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E-Book

Ein Hund ist ein Herz auf vier Beinen

Wie Gonzo meine Angst verjagte

AutorShirley Michaela Seul, Tanja Buburas
Verlagnymphenburger Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783485061094
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Ein Hund - der beste Therapeut! Schritt für Schritt zurück ins Leben - ein liebevoller Therapiehund schafft, was weder Psychoanalyse noch Klinikaufenthalt vermochten: Tanja Buburas kann sich von ihrer sieben Jahre dauernden Angststörung befreien und seit Wochen zum ersten Mal ihre Wohnung verlassen. Mit dem einfühlsamen Hund Gonzo an ihrer Seite kämpft sie sich Meter um Meter in ihr altes Leben zurück, fasst zunehmend Vertrauen zu sich und auch zu anderen und kann schließlich ihren Alltag wieder bewältigen. Eindrucksvoll und sehr offen schildert sie ihren Weg aus der Dunkelheit, die oft lustigen Therapiemethoden ihres Hundes und ihre tiefe Dankbarkeit fürs Leben.

Tanja Buburas, geboren 1977, jung und erfolgreich, wird mit knapp 30 Jahren durch eine Angststörung aus dem Leben gerissen. Sieben Jahre lang scheint alles nur schlimmer zu werden, bis ein Therapiehund die Wende bringt. Sie wird gesund, arbeitet heute als Office Managerin und engagiert sich für soziale Projekte. Die Marketingkommunikationswirtin lebt südlich von München. Shirley Michaela Seul hat zahlreiche Bücher in verschiedenen Genres veröffentlicht, darunter auch eine Hundekrimi-Serie. Zudem arbeitet sie sehr erfolgreich als Ghostwriterin. In ihrem Blog erzählt sie vom Hundeleben ihrer Muse: flipper-privat.de

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Leseprobe

1

Endlich, die Türklingel. Ich hatte ihn schon erspäht, vom Fenster aus. Er war groß, kräftig und irgendwie Furcht einflößend, was mir ein sicheres Gefühl vermittelte. Im Internet waren mir auch seine Augen aufgefallen. Bernsteinfarben. Andere Frauen in meinem Alter warteten auf einen Mann. Ich, 35 Jahre alt, Single, nicht ganz unattraktiv, wartete auf … einen Hund. Andere Frauen in meinem Alter sahen sich im Internet nach Männern um. Ich hatte mir diesen Vierbeiner ausgesucht. Er war nicht zu vergeben, war in festen Händen. Seine Trainerin und er waren ein eingespieltes Team, das merkte ich gleich, wie sie da so locker nebeneinander vom Auto zu meiner Haustür liefen. Die Trainerin war groß und schlank, wahrscheinlich in meinem Alter, und sie bewegte sich wie alle Menschen, die sich keine Gedanken darüber machen, was ihnen zustoßen könnte, wenn sie ihre Wohnung verlassen. Wie die meisten Menschen, die schreckliche Dinge tun, ohne mit der Wimper zu zucken. Einkaufen zum Beispiel, Auto fahren, spazieren gehen.

Seit sieben Jahren war ich eine Gefangene. Mein Gefängnis war unsichtbar für andere. Aber ich selbst spürte es, sobald mein Herz zu rasen begann. Wenn ich keine Luft mehr bekam. Wenn ich am ganzen Körper zitterte. Wenn die Todesangst mich in ihren Fängen hielt und schüttelte. Sicher war ich nirgendwo, außer in meiner Wohnung. Deshalb konnte ich sie kaum noch verlassen. Ich machte mir nichts vor: Es war ziemlich unwahrscheinlich, dass der Prinz eines Tages hier klingeln und auf seinem weißen Pferd mit wallender Mähne und silbernem Schweif mit mir in die Freiheit reiten würde. Aber zum schwarzen Hund hatte ich es geschafft, immerhin.

