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Ein intensives Arbeitsleben oder Berufene, die man oft vergisst

Eine qualitative empirische Untersuchung des Intensivpflegepersonals in Österreich

AutorIsabella Hausknecht, MSc
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl111 Seiten
ISBN9783640986835
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Psychologie - Arbeit, Betrieb, Organisation und Wirtschaft, Note: sehr gut, ARGE Bildungsmanagement Wien, Sprache: Deutsch, Abstract: Der Beruf der Intensivpflege gehört zu den Berufsgruppen, bei denen die erhöhten Belastungen und Anforderungen zu häufigen Berufsausstiegen und zu stressbedingten Erkrankungen führen. Trotzdem gibt es Personen, die den Beruf der Intensivpflege bereits länger als 12 Jahre ausüben. Die Fähigkeiten, die sie entwickelten, helfen anderen, die an den Belastungen und Anforderungen der Arbeit leiden, einen Weg aus der Krise zu finden. Es wurde eine qualitativ empirische Untersuchung durchgeführt. Mittels neun arbeitsbiografischen Interviews konnten 35 Jahre an intensivpflegerischen Erfahrungen gesammelt und qualitativ inhaltsanalytisch ausgewertet werden. Die Untersuchung führte zu folgenden Ergebnissen: Die intrapersonellen Fähigkeiten, wie Resilienz, Humor, gute Beziehung zu sich selbst, innere Achtsamkeit, bewusste Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse und die Fähigkeit, Stress körperlich abzubauen, tragen wesentlich zur Gesundheit und zur Arbeitszufriedenheit bei und steigern die Arbeitsverweildauer des Intensivpflegepersonals. Faktoren, die abhängig von äußeren Umständen sind, können nur bedingt vom Einzelnen beeinflusst werden. Die negativsten Auswirkungen auf die Arbeitsverweildauer, Arbeitszufriedenheit und Gesundheit haben: Ein schlechtes Arbeitsklima, destruktive Kommunikation intra- und interdisziplinär, die fehlende emotionale Präsenz, die fehlende Transparenz und die fehlende Anerkennung von den Führungsebenen. Projekte zur resilienten Unternehmensführung bieten Lösungsansätze für diese Probleme und wecken das Interesse an weiteren wissenschaftlichen Forschungen.

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Leseprobe

3. RESILIENZ


 

3.1 Begriffsdefinition der Resilienz


 

Das Wort Resilienz ist in allgemeinen deutschen Wörterbüchern, zum Beispiel im Duden nicht zu finden, sondern nur in Fachwörterbüchern. Im Englischen bedeutet „resilience“ Elastizität, Spannkraft und „resilient“ elastisch, spannkräftig (vgl. Langenscheidts Großes Schulwörterbuch, 1988) und leitet sich vom Lateinischen „resilire“ ab und bedeutet zurückspringen und abprallen.

 

Der Begriff Resilienz bedeutet auch die Toleranz eines Systems gegenüber Störungen. Der Terminus Resilienz wird in der Physik, Psychologie, Pädagogik, Soziologie, Ökonomie und in der Technik verwendet (vgl. Loth, 2008).

 

So findet man diesen Ausdruck nur in einschlägiger Fachliteratur. Nimmt man die Psychologie her, findet man das Konzept der Resilienz in der Soziologie (siehe Loth, 2008), der systemischen Familientherapie (siehe Welter-Enderlin, 2010) und der Entwicklungspsychologie (siehe Werner, 2007).

 

Innerhalb der Psychologie versteht man darunter die psychische Widerstandsfähigkeit von Menschen.

 

3.2 Historische Entwicklung des Resilienzkonzeptes


 

Ursprünglich wurde der Resilienzbegriff in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts von dem Kinderpsychiater James Anthony (1974) eingeführt. Er wollte der Fähigkeit von Kindern, die unversehrt aus widrigsten Familien- und Sozialverhältnissen herausgingen, einen Namen geben (vgl. Loth, 2008).

