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Ein handlungs- und produktionsorientierter Deutschunterricht - aufgezeigt an 'Hänsel und Gretel'

aufgezeigt an Hänsel und Gretel

AutorHenning Gädeken
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl70 Seiten
ISBN9783638528504
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Didaktik - Deutsch - Pädagogik, Sprachwissenschaft, Note: 2,0, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover (Studienseminar Hannover), 21 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Im Fokus dieser Arbeit steht die handlungs- und produktionsorientierte Auseinandersetzung mit dem Märchen 'Hänsel und Gretel' der Gebrüder Grimm, welche ich in einer Unterrichtseinheit in einer 5. Klasse einer Förderschule Schwerpunkt geistige, körperliche und motorische Entwicklung durchgeführt habe. Die Beschäftigung mit dem Unterrichtsgegenstand 'Märchen' wird in dieser Einheit mit handlungs- und produktionsorientierten Verfahren erfolgen und soll die Schüler ganzheitlich mit dem Kopf, dem Herzen, den Händen und allen Sinnen fördern und ihr Interesse an literarischen Texten wecken (vgl. Jank & Meyer 1994, 355f). Im Vordergrund wird dabei die Beantwortung folgender Fragestellung stehen: 'Ist der handlungs- und produktionsorientierte Literaturunterricht für eine 5. Klasse einer Förderschule Schwerpunkt geistige, körperliche und motorische Entwicklung geeignet?' Im ersten theoretischen Kapitel soll zunächst eine Begriffsklärung des handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts erfolgen. Nachfolgend werden Merkmale und mögliche Verfahren aus dem handlungs- und produktionsorientierten Repertoire aufgezeigt. Abschließend sollen Gemeinsamkeiten zwischen einer Didaktik für geistig, körperlich und motorisch beeinträchtigte Kinder und dem Konzept des handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts herausgestellt werden. Im zweiten theoretischen Kapitel dieser Arbeit erfolgt eine Klärung des Begriffs 'Märchen', wobei das Volksmärchen und deren Merkmale im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen. Weitere Priorität soll auf die Behandlung von Märchen im Deutschunterricht einer Förderschule Schwerpunkt geistige, körperliche und motorische Entwicklung gelegt werden. Kapitel 3 erfüllt die Intention, Entscheidungen im Hinblick auf die Planung der Unterrichtseinheit zu verdeutlichen. Es erfolgen zuerst allgemeine Angaben zur Lerngruppe und zu den individuellen Lernvoraussetzungen der Schüler, die für die Aufstellung von Förderschwerpunkten relevant sind. Im Anschluss an die Schülerbeschreibungen werden die Ziele und der tabellarische Aufbau der Unterrichtseinheit aufgezeigt sowie Überlegungen zur Sache und zu den didaktisch-methodischen Entscheidungen der Einheit angestellt. Im Vordergrund des vierten Kapitels stehen die ausführliche Dokumentation und Reflexion von drei ausgewählten Unterrichtssequenzen. In der abschließenden Gesamtreflexion sollen die aufgestellten Lernziele und das didaktisch-methodische Vorgehen reflektiert werden.

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Leseprobe

2. Märchen


 

In diesem Kapitel soll zunächst eine Klärung des Begriffs „Märchen“ erfolgen.

 

Im Anschluss daran werden die charakteristischen Merkmale des Volksmärchens, zu dem auch das Märchen „Hänsel und Gretel“ der Gebrüder Grimm gehört, aufgezeigt.

 

Abschließend wird auf die Bedeutung von Märchen im Deutschunterricht einer Förderschule Schwerpunkt körperlich-motorische und geistige Entwicklung eingegangen werden.

 

2.1 Begriffsklärung


 

Die deutschen Wörter „Märchen“ oder „Märlein“ sind Verkleinerungsformen zu dem heute veralteten Wort „Mär“, welches im Ursprung eine kurze Erzählung, Kunde oder

 

Nachricht bezeichnet (vgl. Lüthi 1979, 1).

 

Aufgrund des Diminutivs erfuhr der Begriff jedoch eine Bedeutungsverschlechterung und wurde auf unwahre und erfundene Geschichten angewendet.

