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E-Book

Eine noble Adresse

Prominente in Berlin-Dahlem und ihre Geschichte

AutorHarry Balkow-Gölitzer
VerlagBeBra Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783839341155
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Stille Parks und breite Alleen sowie der angrenzende Grunewald mit seinen Seen lockten seit der Gründung der Villenkolonie um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert reiche - und auch nicht ganz so reiche - Leute nach Dahlem. Maler und Filmstars, Politiker und Sportler, Schriftsteller, Unternehmer, Wissenschaftler bauten hier ihre Häuser. Sie prägten auch den Lebensstil in dem mondän-beschaulichen Villenvorort, der bis heute sein besonderes Flair bewahrt hat. Wer war die Prominenz, wo wohnte, wie lebte sie? Die Autoren sind ihren Spuren nachgegangen und erzählen spannende Geschichten über sie und die Zeit, in der sie in Dahlem zu Hause waren. Knapp dreihundert Personen aus den letzten hundert Jahren werden in dem Buch vorgestellt, davon gut fünfzig mit ausführlicheren Texten.

Harry Balkow-Gölitzer, geboren 1949 in Weilar/Rhön, ist Hörfunkjournalist und Buchautor. Zuletzt erschien von ihm im be.bra verlag 'Prominente in Berlin-Lichterfelde und ihre Geschichten' (2008). Bettina Biedermann, geb. 1960 in Herne, ist Kulturwissenschaftlerin. Rüdiger Reitmeier, geb. 1959 in München, ist Germanist, Theaterwissenschaftler und Reisejournalist. Jörg Riedel, geboren 1942 in Rathenow/Havel, Diplom-Volkswirt.

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Leseprobe

Vom Dorf zur Villenkolonie


Die Bockwindmühle von Dahlem,
um 1905
.

Im 19. Jahrhundert war das Gut Dahlem noch ein kleiner dörflicher Flecken mit Kirche, Gutshaus, Wirtschaftsgebäuden, Gasthof, Getreidemühle und Brennerei. Insgesamt hatte das Dorf zwölf Wohnhäuser und zählte 1858 gerade einmal 165 Einwohner.

Rund 200 Jahre nach seiner Gründung war Dahlem in der Mitte des 15. Jahrhunderts im Besitz der Familie von Milow. Um 1560 ließen die Herren von Spiel ein Fachwerk-Herrenhaus errichten, von dem noch wesentliche Teile, so die »Kapelle« mit ihrem Sternengewölbe, erhalten sind. Nach den Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg baute der neue Gutsherr, Cuno Hans von Willmerstorff, das Herrenhaus in barocker Gestalt wieder auf. Über dem von der Straßen- zur Hofseite verlegten Haupteingang prangt das Allianzwappen der Familien von Hake und von Willmerstorff. Letztere erhielt vom König das Mühlrecht und baute in der Nähe des heutigen U-Bahnhofes Podbielskiallee eine Bockwindmühle zum Getreidemahlen.

Die letzten Bauern, die es in Dahlem gab, zwei Voll- und drei Kleinbauern, wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach Schmargendorf umgesetzt, um dem damaligen Gutsherrn, Graf Podewil, bei seinen Erweiterungsplänen nicht im Wege zu stehen. Danach gab es nur noch den Gutsbetrieb mit Landarbeitern und Tagelöhnern. Nach dem Tod des Grafen (1804) erwarb eine umstrittene Persönlichkeit Preußens das Gut: Carl Friedrich von Beyme, Kabinettsrat, Großkanzler, Wirklicher Geheimer Staatsminister, Mitglied des Staatsrates und Ehrendoktor der Berliner Universität. Nicht zuletzt aufgrund seiner vermögenden Frauen, er war zweimal verheiratet, konnte er neben Schmargendorf, Steglitz und Ruhleben auch Dahlem erwerben. Er bezog aber nicht das dortige Herrenhaus, sondern behielt seinen Sitz im Wrangel-Schlösschen in Steglitz. Auch wenn er die Domäne nicht selbst bewirtschaftet, sondern verpachtet hatte, kümmerte er sich um sein »Sorgenkind«. So entstanden in seiner Zeit eine Obstbaumallee nach Schmargendorf, eine Brennerei, und nahe bei Steglitz eine Ziegelei. Nach seinem Tod verkaufte Beymes Tochter, die wenig mit Dahlem verband, die geerbten Ländereien an den Preußischen Staat. Das Rittergut Dahlem, das rund 530 Hektar zusammenhängendes Gelände umfasste, wurde zur »Königlichen Domäne Dahlem«.

