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Ein Papa ist keine Mama

Was ein Baby von seinem Vater braucht

AutorJosephine Schwarz-Gerö
VerlagPatmos Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783843611107
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Während die Rolle der frischgebackenen Mutter klar ist, gibt es auf der Seite des Vaters viele Fragezeichen. Lässt man einmal gesellschaftliche Forderungen und moralisierende Einstellungen, was ein Vater heute zu leisten habe, beiseite und fragt stattdessen, was das Baby von seinem Vater braucht, lichtet sich der Nebel. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass die Aufgaben von Mutter und Vater sehr unterschiedlich sind und sich für eine gute Entwicklung des Kindes ergänzen. Kurz gesagt: Die Mutter ist der Hafen, der Schutz und Geborgenheit bietet. Der Vater ist die hohe See: Hier lernt das Kleinkind Entdeckerfreude und Autonomie. Der Vater ist damit ein wichtiger Motor der Entwicklung. Josephine Schwarz-Gerö erklärt, wie ein Vater seine Rolle so ausfüllen kann, dass es allen in der Familie gut geht. So lassen sich Elternkonflikte vermeiden und auch viele Schlaf-, Schrei- und Essprobleme lösen.

Josephine Schwarz-Gerö ist leitende Oberärztin der Säuglingspsychosomatik an der Wiener Kinderklinik Glanzing/Wilhelminenspital. Ihr Spezialgebiet Fütterstörungen bei Babys und Kleinkindern lehrt sie als Dozentin des Universitätslehrgangs Frühförderung an der Universität Wien. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien.

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Leseprobe

2. Was die Wissenschaft über Babys und Eltern herausgefunden hat


Eine von jungen Vätern häufig gestellte Frage lautet: »Was kann so ein Baby eigentlich schon?« Das ist eine wunderbare Frage. Auf gewisse Weise zielt sie direkt ins Zentrum des väterlichen Universums. Während bei Müttern die Gedanken mehr um Fragen nach den Bedürfnissen ihres Babys kreisen: »Was braucht es? Wie kann ich ihm helfen?«, suchen Väter oft den Zugang von der anderen Seite, nämlich von der Seite der Fähigkeiten des Babys her. Väter haben da ganz Recht. Jenseits aller Hilflosigkeit, Abhängigkeit und Bedürftigkeit haben Babys auch noch eine andere Seite. Und diese andere Seite ist reich ausgestattet mit einer überraschenden Fülle von Befähigungen und Begabungen. Der unwiderstehliche Charme der Babys ist nur einer davon.

Die Frage »Was kann so ein Baby eigentlich schon?« beschäftigt nicht nur Väter. Inzwischen hat sich ein ganzer Wissenschaftsbereich gebildet, der sich diesem Thema widmet – die Säuglingsforschung.

Säuglingsforschung und Co


Dieser Überbegriff, der genauer gesagt »Säuglings- und Kleinkindforschung« heißt, steht heute für ein bunt zusammengetragenes Wissen aus den verschiedensten Wissenschaftsbereichen. Dazu zählen Fachleute wie Entwicklungspsychologen und Kinderärzte, ebenso wie Psychoanalytiker, Kinderpsychiater, Soziologen, Sprachwissenschaftler oder auch Verhaltensbiologen und sogar Zoologen.

Wegbereiter dieses neuen Wissenschaftsbereiches war eine in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gemachte neuartige Erfindung: die Filmtechnik. Dass Filmaufnahmen von Babys neue Erkenntnisse über diese bringen sollen, ist für so manchen verblüffend. Ist es nicht das Gleiche, ob man ein Baby beobachtet oder einen Film von dieser Beobachtung anfertigt? Was ist da der Unterschied?

Babys können zwar sehr lautstark schreien, sonst aber drücken sie sich vor allem durch Körpersprache aus, nämlich durch Gestik und Mimik. Sie verhalten sich. Dieses sogenannte »Verhalten« ist aber auch etwas sehr Flüchtiges. Kaum war es da, ist es schon wieder vorbei. »Es hat die Stirn gerunzelt, hast du es gesehen?« »Findest du? Ich glaube nicht!« Beobachtbares Verhalten existiert nur so lange, wie es eben stattfindet. Ob es überhaupt wahrgenommen wird, hängt wiederum ganz persönlich von dem ab, der es sieht oder eben nicht sieht.. Die Sichtweisen können da sehr unterschiedlich sein.

