigt. Dies führt zum Vorteil der Unabhängigkeit gegenüber künftigen Messinfrastrukturentwicklungen.[54]
Zur Modellierung der Daten nutzen beide Standards die Unified Modeling Language (UML), die einen offenen Standard zur Beschreibung von Daten darstellt.
Bevor auf einzelne Anwendungsfälle eingegangen wird, ist es zunächst erforderlich das Umfeld von Smart Metering zu analysieren. In dem nachfolgenden Netzdiagramm des Standards IEC 61968-9 sind die unterschiedlichen Akteure mit ihren Beziehungen und Nachrichten dargestellt.
Im Mittelpunkt des Smart Metering stehen die MS. Diese unterscheiden sich stark durch verwendete Protokolle, Übertragungstechnologien und Funktionsumfang voneinander. So kann ein MS aus mehreren Zählern unterschiedlicher Sparten bestehen oder mit mehreren Kommunikationstechnologien ausgestattet sein. Ein MS kann in die Komponenten Data Collection und Control and Reconfiguration unterteilt werden.[55]
Primäre Aufgabe der Komponente Data Collection ist die Sammlung und Übertragung erzeugter Messdaten und Statusinformationen zum Messdatenmanagementsystem. Zusätzlich ist das Element aber auch für die Übertragung von Ereignissen des Zählers (z.B. Ausfall) an IT-Systeme zum Ausfallmanagement (Outage Management), Netzwerkbetrieb und Kapazitätsplanung zuständig.
Abbildung 11: Netzdiagramm Metering[56]
Die Komponente Control and Reconfiguration dient hingegen als Schnittstelle für die Durchführung von Steuerungsbefehlen und Konfiguration von vielschichtigen Einstellungen. Darüber hinaus kann die Komponente bei entsprechender Funktionsunterstützung auch als Gateway für Geräte zur Steuerung des Energieverbrauchs (Load Control Devices) und als Relais für Lastkontrollsignale fungieren.[57]
MS stehen mit vielen verschiedenen IT-Systemen in Verbindung. Ein Meter Data Management System (MDMS) empfängt und speichert die vom MS gesendeten Messdaten und leitet diese auf Anforderung an andere IT-Systeme wie z.B. das Customer Information System (CIS) zur weiteren Verwendung weiter. Darüber hinaus dient das MDMS der Zähleradministration. Zur Automatisierung des Datenaustauschs bei Zählerinstallation (Plug and Play), Geräteverwaltung und bei Ausfall oder Wartung des Zählers bestehen Kommunikationsverbindungen zu Meter Asset Management (MAMS), Meter Maintenance (MMS), Work Management (WMS) und Outage Management Systemen (OMS). Über Network Operations Systeme (NOS) bekommt das MS benötigte Preis- und Verbrauchssteuerungssignale. Von Load Management Systemen (LMS) werden bspw. Befehle zur Fernabschaltung oder Verbrauchssteuerung empfangen.[58]
Zu Beginn der Anforderungsanalyse aus Sicht der Steuerung steht die Identifikation der relevanten Anwendungsfälle. Da der Ablauf und das Verhalten am besten durch das Sequenzdiagramm dargestellt werden können, erfolgt die Modellierung über diese Diagrammart. Mit Hilfe der Modelle wird die Kommunikation zwischen der Umgebung und den Systemen über Datenflüsse zu Datenquellen und -senken modelliert. UML unterscheidet in der Betrachtung von Aktionsfolgen in Szenarien und Anwendungsfällen. Unter einem Szenario ist eine spezifische Folge von Aktionen zu verstehen. Anwendungsfälle umfassen hingegen die Gesamtheit aller möglichen Szenarien. Dabei werden die Folgen von Aktivitäten immer aus der Sicht seiner Akteure beschrieben und der Umfang auf für diese wahrnehmbare Ergebnisse begrenzt. Ein Anwendungsfall bzw. Szenario wird immer durch einen Akteur ausgelöst. Ein Akteur ist eine außerhalb des Systems liegende Rolle, welche durch eine Person oder ein System eingenommen werden kann.[59]
Um die in der Datensicht durchgeführte Berechnung des Datenvolumens besser nachvollziehen zu können, erfolgt bereits im Zuge der Prozessmodellierung eine Zuordnung des Volumens zu den zwischen dem MS und den anderen IT-Systemen übermittelnden Nachrichten. Für den einheitlichen Datenaustausch stellt die Norm 61968-9 eine Definition des Nachrichtenformats zur Verfügung. Anhand der vorgegebenen Struktur soll nachfolgend eine Ableitung des Datenvolumens erfolgen. Die Norm definiert unterschiedliche Nachrichtentypen, die aus drei wesentlichen Elementen (vgl. Abb. 12)[60] besteht:
ein Verb, welcher die Aktion kennzeichnet (bspw. Create, Change),
ein Noun zur...