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E-Book

Ein Pfad entsteht

Chancen eröffnen, Leben verändern

AutorNicholas D. Kristof, Sheryl WuDunn
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl395 Seiten
ISBN9783406683121
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Rachel wünscht sich zu ihrem neunten Geburtstag nur ein wenig Geld: 300 Dollar, damit in armen Gegenden der Welt neue Brunnen gebaut werden können. Als das Geld nicht zusammenkommt, ist sie enttäuscht. Erst als sie wenig später nach einem Autounfall im Koma liegt, lassen sich die Menschen von ihrem großen Herzen bewegen und spenden. Am Ende sind es über eine Million Dollar - genug, um 37.000 Menschen mit sauberem Wasser zu versorgen. Soziale Ungerechtigkeit herrscht überall - auf anderen Kontinenten und vor unserer eigenen Tür. Zahllose Menschen verurteilt sie schon als Kinder zu einem Leben in Armut. Doch Kinder sind zu jung, als dass man sie scheitern lassen dürfte. Das neue Buch der Pulitzer-Preisträger Nicholas Kristof und Sheryl WuDunn zeigt, wie jeder von uns auch mit einfachen Mitteln zwar die Welt nicht retten, aber Unglaubliches bewirken und das Leben anderer für immer verändern kann. In ihren sorgfältig recherchierten, bewegenden Reportagen berichten Kristof und WuDunn von den wahren Ursachen der Ungleichheit. Wichtiger noch: Sie machen Mut. Denn sie erklären, wie wir wirklich etwas verändern können. Und sie erzählen von Menschen, die mit ihrer Intelligenz, ihrer Beharrlichkeit, ihrer Phantasie anderen die Chance für ein besseres Leben eröffnet haben. Wir müssen keine Heiligen sein, um anderen zu helfen. Denn 'niemand ist je vom Geben arm geworden' (Anne Frank).

Sheryl WuDunn hat für die New York Times als Wirtschaftsredakteurin und als Auslandskorrespondentin in Tokio und Peking gearbeitet. Nicholas D. Kristof, hier beim Interview, erhielt einen zweiten Pulitzer-Preis für seine Kolumnen über Darfur in der New York Times, für die er auch als Büroleiter in Hongkong, Peking und Tokio tätig war. Nicholas D. Kristof und Sheryl WuDunn sind das erste verheiratete Journalistenpaar, das mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde, gemeinsam geehrt für ihre Berichterstattung über China als Korrespondenten der New York Times.

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Leseprobe

KAPITEL ZWEI

Ein Tropfen auf den heißen Stein


Schon ein Einzelner
kann viel bewirken,
und jeder sollte es versuchen.

John F. Kennedy

Rashida Yayé, ein Mädchen aus dem westafrikanischen Land Niger, kam mit einem der weltweit häufigsten Geburtsfehler zur Welt, einem Klumpfuß. Ungefähr eines von tausend Babys wird mit diesem körperlichen Defekt geboren, bei dem ein Fuß (oder beide) in die falsche Richtung zeigt.[1] (Jane Kristof, Nicks Mutter, hatte bei ihrer Geburt einem Klumpfuß.) In den Vereinigten Staaten und in Europa korrigieren Ärzte diese Fehlstellung, indem sie den Fuß mit Hilfe mehrerer aufeinanderfolgender Gipsformen drehen, und nach wenigen Monaten ist das Problem gelöst. Weil diese wirksame Behandlungstechnik existiert und keine dauerhafte Entstellung zurückbleibt, sehen wir im Westen fast nie einen Klumpfuß und realisieren deshalb auch nicht, wie häufig er vorkommt. Bis wir dieses Buch schrieben, wussten wir nicht einmal, dass Nicks Mutter einen Klumpfuß hatte. Wir wären auch nie auf den Gedanken gekommen, denn sie ist mit ihren über 80 Jahren noch sehr gut zu Fuß.

Im Westen ist das nichts Besonderes. Kristi Yamaguchi, Olympiasiegerin im Eiskunstlauf und ein Ausbund an Anmut und Schönheit, kam mit einem Klumpfuß zur Welt, desgleichen Mia Hamm, die in internationalen Spielen mehr Tore geschossen hat als irgend eine andere Fußballspielerin. So viele amerikanische Berufssportler starteten ihr Leben mit diesem Handikap, dass die San Francisco Giants sich zum Sportverein mit den meisten mit Klumpfuß geborenen Athleten erklärten.

