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Eine Leiche im Landwehrkanal. Die Ermordung Rosa Luxemburgs

AutorKlaus Gietinger
VerlagEdition Nautilus
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783960540977
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
100. Jahrestag der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 15. Januar 2019 Die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ist eine der großen Tragödien des 20. Jahrhunderts. Kaum ein politischer Mord hat so sehr die Gemüter bewegt und das politische Klima in Deutschland verändert wie jener in der Nacht vom 15. auf den 16. Januar 1919 vor dem Hotel mit dem paradiesischen Namen Eden. Der Mord war Auftakt für weitere politische Morde, da begann jener schauerliche Zug von Toten, fortgesetzt im März 1919, und ging weiter die ganzen Jahre und Jahre, Gemordete und Gemordete', wie Paul Levi es 1929 in seinem berühmten Plädoyer im Prozess um die Hintergründe des Mordes formulierte. Der Fall Luxemburg/Liebknecht war sozusagen der Sündenfall, 'in dem Mörder mordeten und wussten, die Gerichte versagen' (Levi). Über Jahre hinweg folgten Verdrehungen, Verdunkelungen, Vorschubleistungen, falsche Verdächtigungen und Selbstbezichtigungen der Tat. Insbesondere der Prozess vor dem Kriegsgericht der Garde-Kavallerie-Schützen-Division, der die Mörder selbst angehörten, eine Justizposse, machte aus der Tragödie eine Groteske, an der so mancher Sozialdemokrat kräftig mitwirkte. Als in den Zwanzigern das Eingeständnis eines Beteiligten und einige Jahre später mehrere Prozesse erstes Licht ins Dunkel brachten, war auch dies von juristischen Eiertänzen und politischen Rückzugsgefechten begleitet. Und so musste Ossip K. Flechtheim 1948 resigniert konstatieren: 'Wie sich im einzelnen die politische, moralische oder juristische Verantwortung auf die verschiedenen Richtungen verteilte, wird wohl eindeutig nie mehr festgestellt werden können.' Doch dann meldete sich, 1959 erst im kleinen Kreis und 1962 öffentlich, mit Waldemar Pabst einer der Verantwortlichen zu Wort, plauderte aus dem Nähkästchen und erntete wütende Proteste wegen der Dreistheit seines Geständnisses. Als dann 1966 Joseph Wulf die verloren geglaubten Akten des Kriegsgerichts der GKSD und weitere Akten der Staatsanwaltschaft aus den Jahren 1921 bis 1925 entdeckte, konnte, wenn auch gegen Widerstände, die Tat aufgeklärt werden als das, was sie war: brutaler Mord. Klaus Gietingers Realkrimi über die Ermordung Rosa Luxemburgs ist das spannend zu lesende und reich illustrierte Standardwerk, das die Hintergründe der Tat erklärt, Täter und Drahtzieher vorstellt und deren Karrieren bis zu ihrem Ableben verfolgt.

Klaus Gietinger, geb. 1955, ist Sozialwissenschaftler, Drehbuchautor und Regisseur. Er schrieb und inszenierte diverse Tatorte. Bei Nautilus erschienen 'Eine Leiche im Landwehrkanal. Die Ermordung Rosa Luxemburgs (2009, Neuausgabe 2018), 'Der Konterrevolutionär. Waldemar Pabst - eine deutsche Karriere' (2009) und 'November 1918. Der verpasste Frühling des 20. Jahrhunderts' (2018). Klaus Gietinger lebt in Saarbrücken.

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Leseprobe

Die Verhaftung


Am Vormittag des 15. Januar 1919 – alle strategisch wichtigen Punkte Berlins waren längst in Hand der Freikorps, der Widerstand der Aufständischen erloschen, die ersten »Erschießungen auf der Flucht« praktiziert – bezog die GKSD das im Jahre 1912 erbaute Nobelhotel Eden und machte es zu ihrem Stabsquartier.48

Das Eden-Hotel stand direkt gegenüber dem Haupteingang des Zoos

Trotzdem beherbergte das Hotel auch noch zivile Gäste, wie z.B. den Reichskanzler a. D. von Bülow. Pabsts GKSD erhielt ihren Sold nicht nur von der OHL49, sondern sie wurde von den Industriellen Stinnes und Minoux direkt finanziell unterstützt50.

