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Ein Reattributionstraining für die Grundschule. Wie die individuelle Rückmeldung Lernleistungen und Motivation der Lernenden verbessern kann

AutorVanessa Brandt
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl106 Seiten
ISBN9783656651420
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Pädagogik - Pädagogische Psychologie, Note: 1,0, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Sprache: Deutsch, Abstract: Diese Arbeit befasst sich mit der Auswirkung der individuellen Rückmeldung auf die Lernleistung, die Motivation und auf den Attributionsstil der Schülerinnen und Schüler. Im Theorieteil werden die Themen Motivation, Attribution, Reattributionstrainings und Feedback und die Zusammenhänge wissenschaftlich dargelegt. Die dargestellten Zusammenhänge werden mit einer empirischen Untersuchung, die in einer Grundschule durchgeführt wurde, bestätigt. Durchgeführt wurde ein Reattributionstraining in Form von schriftlichen und mündlichen individuellen Rückmeldungen zu Leistungen im Fach Mathematik.

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Leseprobe

2. Kausalattribution


 

In diesem Kapitel geht es darum, zu klären, was unter Kausalattribution verstanden wird und wie sich das Verständnis der Kausalattribution entwickelt hat. Zudem ist der Zusammenhang zwischen Lernleistung eines Schülers und der Kausalattribution zu erläutern, um die Bedeutung der Attributionstheorie für die Arbeit als Lehrperson herauszustellen. Dafür ist festzuhalten, dass es dem menschlichen Wesen entspricht, das Bedürfnis zu verspüren, Ereignisse „unter bestimmten Bedingungen kausal zu verknüpfen“ (Meyer W.-U. , 1973).

 

2.1. Definition von Attribution und Attributionstheorien


 

Die Attributionstheorien stützen sich auf die Annahme, dass Menschen das generelle Bedürfnis verspüren, „ihre Umwelt zu verstehen und zu erklären“ (Wilbert, 2010, S. 65). Fragt eine Person nach Gründen für einen Erfolg oder Misserfolg und die Antworten auf diese Frage führen zu vermuteten Ursachen, „die mehr oder weniger zutreffend sein können“ (Langfeldt, 2006, S. 53), so nennt man diesen Prozess der Ursachenvermutung Kausalattribution. Attributionen sind demnach wahrgenommen Ursachen. Zu beachten ist dabei, dass die Ursachenzuschreibung rein subjektiv ist und nicht immer der Realität entspricht.

 

Das Forschungsfeld der Attributionstheorien wird den Alltagstheorien bzw. den naiven Theorien zugeordnet. Darunter versteht man die Theorien, die auf die „Alltagspsychologie des Mannes auf der Straße“ (Meyer W.-U. , 1973) zurückgreifen. Im Alltagsleben interpretieren wir die Handlungen anderer und stellen Überlegungen an, was sie unter bestimmten Bedingungen tun werden.

 

Anhand eines Beispiels möchte ich das theoretische Konstrukt der Attributionstheorie greifbarer machen: Beobachtet man im Vorbeigehen an einem Klassenraum, wie eine Lehrkraft mit einem Schüler schimpft, während alle anderen Kinder schon auf dem Pausenhof sind, macht man sich als Beobachter automatisch ein Bild von der Situation. Man sammelt Ideen über die Ursache der Aufregung seitens der Lehrkraft, wie beispielsweise ein schlechtes Sozialverhalten in der vorhergehenden Stunde oder wiederholtes Vergessen der Hausaufgaben. Der Beobachter sammelt Erklärungen für die Situation, während sie noch andauert. Es ist aber zu beachtet, dass die Erklärungen keinesfalls der Wahrheit entsprechen müssen. Die Ursachenzuschreibungen sind, wie oben erwähnt, rein subjektiv. Je länger die Situation beobachtet wird, desto wahrscheinlicher kann der Beobachter begründbare Ursachen zuschreiben.