In armen Ländern dagegen erhalten Kinder wie Rashida oft keine die Fehlstellung korrigierende Behandlung. Das Laufen oder sogar das Gehen fällt ihnen schwer, und sie werden als Behinderte stigmatisiert oder sogar verflucht. Kinder mit Klumpfuß werden häufig nicht zur Schule geschickt, haben kaum Aussicht, einen Ehepartner oder eine Arbeitsstelle zu finden. Sie schlagen sich gewöhnlich als Bettler durch, Zielscheiben von Verachtung und Spott – und das alles nur wegen des Ausbleibens einer einfachen Therapie, die um die 250 Euro kostet.

Wenn ein mit Klumpfuß (oder gar zwei Klumpfüßen) geborenes Kind keine Behandlung bekommt, wird es womöglich nie richtig laufen lernen und später keine Arbeit finden

Wir alle werden mit Briefen und E-Mails zugeschüttet, die um Geldspenden bitten. Wir wollen helfen, aber die Probleme unserer Gegenwart, von der Bandenkriminalität in amerikanischen Städten bis zu Krankheitskatastrophen in Indien, erscheinen uns so überwältigend und allgegenwärtig, dass wir uns oft vor Schreck abwenden. Was kann eine mickrige Spende schon Gutes bewirken?

Die Wahrheit ist, dass, wie in den letzten Jahren zunehmend deutlich geworden ist, selbst bescheidene Geldsummen einen Beitrag zur Überwindung von Krankheiten oder zur Linderung von Hunger leisten können; neue Erkenntnisse eröffnen Hilfsorganisationen die Möglichkeit, wirksamer als früher Leben zu retten und den Teufelskreis der Armut zu durchbrechen. Ein Polizist, der einen Mitbürger vor den Schüssen eines Amokläufers beschützt, wird zu Recht ausgezeichnet. Es gibt aber zahlreiche Mittel und Wege, Leben zu retten. In Kenia kam eine wissenschaftliche Untersuchung unter Anwendung der strengsten Beweisführungsmethoden zu dem Ergebnis, dass Moskitonetze für Kinderbetten, die von einer Gruppe namens TAMTAM Africa verteilt werden, das Leben eines Kindes für 290 Euro retten. Ein solches Resultat für eine so bescheidene Geldsumme lässt sich sicher nicht immer und überall erzielen, aber viele Maßnahmen – zum Beispiel die Verabreichung von Vitamin A, Zink oder anderen Spurenelementen an Kinder oder Impfprogramme – retten Menschenleben für höchstens 2000 Euro pro Fall.[2] Nach Angaben von Bill Gates retten die Investitionen, die seine Stiftung tätigt, Menschenleben zum Preis von rund 2000 Euro. Susan E. Horton, Wirtschaftswissenschaftlerin an der University of Waterloo in Kanada, hat sich auf die Analyse solcher Berechnungen spezialisiert und kommt zu dem Ergebnis, dass selbst ein höherer Preis für ein gerettetes Leben eine lohnende Investition ist. «Wenn Sie für 5000 Dollar ein Leben retten können, ist das immer noch ziemlich unglaublich», sagt sie.

Diese Programme retten nicht nur Menschenleben; sie lassen auch gesündere Kinder heranwachsen. Moskitonetze im Wert von 5000 Dollar können Dutzende Kinder vor Krankheit und Verkrüppelung bewahren. Geld, das in die Verteilung von Vitamin A investiert wird, kann Erblindung verhindern. Es gibt kaum ein besseres «Geschäft» als das Investieren in die Gesundheit von Kindern; das zeigt beispielhaft der ärztliche Eingriff, der das Leben von Rashida Yayé verändert hat.

Als Shoshana Kline aus Venice in Kalifornien von einer amerikanischen Hilfsorganisation namens FirstStep per Rundbrief angeschrieben wurde, war sie elektrisiert. Ihr Briefkasten quoll über von Spendenaufrufen für andere Anliegen in aller Welt, doch die Fotos auf diesem Kuvert sprangen ihr ins Auge, weil sie selbst mit einem schlimmen Klumpfuß auf die Welt gekommen war. In ihrer Familie wurde erzählt, ihr erster Kinderarzt habe ihren Eltern eröffnet, dass Shoshana nie in der Lage sein würde, zu laufen. «Meine Eltern waren am Boden zerstört», sagt sie. Natürlich erinnert sie sich nicht mehr daran, aber «es gibt tausend Fotos von damals – alle meine Babybilder zeigen mich mit diesen entsetzlichen Gipsformen an meinen Füßen».