Videoaufnahmen solcher Szenen ändern das schlagartig. Sie schaffen nämlich Fakten. Und man kann sehen: Ja, das Baby hat die Stirn gerunzelt. Man kann es sogar messen und zeitlich bestimmen. Das Runzeln der Stirn begann in Minute drei und dauerte fünf Sekunden. Man kann auch versuchen, einen Zusammenhang herzustellen. Videos kann man ja sogar zurückspulen und wiederholt betrachten. Sogar den Zeitverlauf kann man ändern. Es gibt Zeitlupe oder Zeitraffer. Was war denn knapp vor dem Stirnrunzeln? Aha, ein Geräusch.

Was Babys oder Kleinkinder so tun oder wie sie auf etwas reagieren, konnte man natürlich schon immer beobachten. Aber beforschen, das heißt das Beobachtete wiederholbar und zählbar und dadurch auch zu überprüfbarem Wissen machen, konnte man es erst seit Entdeckung des Films. Was hat man da alles herausgefunden? Was waren die ersten Fragen, die man über Babys gestellt hat? Eigentlich ähneln diese Fragen jenen, die mir auch Väter so oft stellten: Was sieht ein Baby? Was bekommt es mit von dem, was ich tue? Was interessiert ein Baby? Was bevorzugt ein Baby? Bald wurden daraus aber auch komplexere Fragen. Was weiß ein Baby über die Welt, wenn es zur Welt kommt? Wie lernt ein Baby?

Zum Beispiel über das Sehen: Alles in zwanzig Zentimeter Entfernung können Neugeborene schon scharf sehen. Das macht auch Sinn, denn es ist in etwa die Distanz zu dem Gesicht jenes Menschen, der einen im Arm hält. Dahinter sehen Neugeborene noch alles verschwommen. Auch das ergibt Sinn, denn dadurch entsteht eine Art Reizschutz. Vieles, was in diesem Alter Angst machen könnte, ist unscharf und verliert so an Bedeutung. Es verkleinert die Welt und reduziert sie auf das für das kleine Baby Wesentliche. Zu Anfang lieben sie Kontraste. Schwarz-Weiß-Muster zum Beispiel sind bei Babys total in. Vielleicht betrachten sie auch deshalb so gerne Haargrenzen und schwarze Brillenfassungen.

Allmählich zunehmend bis zum sechsten Lebensmonat können Babys dann schon so gut sehen wie Erwachsene. Es ist ein Alter, in dem Kinder bereits etwas Kontrolle über ihren Körper bekommen. Die Hände können dann schon gezielt zugreifen und sich etwas in den Mund stecken. Der ganze Körper kann sich jetzt zunehmend etwas Interessantem zuwenden. Dinge in weiterer Entfernung zu sehen, motiviert nämlich dazu, sie auch erreichen zu wollen. Was ein Baby sieht, will es ganz selbstverständlich auch anfassen und sehr bald auch in den Mund stecken. Gut sehen zu können, wird dadurch auch zu einer Art Motor für körperliche Fähigkeiten. Wir Menschen sind schon von Beginn an sehr neugierig!

Babys befragen

Über das Sehen und Anschauen diverser Objekte hat die Säuglingsforschung eine Reihe weiterer Untersuchungen gemacht. Eigentlich ist die Art, wie Babys Dinge betrachten, direkt ein Kernstück dieses Forschungszweiges: Man kann Babys nämlich damit richtiggehend befragen.

Das geht allerdings nur unter bestimmten Umständen. Sie dürfen nicht gerade mit sich selbst beschäftigt sein; also zum Beispiel, wenn sie müde oder hungrig sind oder Bauchweh haben. Speziell bei kleinen Babys unter drei Monaten ist die Zeitspanne, in der sie nicht mit solchen körperlichen Wichtigkeiten beschäftigt sind, noch sehr kurz. Wann genau sie bereit für Informationen von außen sind, kann man ihnen aber im wahrsten Sinne des Wortes vom Gesicht ablesen. Im Zustand der sogenannten »ruhigen Aufmerksamkeit« scheint sich alles auf die Augen zu konzentrieren. Babys Augen sind dann weit geöffnet, während sonst alles ruhig und entspannt ist. Der Körper hält still. Im Gesicht ist kaum Mimik zu sehen. Nicht einmal die Stirne runzelt sich. Alles ist auf »Empfang« geschaltet.

