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Ehrbezogene Gewalt in der türkisch patriarchalischen Diaspora in Deutschland im Fokus der institutionellen Netzwerkarbeit

AutorAnna Vernaleken
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl56 Seiten
ISBN9783955496036
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Gegenstand dieses Fachbuches ist die vorherrschende ehrbezogene Gewalt der türkisch patriarchalischen Diaspora in Deutschland und die Notwendigkeit der Verbesserung der institutionellen Netzwerkarbeit. Damit wird der themenbezogene Umgang der sozialen Arbeit in Kooperation mit anderen Institutionen angesprochen und auch kritisch aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Durch eigene Erfahrungen bei einer deutschen Polizeidirektion erhielt die Autorin verschiedene Einblicke, die sie in den Verlauf dieses Fachbuches einbaut. Doch damit nicht genug, verbindet sie Ihre Erlebnisse mit anderem wertvollen Gedankengut. Es entsteht eine Gedankenkette durch renommierte KritikerInnen wie Kirsten Heisig (Sie war bis zu ihrem Tod Ende Juni 2010 Jugendrichterin an dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten) und Dr. Janine Janssen (Sie schrieb 2009 einen niederländischen Leitfaden für den Umgang mit ehrbezogener Gewalt für Polizeibeamte und andere Professionals). Die Autorin stellt fest, dass Schwachstellen in einzelnen Systemen und Unklarheiten der professionellen Vorgehensweise vorliegen, die es zu überdenken gilt. Sie regt damit zum Umdenken an. Hierzu will sie jedoch nicht nur ermuntern, sie gibt am Ende auch mögliche Handlungsoptionen anhand einer Checkliste.

Anna Vernaleken, B.A., wurde 1986 in Heilbad Heiligenstadt im Eichsfeld/ Thüringen geboren. Ihr Studium der Angewandten Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Erfurt schloss die Autorin im Jahre 2012 mit dem akademischen Grad der Bachelor of Arts erfo

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 2, Begriffserläuterungen: 2.1, Was ist ehrbezogene Gewalt?: 'Ehrbezogene Gewalt ist jede Form seelischer oder körperlicher Gewalt aufgrund einer kollektiven Mentalität in Reaktion auf eine (drohende) Schändung der Ehre eines Mannes oder einer Frau und damit seiner oder ihrer Familie, von der die Außenwelt erfährt oder zu erfahren droht.' (Ferwerda und Van Leiden 2005, 25 in Janssen 2009, 30). Van Eck sagte im Dezember 2004 in einer niederländischen Tageszeitung, dass von ehrbezogener Gewalt gesprochen wird, 'wenn die Keuschheit der Frau [...] in Frage gestellt wird. Schließlich (handelte es sich um) Mord oder Todschlag aufgrund gekränktem männlichen Stolzes. Hierbei wird nicht die Ehre der Frau, sondern die des Mannes [...] in Zweifel gezogen.' (Van Eck 2004 in Janssen 2009, 24). Laut Bundeskriminalamt ist weiterhin eine Begriffsabgrenzung dringend notwendig. So wird im BKA unterschieden zwischen 'Verbrechen im Namen der Ehre' gegenüber der so genannten 'Blutrache' oder 'Blutfehde'. Hierbei handelt es sich nämlich 'vor allem um die Ermordung von Männern, die wiederum als Vergeltung einen anderen Mord aus der Sippe des Mörders nach sich zieht' (BKA 2006, 5). Bei der Suche nach einer wörtlichen Übersetzung des Begriffes 'ehrbezogene Gewalt' oder dem differenzierteren, aber eher umgangssprachlich verwendeten, Begriff 'Ehrenmord' in die türkische Sprache, ist ein Scheitern fast unerlässlich. Lediglich der Begriff 'Gewalt' findet sich einzeln betrachtet als 'kuwet' oder 'kudret' (www.deutsch-tuerkisch.net 2012). Betrachten wir hingegen den umgangssprachlich verwendeten