Ich drückte den Türöffner. Meine Hände waren feucht. Es war mir absolut klar, was für mich jetzt auf dem Spiel stand. Nach sieben Jahren verschiedener Therapien kam mir dieser Augenblick vor wie mein letzter Rettungsversuch. Ich hatte vieles von dem ausprobiert, was man in meiner Situation so unternehmen kann. Von Verhaltenstherapie über tiefenpsychologisch fundierte Behandlungen zu Körper-, Gruppen- und Musiktherapie. Außerdem hatte ich zwei Aufenthalte in psychosomatischen Kliniken sowie eine einjährige stationäre und eine einjährige ambulante Rehabilitation hinter mir. Alles, was auch nur die allerkleinste Aussicht auf Erfolg versprach, hatte ich versucht. Ob Homöopathie, Chinesische Medizin, Yoga, Meditation, Channeling, Astrologie oder Energiearbeit mit Bäumen. Ach ja, auch mit dem Erzengel Gabriel hatte ich es probiert, doch die Frau, die mit ihm kommunizierte, hatte keine guten Nachrichten von Gabriel für mich. Ehrlich gesagt weiß ich nicht mehr, was er mir riet. Ich weiß nur, dass es nichts half … wie so manches andere. Oder nur ein bisschen. Oder auch ein bisschen mehr, aber eben nicht langfristig. Ich hatte viel gelernt in den letzten Jahren und war interessanten Menschen begegnet. Doch Tatsache war, dass ich noch immer beziehungsweise wieder einmal eingesperrt in meiner Wohnung war. Drei Monate dauerte diese schlimme Krise nun schon. Ich notierte ihren Verlauf in der Hoffnung auf Besserung, doch es wurde nur enger, immer enger.

Seit drei Tagen esse ich nur noch Schokolade und Chips. Etwas anderes ist nicht im Haus und auch diese Vorräte gehen langsam zur Neige. Wie lange wird es dauern, bis ich an Mangelerscheinungen leide? Die Haare werden mir ausfallen. Die Fingernägel abbrechen. Egal, das sieht ohnehin niemand. Ich kann ja nicht raus.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich eine Bäckerei. Vom Fenster aus kann ich sie sehen. Es gehen viele Leute rein. Besonders morgens zwischen sieben und neun. Sie gehen hinein, als wäre es die normalste Sache der Welt. So, als würden sie sich überhaupt keine Gedanken darüber machen. Sie gehen einfach rein – und atmen weiter. Sie kommen raus mit prallen Papiertüten, manche beißen gleich vor dem Laden in ihr Croissant. Fast habe ich vergessen, wie ein Croissant schmeckt.

Sehnsüchtig schaue ich zu und stelle es mir vor. Ziemlich krümelige Angelegenheit. Muss man eigentlich nicht haben, tröste ich mich. Andere halten einen Coffee to go in Händen. To go. Ich wiederhole. To go. To go. Ich sage es vor mich hin wie ein Mantra. Aber es wirkt nicht. To go. Latte macchiato, denke ich. Den mochte ich am liebsten. Schön heiß. Latte wie late. Too late.

Nein, es durfte nicht zu spät sein. Diesmal musste es klappen – endgültig. Mit tiergestützter Therapie hatte ich es noch nie versucht. Ich mochte Hunde, vielleicht konnten sie mir helfen, vielleicht war dies endlich der Ausgang in mein Leben.

Ich öffnete die Tür. Natürlich war es unhöflich, zuerst nach unten zu dem Hund zu schauen. Ich tat es trotzdem. Sein Bernsteinblick fuhr mir ins Herz. Es war genauso wie im Internet, als ich sein Bild gesehen hatte, nur viel intensiver.

»Hallo«, sagte die Hundetrainerin und reichte mir die Hand.

Ich schaffte es, sie zu drücken, ehe ich durch das weiche Fell des Hundes wuschelte.

»Kommen Sie doch herein«, bat ich Stephanie Lang von Langen und fragte dann: »Können wir uns duzen?« Denn es kam mir seltsam vor, mich während dieser für mich peinlichen psychischen Offenbarung zu siezen.

»Gern.«

Wir schüttelten noch einmal Hände und lachten. Es war alles ganz einfach. Anders, als ich es mir vorgestellt hatte, wobei ich gar nicht so genau wusste, was ich erwarten sollte. Und das war schon einmal ungewöhnlich. Normalerweise musste ich immer alles ganz genau vorher wissen, um die Angst im Zaum zu halten. Ich wusste zwar, dass das nichts half, aber allein die Illusion, die Kontrolle zu haben, beruhigte mich.

Im Wohnzimmer nahm Wunjo wohlerzogen auf dem Teppich Platz und schaute mich aufmerksam an, wie sein Frauchen.