Pabst pflegte auch beste Kontakte zum Berliner Reichsbürgerrat und seinem Vorsitzenden, dem Bankier und Millionär Salomon Marx.51 Schließlich stand Pabst auch in Verbindung mit dem von der Großindustrie reichlich ausgestatteten Vorsitzenden der Anti-Bolschewistischen Liga, Eduard Stadtler.52

Der GKSD waren zu diesem Zeitpunkt unter anderem auch das Regiment Reinhard, die Marine-Eskadron Pflugk-Harttung und die Einwohnerwehren unterstellt.53

Pabst selbst hatte sich maßgeblich um den Aufbau dieser Wehren gekümmert.54 Schon in Dahlem hatte Noske Leutnant von Oertzen den Befehl zur Überwachung des Liebknechtschen Telefons gegeben.55 Gleichzeitig ließen Noske und Pabst gemeinsam die Post Liebknechts überwachen.56

Hetzblatt gegen Luxemburg und Liebknecht (ihre Namen stehen jeweils auf dem Lendenschurz)

In der ganzen Stadt suchten bandenähnliche Organisationen und Bürgerwehren Liebknecht und Luxemburg. Niemand sorgte sich um die Legalität dieses Unterfangens.57

Zahlreiche Spitzeldienste diverser »staatstragender Verbände« entwickelten (zum Teil in Konkurrenz miteinander) einen fieberhaften Aktionismus.58 Am wichtigsten waren dabei die »Spionageabteilungen« (Pabst) der GKSD59, der Kommandantur des Anton Fischer60 und des Regiments Reichstag61. Diese Spitzelorganisationen hatten Verbindung zu den Staatsanwälten Robert Weismann62 und Karl Zumbroich63.

Pabst gibt an, dass er zum Zeitpunkt des Umzugs von Dahlem ins Eden-Hotel noch nicht genau wusste, wo sich Luxemburg und Liebknecht aufhielten64, er aber Hinweise erhalten hatte, dass sie im Berliner Westen seien.65

Dr. Robert Weismann (1869–1942)

Am Abend des 15. Januar 1919 betraten fünf Mitglieder der Wilmersdorfer Bürgerwehr das Lokal Ecke Mannheimer / Berliner Straße, das an das Haus Mannheimer Straße 43 angrenzte.

Es waren dies der Kaufmann Bruno Lindner, der Destillateur Wilhelm Moering und drei weitere uniformierte Bürger mit Namen Jurczck (ebenfalls Kaufmann), Schwarz und Jantz.66 Sie erkundigten sich beim Wirt des Lokals über die im Nebenhaus gelegene Wohnung eines gewissen Marcusson.67

Geheimmeldung der Kaiserlichen (!) Oberpostdirektion vom 16. Januar 1919: »Der Volksbeauftragte, Oberbefehlshaber Noske und der Hauptmann Pabst von der Kavallerie-Schützen-Division in Berlin-Dahlem haben einen Kriminalbeamten schriftlich beauftragt, beim Postamt Berlin-Steglitz die Postsendungen des Rechtsanwalts Karl Liebknecht Bismarckstraße 75 zum Zwecke der Ermittlung des jetzigen Aufenthaltortes desselben, zu überwachen.«

Das Haus in der Mannheimer Straße 43 am Tag nach der »Verhaftung« Luxemburgs und Liebknechts. Davor die Bürgerwehr Wilmersdorf mit Moering und Lindner (beide mit Mütze) im Zentrum;

Das Haus in der Mannheimer Straße heute

Dort, so gaben sie später an, vermuteten sie eine spartakistische Zusammenkunft und Waffen, tatsächlich hatten sie aber Liebknecht und Luxemburg gesucht.68

Wer ihnen den »Wink« gab, ist bis heute nicht bekannt. Ohne irgendeinen Auftrag zu haben, drangen sie in die Wohnung Marcusson ein.69 »Einen Herrn, der sich im Zimmer befand und sich bei ihrer Ankunft entfernen wollte, hätten sie angehalten und auf Papiere durchsucht. Dabei hätten sie Legitimationskarten auf den Namen Liebknecht und seine Photographie gefunden. Lindner und Moering hätten ihn dann, da er sich Marcusson nannte, diese Angabe ihnen aber nicht glaubhaft erschien, zwecks Feststellung seiner Personalien im Auto nach dem Hauptquartier in der Cecilienschule gebracht.«70

Chauffiert wurde das Auto von einem Mann namens Güttinger, der Beifahrer hieß Probst. Während man Liebknecht zur Cecilienschule fuhr, verblieben Jurczck, Schwartz und Jantz in der Wohnung, um »weitere Feststellungen« vorzunehmen. Eine dort »verdächtig auffallende« Frau, Rosa Luxemburg, wurde festgesetzt.71