 

Während der Betrachter der Situation weitergehen kann, da er keine Konsequenzen zu befürchten hat, und somit dessen Ursachenerklärungen irrelevant sind, spielen die Ursachenzuschreibungen der Lehrkraft und des Schülers eine wesentliche Rolle. Nehmen wir an, der Grund für die Situation ist das Vergessen der Hausaufgaben. Schreibt der Schüler seine Faulheit oder Vergesslichkeit der fehlenden Hausaufgaben zu und entschuldigt sich, wird er wahrscheinlich den Rest der Pause auf dem Pausenhof verbringen können. Nimmt er als Ursache aber die mangelnde Kompetenz der Lehrkraft, der Klasse die Hausaufgaben zu erklären und damit bearbeitbar zu machen, an, so wird die Situation vermutlich andere Konsequenzen nach sich ziehen. Folglich sind für die Attributionsforschung nicht die Handlungen entscheidend, sondern der Prozess der Ursachenzuschreibungen und die gefunden Erklärungen selbst.

 

2.2. Entwicklung der Attributionstheorie


 

Ihren Ursprung hat die Attributionstheorie in der Theorie der erlernten Hilflosigkeit. Die Theorie der erlernten Hilflosigkeit soll im Folgenden erläutert werden. Sie wurde nach einiger Zeit kritisiert und reformuliert, was im Wesentlichen zu den Dimensionskonzepten der Attributionstheorie und dem Kovariationsprinzip nach Kelley führte.

 

2.2.1. Die erlernte Hilflosigkeit


 

Die Theorie der erlernten Hilflosigkeit kann als Vorläufer der Attributionstheorien verstanden werden. Ihr Ursprung liegt in Studien von Martin E.P. Seligman. Er beschreibt die Hilflosigkeit als „psychologischen Zustand, der häufig hervorgerufen wird, wenn Ereignisse unkontrollierbar sind“ (Seligman, 1999, S. 8). Demnach kann ein Gefühl der Hilflosigkeit auftreten, wenn eine Person das Gefühl hat, den Ausgang einer Handlung nicht beeinflussen zu können. Erstmals trat das Phänomen in einem Tierversuch mit Hunden auf. In dem Experiment erhielten Hunden, die durch das pawlowsche Geschirr nicht fliehen konnten, durch ein Signal angekündigte Elektroschocks. In der zweiten Versuchsphase konnten sich die Hunde frei bewegen, doch sie lernten nicht dem angekündigten Elektroschock zu entkommen. Tiere, die zuvor nicht die Erfahrung gemacht hatten, nicht fliehen zu können, lernten schnell den Schocks auszuweichen. Seligman erklärte, dass die Hunde in der ersten Phase das Ereignis als unkontrollierbar wahrgenommen haben. Das führte dazu, dass sie auch in der zweiten Phase erwarteten, dass die Ereignisse unabhängig von ihren Reaktionen eintreten. Folglich reagiert das Tier aufgrund der Vorerfahrung hilflos (Reinhberg & Vollmeyer, 2012).

 

Bezogen auf den Menschen wurde die Theorie der erlernten Hilflosigkeit beispielsweise dazu verwendet, die Entstehung, Aufrechterhaltung und Behandlung bestimmter depressiver Störungen zu erklären. (Stiensmeier-Pelster, Schürmann, Eckert, & Pelster, 1994). In der pädagogischen Psychologie soll die Theorie erklären, warum die Leistungsergebnisse bestimmter Schüler hinter deren Möglichkeiten bleiben.