»Womit kann ich dir helfen?«, fragte sie. Wir hatten zwar schon telefoniert, doch es tat mir gut, meine Situation noch einmal zu schildern. »Seit mehreren Jahren leide ich an Agoraphobie. Das Wort bedeutet übersetzt »Angst vor großen Plätzen«. Die Angst bricht bereits bei der Vorstellung aus, draußen zu sein.

Ich habe alles Mögliche probiert, manchmal ging es mir besser, dann wieder schlechter. Zwischendurch lebte ich auch mal nahezu symptomfrei. Seit drei Monaten habe ich einen schlimmen Rückfall und kann allein nicht mehr nach draußen, nur in Begleitung.« Ich hörte meine eigene Stimme und kam mir bescheuert vor. Aber an so etwas war ich ja gewöhnt. Es ist ziemlich beschämend, wenn man anderen Leuten sein eigenes Versagen offenbart, gerade Fremden. Aber obwohl ich Stephanie nicht kannte, wusste ich mich gut aufgehoben bei ihr. So war das schon im Internet gewesen, wo ich sie und Wunjo gefunden hatte.

»Mit einer Begleitperson an der Seite fühlst du dich sicher?«, fragte Stephanie.

»Na ja, nicht wirklich«, erklärte ich. »Denn da kann ich natürlich auch eine Panikattacke kriegen. Aber ich weiß dann, dass meine Begleitperson sich um alles kümmert. Was ich ja nicht mehr schaffe in so einer Situation.«

»Wie lange warst du nicht mehr allein draußen?«, fragte Stephanie.

»Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit.«

Sie schaute mich mitfühlend an. Es war kein Mitleid in ihrem Blick, keine Sensationslust, wie ich sie auch schon oft gesehen habe. Für viele Leute sind solche wie ich schlichtweg verrückt. Wir spinnen. Es ist daher kein Wunder, dass man diese Schwäche versteckt. Wer möchte schon gern als verrückt abgestempelt werden. Ich verstehe allerdings durchaus, dass es geschieht, denn ein Mensch, der an Panikattacken leidet, gebärdet sich irrational. Es gibt keinen Grund für seine Angst, keine sichtbare Gefahr. Und weil man dem seltsamen Verhalten mit Logik nicht beikommen kann, steckt man uns gern in die Schublade »durchgeknallt«. Dort befand ich mich schon einige Jahre, und während ich am Anfang vermutet hatte, ich würde dort als Einsiedlerin hausen, hatte ich mittlerweile unzählige Menschen kennengelernt, denen es genauso ging, manchen besser, anderen schlechter als mir. Und vor allem hatte ich mitbekommen, dass wir immer mehr wurden. Psychische Krankheiten sind mittlerweile der häufigste Grund gesundheitsbedingter Frühberentungen.

Viele »normale« Menschen fühlen sich unwohl, wenn sie durch Tunnels fahren, oder haben Flugangst. So etwas ist relativ leicht zu verbergen. Man kann Tunnels meiden, man kann auf Flugzeuge verzichten und das löblich mit einem reinen Klimagewissen tarnen. Wenn die Angst einen jedoch schüttelt, kann man nichts beschönigen. Und es kann jeden treffen.

Während meiner Klinikaufenthalte habe ich einige Menschen kennengelernt, die sich so ein Desaster auch nicht hatten vorstellen können. Nicht bloß die Paradebeispiele der erfolgreichen Manager, nein, auch bewusst lebende Menschen, die sehr wohl auf ihre Work-Life-Balance achteten. Im Grunde genommen kann es jeden erwischen. Es kann auch jedem ein Trauma widerfahren. Jeder kann Zeuge eines Banküberfalls oder Autounfalls sein, irgendetwas Schreckliches erleben, das sich im Leben verbeißt und es aus seiner sicheren Verankerung reißt – einmal abgesehen von den vielen jungen Menschen, die auf irgendeinem Drogentrip hängen bleiben. Und selbst wenn man persönlich nicht davon betroffen ist, können Angehörige und Freunde psychisch krank sein und dann verdunkelt sich auch das eigene Leben.

Mein unbeschwertes Leben stürzte in der Luft ab, als mich der erste Bote der Panik erreichte. Bis sie dann vollständig ausbrach und mich handlungsunfähig machte, dauerte es noch Monate. 2006 war ich auf dem Rückflug nach Berlin. In Köln hatte ich eine Freundin besucht und freute mich nun auf meinen Freund...

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