 

Im 18. Jahrhundert konnte unter dem Einfluss der französischen „Feenmärchen“ und „Geschichten aus Tausendundeiner Nacht“ die Bedeutungsverschlechterung aufgehalten werden.

 

Mit der Herausgabe der „Kinder- und Hausmärchen“ der Gebrüder Grimm in den Jahren 1812 und 1815 setzte eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Literaturgattung „Märchen“ ein und erfuhr eine positive Verstärkung.

 

Der deutsche Begriff wird nach der Verbreitung der Grimmschen Märchen international als Fremdwort gebraucht und dient der genaueren Textsortenbeschreibung (vgl. Ziensenis 1998,  533).

 

Heute sind mit Bezeichnungen wie „Volksmärchen“ oder „Kunstmärchen“ bestimmte Erzählgattungen gemeint, deren Erzähltypus zu den Grundtypen sprachlichen Gestaltens gezählt wird (vgl. Schweikle,G. & Schweikle,I. 1990, 292).

 

Das Volksmärchen kann im Gegensatz zum Kunstmärchen auf eine längere mündliche Tradition zurückblicken. Es ist aus den Erzählungen des Volkes entstanden und spiegelt dessen Weltsicht, Wünsche und Hoffnungen wider.

 

Das Kunstmärchen hingegen wird zur „Individualliteratur“ gezählt. Es ist in einer festen Form geschrieben, an der außer dem Verfasser niemand etwas ändern darf (vgl. Lüthi 1979, 5).

 

In der durchgeführten Unterrichtseinheit steht das „Volksmärchen“ im Mittelpunkt der Betrachtungen, da das Märchen „Hänsel und Gretel“ zu der Sammlung der Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm gehört und diese zu den Volksmärchen gezählt wird.

 

2.2 Merkmale des Volksmärchens


 

Das europäische Volksmärchen neigt zu einer spezifischen Darstellungsart und ist durch gemeinsame Wesenszüge gekennzeichnet, sodass von einem „Grundtyp“ des europäischen Volksmärchens gesprochen werden darf.

 

Max Lüthi (1976) beschreibt in seinen Untersuchungen fünf gemeinsame Merkmale des europäischen Volksmärchens, die in den folgenden Ausführungen dargestellt werden sollen.

 

1. Eindimensionalität

 

Im Volksmärchen findet eine Verschmelzung von diesseitiger und jenseitiger Welt statt. Eine Differenzierung zwischen Figuren, Orten und Gegenständen aus der diesseitigen und der jenseitigen Welt wird nicht vorgenommen. Figuren aus dem Diesseits und dem Jenseits stehen nebeneinander und interagieren ganz unbefangen miteinander in einer Welt. Der Held eines Märchens, welcher in den meisten Fällen der diesseitigen Sphäre angehört, wundert sich nicht über das Auftreten von Fabelwesen wie Hexen, Feen, Trolle, Riesen, Zwerge etc., im Gegenteil für ihn scheint alles zu einer Dimension zu gehören.

 

„Ihnen fehlt das Erlebnis des Abstandes zwischen sich und jenen andern Wesen. Sie sind ihnen wichtig als Helfer oder Schädiger, aber nicht als Erscheinung“ (Lüthi 1976,  9). Infolgedessen fürchten sie sich auch nicht vor dem Unheimlichen, sondern lediglich vor den Gefahren, welche von den jenseitigen Figuren ausgehen können.

 

Die Begegnung des Märchenhelden mit dem Jenseitigen findet in der Regel nicht im Hause oder dem Dorf des Märchenhelden statt, sondern an einem  fremden Ort.

 

Trotz dieser räumlichen Unterschiede hat der Märchenheld nicht das Empfinden dem Jenseitigen in einer anderen Dimension zu begegnen. Aus diesem Grund kann von einer „Eindimensionalität“ des Märchens gesprochen werden (vgl. ebd., 12).

 

2. Flächenhaftigkeit

 

Das Volksmärchen besitzt keine Tiefengliederung, sondern ist flächenhaft.