Was Babys interessiert, sehen sie an. Zum Beispiel etwas Neues. Was sie nicht interessiert, übersehen sie. Sie sind da ganz ähnlich wie wir Erwachsenen. Was wir täglich vor Augen haben, verliert an Wichtigkeit. In manchen Dingen können wir ja wortwörtlich betriebsblind werden.

Als die Forscher also wissen wollten: »Erkennen Babys überhaupt, ob ein Gegenstand für sie neu ist? Machen sie einen Unterschied zwischen Bekanntem und Unbekanntem?« So gab einem die Zeitdauer des Betrachtens eine Antwort. Neues scheint Babys mehr zu interessieren als etwas, was sie laufend vor Augen haben. Neues betrachten sie länger als etwas, was sie bereits kennen. Sie machen einen Unterschied.

Man kann sie sogar befragen: »Erkennst du den Gegenstand wieder?« Denn hat man etwas dem Baby Wohlvertrautes (welches sie eventuell kaum mehr eines Blickes würdigten), für einige Zeit verschwinden lassen und zeigt es dann wieder her, machen sie erneut einen Unterschied. Sie betrachten es nun wiederum für längere Zeit. Auch hier wird verständlich, warum Videoaufnahmen solcher Szenen für die Säuglingsforschung so wichtig waren. Wenn, wie in diesem Fall, die Zeitdauer den Unterschied macht, musste man das ja abstoppen, bestimmen und Vergleiche anstellen können.

Aber nicht nur in der Wissenschaft, auch im normalen Leben kann man auf diese Weise Babys befragen. Ich selbst wende es zum Beispiel an, wenn ich nicht weiß, ob ein Flaschenkind gerade hungrig ist oder nicht (und kein Zuständiger in der Nähe ist, der mir sagen kann, wann das Kind zuletzt getrunken hat). Ich präsentiere eine Flasche. Ist man nämlich hungrig und ein Flaschenkind, dann ist so eine Flasche – zumindest im Augenblick – eindeutig interessant. Und was interessant ist, wird – angeschaut. Ein wirklich hungriges Baby lässt die Flasche unter Umständen gar nicht mehr aus den Augen. »Ja! Genau richtig!«, scheint das zu heißen. Für ein sattes Baby hingegen gilt: Es gibt es nichts Langweiligeres als so eine Flasche. Täglich schon zigmal gesehen und im Augenblick völlig nutzlos. Gähn. Manche Babys lassen den Blick nicht nur gelangweilt darüber hinweggleiten, sondern scheinen das uninteressante Ding sogar aktiv übersehen zu wollen. Überall und rund um die Flasche herum wird geschaut, nur keinesfalls auf die Flasche vor der Nase. Man könnte es fast als »Bitte nimm das weg!« übersetzen. Zu glauben, das arme hilflose Baby sieht einfach die Flasche vor seinen Augen nicht, ist natürlich eine ziemliche Unterschätzung seiner Fähigkeiten.

Sogar über ihr Wissen über die Welt hat man Babys mithilfe des Prinzips der Blickdauer schon befragt. Präsentiert man ihnen Unwahrscheinliches, indem man (technisch präparierte) ganze Dinge in der Luft scheinbar plötzlich zerspringen lässt, scheinen Babys sich aufrichtig zu wundern. Solche »Wunder« werden besonders lange angesehen.

Auch über die Mechanik wissen Menschenbabys schon sehr früh Bescheid. Rollt eine Kugel hinter einen Paravent und verschwindet dort, richten sie den Blick dorthin, wo diese nach den Regeln der Rollbahn auch wiederauftauchen sollte.

Und Babys verstehen sogar so etwas wie den Dopplereffekt! Das ist das physikalische Phänomen, dass man sich Näherndes und sich Entfernendes am Geräusch unterscheiden kann. Bei einem heranfahrenden Zug wird das Geräusch immer lauter. Entfernt er sich, wird das Geräusch immer leiser. Mit ausgeklügelten Apparaturen hat man bei diesen Experimenten fünfmonatigen Babys (in guter Sichtweite!) also gleichzeitig Filme und...

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