Gleiches geschah mit einem Mann, der gegen 21 Uhr das Haus betrat. Er wollte angeblich Liebknecht und Luxemburg fremde Ausweispapiere bringen und »wurde beim Betreten der Wohnung von den Soldaten festgenommen und durchsucht«. Es war das Mitglied der Zentrale der KPD, Wilhelm Pieck.72 An der Verhaftung von Luxemburg und Pieck beteiligte sich auch ein Mann namens Sebelin, der sich nach eigenen Angaben vor der Verhaftung Luxemburgs an das zuständige Polizei-Revier (Nr. 8 Berlin-Schöneberg) gewandt hatte und zwei uniformierte Schutzleute zur Unterstützung erhielt. Von der Cecilienschule aus teilte man zur gleichen Zeit in einem merkwürdigen Anruf der Reichskanzlei die Verhaftung Liebknechts mit. Den Anruf nahm der stellvertretende Pressechef der Reichskanzlei Robert Breuer73 entgegen.

Wilhelm Pieck (1876–1960)

Breuer wies nach eigenen Angaben den Anrufer, das Mitglied der Bürgerwehr Pollmann, darauf hin, dass die Verhaftung ohne Haftbefehl widerrechtlich sei, gleichzeitig wollte Breuer die Nachricht »der zuständigen Stelle« weitergegeben haben.74 Wen Breuer damit meinte, seinen Chef Rauscher oder gar den Volksbeauftragten Landsberg, ist unklar. Dass die zuständige Stelle nicht weiter reagierte, erklärte sich Breuer damit, »dass in den damaligen Tagen von unzuständigen Stellen täglich die wildesten Gerüchte uns mitgeteilt wurden, ganz besonders Nachrichten von Verhaftungen«75.

Ulrich Rauscher (1884–1930), Journalist, ist 1919/20 Pressechef der Regierung, Mitglied der SPD. Nach den Angaben Pabsts war er Alkoholiker;

Otto Landsberg (1869–1957), Rechtsanwalt. Volksbeauftragter. 1919 Justizminister, Sozialdemokrat

Der Vorsitzende des Bürgerrats von Wilmersdorf, Fabian, gab allerdings an, Sinn und Zweck des Anrufs von Pollmann in der Reichskanzlei sei es gewesen, zu erfahren, was man mit Liebknecht tun solle. Breuer habe ihm geantwortet, er werde darüber in fünf Minuten Bescheid erhalten. Die Bürgerwehr habe daraufhin eine halbe Stunde vergeblich auf den Rückruf gewartet.76

So wurde Liebknecht gegen 21 Uhr 30 durch Güttinger, Probst, Lindner und Moering von der Cecilienschule zum Eden-Hotel zur »Vorgesetzten Behörde«, der GKSD, transportiert. Die vier fuhren von dort aus zur Mannheimer Straße zurück und holten Luxemburg und Pieck ab. Beide wurden wie Liebknecht ins Eden-Hotel gebracht (ca. 22 Uhr).

Pabst bekundete später, er habe von der Festnahme der Spartakusführer erst erfahren, als sie ihm »sozusagen frei Haus geliefert« wurden.77 Ein jeder der an der Aktion Beteiligten erhielt durch den Vorsitzenden des Bürgerrats Fabian für den Fang die damals enorme Geldsumme von 1700 Mark.78

Den acht beteiligten Bürgerwehrmännern (darunter drei Kaufleuten) wurden zusammen 13 600 Mark Kopfgeld ausbezahlt. Der Bürgerrat von Wilmersdorf war eine Unterabteilung des schon erwähnten Reichsbürgerrats des Bankiers Marx, von dem diese »Förderung des Mittelstandes« ausging. Bruno Lindner, der Anführer der tapferen Kaufleute, hat später noch mehr Geld erhalten.

Nicht ganz so erfolgreich in Finanzdingen war das Reichsschatzamt. Hatte es sich doch genau am Tag des Doppelmordes auf die Suche nach dem sagenhaften Schatz der Bolschewisten gemacht und die Deutsche Bank – entgegen den Gepflogenheiten – angewiesen, Auskunft über Gelder von »Führern der Spartakusgruppe« zu machen »zur Sicherung von Ansprüchen des Deutschen Reiches gegen Russland«. Doch die Deutsche Bank, die im Auftrag des Reichsschatzamtes andere Banken zur Nachforschung anwies, konnte nicht damit dienen. Auf den Konten von Karl Liebknechts Bruder Theodor und denen der Ehefrau des...

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