Die Gipsformen korrigierten ihren Klumpfuß, und so konnte sie sich später in der Oberschule und am College als Sportlerin auszeichnen. «Ich habe nicht nur normale Beine, sondern war sehr gut in Sport», erzählt sie. «Die Vorstellung, dass es in anderen Ländern Menschen gibt, bei denen das nicht behandelt und korrigiert wird, macht mir zu schaffen.» Absender des Briefes von FirstStep war Brian Mullaney, der ehemalige Direktor einer Hilfsgruppe namens Smile Train, von deren Mitarbeit im Kampf gegen eine Missbildung namens Wolfsrachen Shoshana Kline gehört hatte; so füllte sie einen Scheck über 250 Dollar aus und schickte ihn ein.

Shoshana Kline aus Kalifornien, die als Kind selbst einen Klumpfuß hatte, beschloss, einem afrikanischen Kind die Geraderichtung seines Klumpfußes zu bezahlen

«Das hat mein Leben verändert, es beschäftigt mich, und ich möchte etwas dazu beitragen», erklärte sie uns. FirstStep überwies das Geld an CURE weiter, eine Wohltätigkeitsstiftung in Pennsylvania, die 2010 in Niamey, der Hauptstadt von Niger, eine Klinik für die Korrektur von Klumpfüßen eingerichtet hatte. Niger ist eines der ärmsten Länder der Welt, und die meisten Kinder, die dort mit einem Klumpfuß geboren werden, bleiben ohne ärztliche Hilfe. «Wenn man durch die Straßen geht, sieht man viele Kinder mit Klumpfuß, die betteln», sagte uns Moutari Malam Saddi von der Klinikverwaltung, als wir die Einrichtung in Niamey besuchten. «Sie gehen nie in die Schule, werden einfach nur zu so etwas wie einem bösen Fluch für die Familie, und nach und nach akzeptieren sie diese Rolle. Sie glauben, sie wären zu nichts gut und müssten betteln gehen.»

Das war das Los, das auch auf Rashida zu warten schien. Als sie in dem abgelegenen Bauerndorf Torodi im äußersten Westen Nigers, unweit der Grenze zu Burkina Faso, auf die Welt kam, hatte sie zwei Klumpfüße, was nicht ungewöhnlich ist. Torodi ist eine Ansammlung von Lehmhütten mit Strohdächern, ein paar Brunnen, einer Moschee mit Wänden aus Lehmziegeln und mit Feldern ringsumher, auf denen Hirse angebaut wird. Nicht viele der Bauern können lesen, und niemand hat elektrischen Strom oder fließendes Wasser. Im Lauf der Jahre wurden in Torodi immer wieder Kinder mit Klumpfuß geboren, und keines bekam ärztliche Hilfe. In einem Land, in dem Söhne einen sehr viel höheren Stellenwert haben als Töchter, war es Rashida allem Anschein nach vorbestimmt, als Behinderte aufzuwachsen, ohne Chance, laufen zu lernen, arbeiten oder eine Schule besuchen zu können.

»Ich hielt es für unmöglich, dass meine Tochter geheilt werden kann», sagte uns ihr Vater Yayé Hamma, Bauer und Teeverkäufer. Er nahm Rashidas Missbildung zunächst als Schicksalsschlag hin. Er hat allerdings nur drei Kinder, weniger als die meisten anderen Dorfbewohner, und entwickelte eine besondere Vorliebe für Rashidas quirliges und warmherziges Naturell. Die Vorstellung, dass sie zum Gespött der Leute werden und als Bettlerin enden würde, brach ihm das Herz. So suchte er mit ihr einen Arzt in der Nähe auf, der zwar selbst nicht helfen konnte, aber gehört hatte, dass in Niamey gerade eine neue ausländische Klinik eröffnet worden war, an der Klumpfüße behandelt werden konnten. Es war ein Wagnis mit sehr unsicherem Ausgang, aber Yayé war entschlossen, diese Klinik zu finden und sich um ärztliche Hilfe für die mittlerweile zwei Jahre alte Rashida zu bemühen. Vergeblich bat er Freunde, ihm beim Aufbringen der Fahrtkosten zu helfen. «Die Leute sagten, ich würde mein Geld vergeuden», erzählte...

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