Begriff 'Ehrenmord' als die allerletzte Form der 'Wiederherstellung der Ehre', kommen wir einem Erklärungsversuch schon näher. Höffe benennt mit Hobbes Hilfe den Begriff der Ehre wie folgt: 'Unter Ehre versteht man die im menschlichen Zusammenleben bekundete Anerkennung und Schätzung, die man selbst empfängt und anderen erweist. Ehre ist das in Worten und Taten sich äußernde positive Urteil, die symbolisch vermittelte Manifestation des Wertes, den wir uns gegenseitig beimessen (Hobbes). Welche Qualitäten als Gegenstand begründeter Ehre gelten, [...] hängt entscheidend von den Wertvorstellungen und der soziokulturellen Verfassung einer Gesellschaft ab.' (Höffe 1986, 40). Daran anknüpfend lässt sich auch anhand aktueller Studien von Janssen feststellen, dass der Ehrbegriff wie sie selber sagt, einen 'universellen Charakter hat' und kein Merkmal bestimmter Kulturen ist. Ihrer Auffassung nach, hat sich bereits 'im Lauf der Geschichte herausgestellt, dass Menschen aus allen Himmelsrichtungen große Stücke auf ihre Ehre halten' (Janssen 2009, 27). Ich vermag, durch einen Blick in diverse Literatur zum Thema, ebenfalls nicht definieren, wo in der westlichen Welt der Ehrbegriff seinen Ursprung fand. Janssen benennt in ihrem Werk 'Im Namen der Ehre' historische Persönlichkeiten die sich bereits mit dem Begriff der 'Ehre' auseinandersetzten. Um nur einige zu nennen: den griechischen Philosophen Aristoteles (ca. 400 Jahre v. Chr.), den römischen Schriftgelehrten Cicero (ca. 1 Jh. v. Chr.), das Rittertum im Mittelalter sowie moderne Denker und Philosophen wie Hobbes (1588-1679), Rousseau (1712-1778), Kant (1724-1804) und Márquez (1981) in seinem Werk 'Chronik eines angekündigten Todes' (Janssen 2009, 28). Ich fand darüber hinaus die literarischen Werke von Friedrich Schiller: 'Der Verbrecher aus verlorener Ehre' (1964) sowie Heinrich Böll: 'Die verlorene Ehre der Katharina Blum' (1976), die sich eingehend mit dem Umgang der Ehre im westlichen Raum beschäftigen. Auch können wir beim Blick in die Geschichte über verschiedene Formen von Ehre sprechen. Schopenhauer (1788-1860) spricht zum Beispiel in seiner Abhandlung über sexuelle, nationale, private und öffentliche Ehre. Sogar die Berufsehre spricht er an (Schopenhauer in Janssen 2009, 29). Das BKA stellte 2006 in einer Pressemitteilung 'Eine Frage der Ehre?' Ergebnisse einer Auswertung zum Phänomen 'Ehrenmorde' vor. Hier wird mangels polizeilicher Definition des Begriffes, in Anlehnung an Phänomenbeschreibungen, in der Literatur von einer Arbeitshypothese ausgegangen: 'Ehrenmorde sind Tötungsdelikte, die aus vermeintlich kultureller Verpflichtung heraus innerhalb des eigenen Familienverbandes verübt werden, um der Familienehre gerecht zu werden.' (BKA 2006, 3). Diese Definition der deutschen Polizei kommt der, diesen Abschnitt einleitenden These nach Ferwerda und Van Leiden, die im Auftrag der niederländischen Polizei im Phänomenbereich; im Rahmen des Pilotprojektes 'Im Namen der Ehre' recherchierten, sehr nah. Ich bin jedoch der Meinung, dass diese Definition nicht weitreichend genug durchdacht wurde. Das Bundeskriminalamt vernachlässigt Fakten wie herrschende Ungerechtigkeit und Perspektivlosigkeit junger Migranten basierend auf Diskriminierung und sozialer Benachteiligung in Deutschland, die ebenfalls Begründungen für ehrbezogene Gewalt der Vergangenheit waren. Hermann Tertilt führt in seiner Ethnographie Turkish Power Boys ein sehr treffendes Beispiel - Fall Muzaffer - an: 'Am Merianplatz, im Las Vegas, dem Spielsalon, da waren ich, der Seyfettin, der Bruder vom Seyfettin und ein Typ, der besoffen war. Und dann hat der andere, der besoffen war, den Seyfettin die ganze Zeit angemacht. Der Seyfettin hat gemeint: 'Das kann passieren, der ist besoffen.' 