 

Diese Flächenhaftigkeit  ist ein wesentliches Charakteristikum des Volksmärchens und wird besonders an den Figuren des Märchens deutlich, welchen jegliches Innenleben fehlt. Des Weiteren verfügen sie über keine Beziehung zur Umwelt und zur Zeit, sodass die gesamte Aufmerksamkeit auf den Kern der Handlung gelenkt werden kann.

 

Gefühle und Eigenschaften werden nur genannt, wenn sie für die Handlung relevant sind. Dabei werden diese allerdings häufig nicht konkret benannt, sondern in Taten ausgedrückt. Auf diese Weise geht bei den Menschen und Tieren des Märchens die körperliche und seelische Tiefe verloren.

 

„Es ist, wie wenn die Märchengestalten Papierfiguren wären, bei denen man beliebig irgend etwas wegschneiden kann, ohne daß eine wesentliche Veränderung vor sich geht“ (ebd., 14).

 

Im Volksmärchen werden die verschiedenen Möglichkeiten des Handelns auf die unterschiedlichen Gestalten verteilt, die flächenhaft nebeneinander stehen.

 

Für jede Figur gibt es nur eine Form des Handelns und diese reagiert mit „mechanistischer Eindeutigkeit“, sodass sie entweder gut oder böse ist, nicht aber beides zugleich.

 

3. Abstrakter Stil

 

Der Stil des Volksmärchens ist abstrakt. Requisiten des Märchens sind deutlich umrissen und die einzelnen Märchenszenen abstrakt dargestellt. Einzelne Details werden nicht geschildert, sondern ausschließlich benannt.

 

„Handlungsfreudig, wie es ist, führt es seine Figuren von Punkt zu Punkt, ohne irgendwo schildernd zu verweilen“ (ebd., 25).

 

Durch das Aussparen von Schilderungen erzielt das europäische Volksmärchen seine Bestimmtheit und Klarheit.

 

Diese werden ebenfalls durch die Mineralisierung bzw. Metallisierung einzelner Dinge und Lebewesen des Märchens mitbestimmt. Requisiten wie Edelsteine, Ringe, Schlüssel, goldene Gewänder und Äpfel sind aus seltenen Metallen gefertigt.

 

Als ein weiteres Kennzeichen für den abstrakten Stil des Volksmärchens nennt Lüthi (1976)  auch die Vorliebe für klare und reine Farben, denn ein „reiches Durcheinander von bunten Farben würde die strenge Linearität stören“ (ebd., 29).

 

Neben der Klarheit von Farben ist auch der Handlungsverlauf scharf und bestimmt.

 

Die Ausgangslage des Märchens ist meist durch eine Aufgabe, eine Notlage oder weitere Schwierigkeiten geprägt, sodass der Märchenheld in die Fremde wandern muss, um eine Lösung für die Ausgangslage zu finden. Die erfolgreiche Bewältigung des Problems führt am Ende des Märchens zu einem guten Ausgang.

 

Die Märchenhandlung vollzieht sich demnach an scharf getrennten Stationen, wobei die Märchenfiguren nebeneinander oder nacheinander agieren und das Märchen seine Übersicht behält.

 

Weitere Wesenszüge, die den abstrakten Stil des Volksmärchens kennzeichnen, sind starre Formeln (z.B. „Es war einmal …“ oder „Und wenn sie nicht gestorben sind, …“), Zahlen (z.B. Zwei in „Hänsel und Gretel“), Wiederholungen, Wunder und Extreme (z.B. Figuren sind entweder schön und gut oder hässlich und böse)

 

(vgl. ebd., 32ff).

 

4. Isolation und Allverbundenheit

 

Das Volksmärchen zeichnet sich weiterhin durch Isolation und Allverbundenheit aus.

 

Der abstrakte Märchenstil wird im Wesentlichen durch die Isolierung mitbestimmt.

 

Die Handlungsträger des Märchens begegnen anderen Figuren, verbinden sich mit diesen und trennen sich schließlich wieder von selbigen. Eine dauerhafte Beziehung kommt nicht zustande.

 

Neben der Isolierung der Märchenfiguren sind auch die einzelnen Szenen innerhalb der Handlung für sich geschlossen.

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