 

Der Resilienzbegriff hielt Einzug in die Entwicklungspsychologie und in die Fachrichtungen, die sich mit Kindern und deren nahen und weiteren Umgebung beschäftigten, wie zum Beispiel die Soziologie, Pädagogik und Familientherapie.

 

War der frühere Fokus der Psychotherapie auf die krankmachenden Faktoren gerichtet, vollzog sich langsam ein Wandel (vgl. ebd.).

 

Immer mehr Therapeuten wollten erforschen, warum manche Kinder trotz widrigster Umstände gesund blieben und keine psychischen Leidenszustände entwickelten (vgl. Loth, 2008).

 

Eine der meist erwähnten Studien zur Resilienzforschung wurde von Emmy E. Werner (2007) gemeinsam mit Kinderärzten, Psychologen und Sozialarbeitern  durchgeführt.

 

Sie untersuchten 689 Kinder auf der Insel Kauai im hawaiischen Archipel von Geburt an. Die Längsschnittstudie begann 1955 und dauerte 40 Jahre. Die Kinder stammten aus armen und zerrütteten Familien, umgeben von Arbeitslosigkeit und psychischen Erkrankungen der Eltern und nahen Verwandten (vgl. ebd.).

 

„Auf der anderen Seite entwickelte sich ein Drittel dieser Kinder trotz der erheblichen Risiken, denen sie ausgesetzt waren, zu leistungsfähigen, zuversichtlichen und fürsorglichen Erwachsenen.“ (Werner, 2007, S. 21)

 

Ein zweites Drittel hatte Verhaltensprobleme, geriet mit der Exekutive in Konflikt, erholte sich aber wieder. Ein Zehntel aller Probanden entwickelte psychische Erkrankungen (vgl. Welter-Enderlin, 2010).

 

Alle Kinder waren den gleichen Risiken ausgesetzt. Die Vergleichsgruppe der nicht resilienten Kinder entwickelte sich aus der Gesamtgruppe und musste nicht künstlich zusammengestellt werden. Das abgeschlossene Territorium der Insel war ein weiterer Vorteil für die Studie, externe Einflüsse waren automatisch minimiert (vgl. ebd.).

 

Zu den beobachteten Risikofaktoren zählte Werner (2000) chronische Armut, geburtsbedingte Komplikationen, elterliche Psychopathien und dauerhafte Disharmonien in den Familien.

 

Die resilienten Kinder griffen auf Schutzfaktoren zurück, die Werner (2007) in drei Dimensionen teilte, in Schutzfaktoren, die aus den Kindern selbst, von Seiten der Familie und aus dem sozialen Umfeld kamen.

 

Die resiliente Gruppe fiel schon als Babys auf, dass sie freundlicher, unkomplizierter und gutmütiger auf Erwachsene wirkte. Im Kleinkindalter war sie selbstständiger, aufmerksamer, flexibler und kommunikativer als die nicht-resiliente Gruppe.

 

Im Teenageralter hatte sie ein positives Selbstbild ausgebildet und ging vielen, unterschiedlichen Interessen nach (vgl. ebd.).

 

Innerhalb der Familie suchten sie sich meist von sich aus mindestens eine Bezugsperson, mit der sie tragfähige Bindungen eingehen konnte.

 

Im sozialen Umfeld knüpften die widerstandsfähigen Kinder weitere Beziehungen zu gleichaltrigen Kindern, Lehrern oder zu anderen Personen (vgl. Werner, 2000).

 

Ein weiterer interessanter Aspekt wurde im Laufe der Studie beobachtbar. Einige Kinder, die im Kindesalter zur resilienten Gruppe zählten, verloren im Erwachsenenalter ihre Widerstandsfähigkeit. Umgekehrt erwarben andere Kinder der nicht resilienten Gruppe als Erwachsene die Fähigkeit der Resilienz (vgl. ebd.).

 

Eine Schlussfolgerung daraus ist, dass Resilienz keine angeborene Eigenschaft, sondern eine Fähigkeit ist, die auch im Erwachsenenalter entwickelt werden kann (vgl. ebd.).