'Ich mach nix', hat er gemeint. Aber der Typ hat dauernd Scheißzeug gelabert, hat auch schlimme Wörter gesagt. Er war auch so ein Türke. 'Ich fick deine Mutter', hat er gemeint, 'Ich fick deine Mutter'. Und dann wurden alle beide aggressiv. Nachher wurde der Typ abgestochen - neben mir. Guck mal, das ist ja die Ehre, verstehst du?' (Tertilt 1996, 211). Der Psychologe und Mediziner Ilhan Kizilhan benennt den Begriff der Ehre heute als 'in verschiedenster Form für bestimmte Interessen instrumentalisiert.' (Kizilhan 2006, 99). So bezieht er verschiedene Organisationen und Gruppen mit neueren Strukturen in die Begriffsinterpretation ein. Er ist der Meinung, dass diese immer wieder auf den Begriff der Ehre zurückgreifen, 'wenn sie in ihrem Handlungsspielraum eingeengt werden oder Auflösungserscheinungen zeigen, um Unterstützung zu bekommen und neue Rekruten für den Kampf gegen den Feind zu mobilisieren' (Kizilhan 2009, 99). Er belegt seine These an verschiedenen Fallbeispielen und baut so eine Brücke zwischen der Ehre im Urverständnis und der heute sehr breiten Auslegung des Ehrbegriffes in der westlichen Kultur. Ich denke, dass der Versuch die Ehre begrifflich darzustellen, deutlich macht, dass es sehr erstrebenswert ist, Ehre zu erlangen und zu erhalten, was auch immer Ehre für den Einzelnen bedeutet. Bei Ehrverletzung sind unterschiedliche Erscheinungsformen physischer und psychischer Gewalt wie (Drohung mit) Mord; Selbstmord; Unfall mit Todesfolge; Misshandlung; Verstümmelung; (Drohung mit) Verstoßung; Zwangsheirat; Wegnehmen der Kinder; Wegschicken, Rückbefleckung; Ehescheidung; Freiheitsberaubung; Umzug oder Gerichtsverfahren zu beobachten. Jürgen Sauer benennt in seiner Studienarbeit 'Scham - ein Grund für Gewalttaten' sogar Steinigungen, Säureattentate und Mitgiftmorde in Ländern wie Ostanatolien, Pakistan, Bangladesh und Indien (Sauer 2009, 20). Ursachen hierfür, können das Führen eines im westlichen Stil geprägten Lebens, der Verlust der Jungfräulichkeit; außereheliche/voreheliche sexuelle Beziehungen; Vergewaltigung; außereheliche oder voreheliche Schwangerschaft; Ehebruch; erneute Heirat; Wegnehmen der Kinder; Verlassen des Ehepartners oder der Familie; verschwinden, wegbleiben, weglaufen; inakzeptables Verhalten; Widerstand gegen die Familie, Regeln, arrangierte Hochzeiten und Verlobungen; Beleidigung, Provokationen, Erniedrigung; Klatsch, Tratsch und Schmach sein (Janssen 2009, 137). Aufgrund der breiten Definition von Ehre in den verschiedenen Gesellschaften möchte ich im Folgenden zwei Gesellschaften herausgreifen, aus deren Sicht ich Ehre noch einmal gesondert definiere. Zum Einen möchte ich näher auf das Verständnis des türkischen und zum Anderen auf das Verständnis des deutschen Ehrbegriffes eingehen. Die türkische Gesellschaft wurde von mir ausgewählt, da in Deutschland die meisten Migranten aus der Türkei stammen. Dies wird unter anderem in der Pressemitteilung des BKA anhand von Zahlen belegt: 'Von den rund 7,3 Millionen Ausländern in Deutschland besitzen beispielsweise rund 1,8 Millionen die türkische Staatsangehörigkeit und bilden damit den höchsten Anteil an der ausländischen Wohnbevölkerung in Deutschland. (Zahlen siehe Homepage des Statistischen Bundesamtes)' (BKA 2006, 12).
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