 

Als Beispiel wird in der Literatur häufig das Handeln von Mädchen im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich genannt. Das Verhalten der Mädchen gleicht dem Verhalten hilfloser Menschen. Häufig hört man Sätze wie „Egal, wie viel ich lerne, ich werde Mathe nie verstehen“, „Meine Mama hatte in Mathe auch immer eine 5“, „Ich bin ein Mädchen, ich versteh das einfach nicht“. Die Mädchen zeigen in diesem Bereich wenig Selbstvertrauen, haben eine größere Angst und ihr Interesse für mathematisch-naturwissenschaftliche Fächer ist gering. Dabei ist es nicht wissenschaftlich erwiesen, dass Jungen bessere Voraussetzungen in diesen Fächern haben. Dennoch zeigen Studien zur Lage der Mädchen im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich, dass „objektiv gleich Sachverhalte unterschiedlich attribuiert werden und zu nahezu entgegengesetzten Konstruktionen der Realität führen“ (Ziegler & Schober, 2001, S. 8). Die Mädchen führen Misserfolge auf die eigene Begabung zurück und Erfolge auf Glück und Zufall. Zu beachten ist, dass hier nicht von Mädchen im Allgemeinen die Rede ist, sondern nur von einem Teil.

 

Der Attributionsstil von hilflosen Menschen ist demnach dadurch gekennzeichnet, dass diese Personen dazu neigen, negative Ereignisse überwiegend auf internale, stabile und globale Ursachen zurückzuführen und positive Ereignisse auf externale, stabile und spezifische Ursachen (Stiensmeier-Pelster, Schürmann, Eckert, & Pelster, 1994). Nur wie kommt es zu einem so pessimistischen Attributionsstil? Im Folgenden beziehe ich mich überwiegend auf Steiensmeier-Pelster (1988) und auf Seligman (1999). Seligman geht davon aus, dass der zu Hilflosigkeit führende Prozess durch drei Schritte gegliedert ist. Der erste Schritt ist, dass eine Person die Unkontrollierbarkeit von Ereignissen und Handlungsergebnissen wahrnimmt. Unkontrollierbar bedeutet, dass die Person durch ihre Reaktionen keinen Einfluss auf das Handlungsergebnis nehmen kann (s. Kapitel 2.3.). Zu beachten ist, dass die Wahrnehmung der Unkontrollierbarkeit von Handlungs-ergebnissen subjektiv ist. Um auf das Beispiel von den Mädchen in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern zurückzukommen, empfindet die Schülerin das Leistungsergebnis unkontrollierbar, wenn sie es auf ihre eigene Begabung in dem Fach zurückführt. Da sie keinen Einfluss auf ihre mathematische Intelligenz hat, sieht sie keine Möglichkeit, das Ergebnis zu verändern. Der zweite Schritt ist das Erwarten von zukünftiger Unkontrollierbarkeit. Schreibt das besagte Mädchen eine schlechte Mathematikarbeit aufgrund ihrer empfundenen mangelnden Begabung, so wird sie auch in Zukunft unabhängig von ihrer Handlung eine schlechte Mathematiknote erwarten. Im dritten Schritt entwickeln sich sogenannte Hilflosigkeitsdefizite. Das Mädchen erfährt ein motivationales Defizit. Des Weiteren erkennt es die Abhängigkeit zwischen der Reaktion und dem Auftreten von Ereignissen nicht mehr, was als kognitives Defizit bezeichnet wird. Daraus ergibt sich das emotionale Defizit, was durch Ängste bis hin zu Depressionen gekennzeichnet ist. Im schlimmsten Fall kann sich die Einstellung, dass Erfolg und Misserfolg unabhängig vom eigenen Handeln sind, auf andere Aufgaben bzw. Bereiche generalisieren.

 

Im schulischen Kontext hat die erlernte Hilflosigkeit, abgesehen von den Mädchen, deren Verhalten dem von hilflosen Menschen ähnelt, folgende Bedeutung: Ist ein Schüler der Meinung, dass er unfähig ist und dass Erfolg nur vom eigenen Glück abhängt, so findet er keinen Grund, sich auf die nächste Aufgabe vorzubereiten. Daraufhin erfährt er höchstwahrscheinlich wieder einen Misserfolg, was zu einem Kreislauf führt. Irgendwann ist der Schüler tatsächlich nicht mehr in der Lage, die geforderten Leistungen zu erbringen, was zum...

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