 

„ Halten wir also fest, dass Resilienz aus heutiger Sicht nicht mehr als eine menschliche Eigenschaft betrachtet wird. Es ist vielmehr eine Fähigkeit, die ein Mensch entwickeln kann und die ihm dazu verhilft sich trotz Widrigkeiten positiv zu entwickeln.“ (Loth, 2008, S. 9)

 

Damit eröffnen sich neue therapeutische und präventive Möglichkeiten für Erwachsene.

 

3.3 Die sieben Säulen des Resilienzkonzeptes


 

Weltweit sind sich die Forscher der Sozialwissenschaften einig, dass bestimmte Muster, bestimmte Fähigkeiten, bestimmte Persönlichkeitsmerkmale und bestimmte mentale Einstellungen bei resilienten Menschen anders sein müssen als bei Menschen, die an Lebenskrisen scheitern, stecken bleiben oder erkranken (vgl. Welter-Enderlin, 2010).

 

„Der Resilienzansatz ermutigt Menschen dazu, frühere Wunden in ihrer [sic] Beziehungen heilen zu lassen.“ (Welter-Enderlin, 2010, S. 150)

 

Man kennt aus dem eigenen Umfeld die Erzählungen aus dem 2. Weltkrieg. Menschen erlebten schier unerträgliche Qualen. Sie überlebten Folter, Hunger, Vergewaltigungen und Verluste. Nicht, dass diese Traumatisierungen nicht ihre Spuren hinterlassen hätten, doch hatten diese Menschen sich nicht brechen lassen (vgl. ebd.).

 

„Fortunately, not all crucible experiences are traumatic. In fact, they involve a positive, if deeply challenging, expierence such as having a demanding boss or mentor.“ (Bennis & Thomas, 2003, S. 50)

 

Nicht nur bei traumatisierten Kindern und Erwachsenen hat das Konzept einen Nutzen, sondern durch die massiven Veränderungen im Berufsleben, den stetig steigenden beruflichen Anforderungen und dem Druck, wie zum Beispiel in der Intensivpflege, birgt die Resilienz therapeutisches und präventives Potential (vgl. Coutu, 2003).

 

In der Literatur der Resilienzforschung kristallisieren sich sieben Säulen heraus, worin sich widerstandsfähige Menschen, egal welchen Alters, von nicht resilienten Menschen unterscheiden (vgl. Wolter, 2005):

 

Akzeptanz der Krise

 

Orientierung nach Lösungen

 

Opferrolle verlassen

 

Um Hilfe bitten und annehmen

 

Optimismus

 

Alternativen entwickeln

 

Zukunftspläne

 

Akzeptanz der Krise:

 

Beobachtbar ist die Einstellung von resilienten Menschen, dass die momentan erlebte Widrigkeit eben „so ist, wie sie ist“ (vgl. Coutu, 2003).

 

Gefühle werden bewusst wahrgenommen und nicht abgespalten. Die Gefühle werden gelebt und trotzdem gelingt es der Person, eine Art Beobachterposition einzunehmen.

 

Die Beobachterposition ermöglicht einen Perspektivenwechsel wie Welter-Enderlin (2010) bemerkte und verhindert ein „Überschwemmen“ der negativ erlebten Ereignisse. Es ist wie ein „sich Zeit nehmen“, bis ein Weg aus der Krise sich abzeichnet.

 

Belastende Ereignisse lösen immer Ängste aus. Es ist wichtig, sich nicht in den Gefühlen der Angst zu verlieren. Ein archaischer Reflex des Gehirns lässt Menschen bei zuviel Angst erstarren und macht handlungsunfähig.  Je nach Art der Bedrohung ist selbst dieser Reflex des „Totstellens“ lebenserhaltend (vgl. Reddemann & Dehner-Rau, 2004).

 

Nicht jede Krise bedroht sofort die Existenz. Resiliente Menschen besitzen die Fähigkeit, die Bedrohung durch das Akzeptieren abzuschätzen und sich den erlebten Ängsten zu...

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