Während sich die umliegenden Bezirke Groß-Lichterfelde, Schmargendorf, Steglitz und Zehlendorf zu Berliner Vororten entwickelten, behielt Dahlem bis zum Ende des 19. Jahrhunderts seinen dörflichen Charakter. Das lag auch daran, dass man lange keine klaren Vorstellungen hatte, wie es mit dem Gut weitergehen sollte. So wurden u. a. auch Rieselfelder und ein großer Friedhof geplant. 1872 zeigte der Unternehmer Johann Anton Wilhelm Carstenn Kaufinteresse an der Domäne, um sie in Bauland umzuwandeln, scheiterte aber am Widerstand des Preußischen Finanzministers. Dieser war zwar grundsätzlich zum Verkauf bereit, wollte aber die mit dem rasanten Wachstum Berlins einhergehende Steigerung der Grundstückspreise abwarten. Das Domänengelände wurde zwischenzeitlich verpachtet.

»Die Gegend um Berlin 1790«, Karte von Reilly.

Das »Allianzwappen« der Familien von Wilmerstorff und von Hake über dem Eingangsrisalit des Herrenhauses in einer Kopie. Das Original befindet sich im Kapellengewölbe des Herrenhauses Domäne Dahlem.

1901 lief der Vertrag mit den letzten Pächtern der Domäne Dahlem aus und wurde nicht verlängert. Der Ausbau Dahlems zu einem exklusiven Villenvorort begann. Der Preußische Staat übernahm selbst die Separierung sowie den Verkauf und veräußerte das gesamte Areal nicht – wie sonst üblich – an einen einzigen (Bau-) Unternehmer, sondern an viele Privatleute. Dadurch konnte der Fiskus einerseits höhere Erlöse erzielen, andererseits aber auch Grundstücksspekulationen vermeiden. Zum Zweck der Umwandlung Dahlems in eine Villenkolonie wurde eine »Kommission zur Aufteilung der Domäne Dahlem« gebildet.« Sie hatte fünf Mitglieder und unterstand den preußischen Ministerien für Finanzen sowie für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. Neben dem Vorsitzenden Hugo Thiel, Ministerialdirektor im Landwirtschaftsministerium, war auch der Architekt Walter Kyllmann zum Mitglied der Kommission berufen worden. Kyllmann erstellte einen Bebauungsplan für Dahlem, der nur noch wenig Fläche für die landwirtschaftliche Nutzung vorsah, und als Grundlage für die Parzellierung des Geländes diente. Berücksichtigt wurden auch Pläne von Friedrich Althoff vom Preußischen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten, die eine Verlegung von Teilen der Friedrich-Wilhelms-Universität nach Dahlem vorsahen. Auf persönliche Intervention Kaiser Wilhelms II. wurden weitere Flächen für staatliche Zwecke reserviert. Schon 1898 hatte das Reichsgesundheitsamt eine große Fläche der Domäne Dahlem erworben, um dort ein Versuchsfeld zur Bekämpfung von Tierseuchen anzulegen (Königin-Luise-Straße 17-19); 1906 kaufte das Amt noch einmal Domänenbesitz, diesmal an der Berlin-Potsdamer Chaussee (heute: Unter den Eichen 82-84).

Grußkarte mit »Altem Krug« und Herrenhaus vor 1908.

Kyllmanns Pläne zur Villenkolonie, die schnurgerade und rechtwinklig zueinander verlaufende Straßen vorsahen, erfuhren im Laufe der Zeit viele Änderungen. Schließlich entwickelte Heinrich Schweitzer auf Veranlassung Thiels ein Konzept, das die topographischen Gegebenheiten Dahlems berücksichtigte und mit Hilfe des Architekten und Städteplaners Hermann Jansen umgesetzt wurde. Die Erhaltung und der Ausbau des »Schwarzen Grundes« zu einer großzügigen Parkanlage gehen auf diese Entwürfe zurück.

Die Besiedelung Dahlems sollte nur wohlhabenden Bewohnern vorbehalten bleiben, die in der Lage waren, die hohen Grundstückspreise zu bezahlen. Der Bau von Arbeiterwohnungen komme nicht in Betracht, da sich die »gehobenen Schichten« durch die Nähe des »Proletariats« gestört fühlen und dann Abstand von weiteren Grundstückskäufen nehmen könnten, argumentierte die Aufteilungskommission.1 Dennoch bildete sich in Dahlem im Laufe der Jahre neben dem gehobenen Bürgertum eine Mittelschicht von Kaufleuten und Beamten heraus.

Befestigte Straßen waren eine wichtige Voraussetzung für den Ausbau der Villenkolonie. Zwar hatte das preußische Finanzministerium 1889 eine Chaussee, die heutige Königin-Luise-Straße, von Steglitz zum Jagdschloss Grunewald bauen lassen, doch mit den umliegenden Dörfern war Dahlem nur durch Feld- und Waldwege verbunden. 1901 entstand die Altensteinstraße. Dort erwarb der Kunstmaler Hans Koberstein die erste Parzelle in Dahlem (Altensteinstraße 17). Zwischen 1901 und 1915 verkaufte die Aufteilungskommission 539 Grundstücke für 27 Millionen Mark. Jeder Käufer musste sich verpflichten, innerhalb von zwei Jahren ein villenartiges Landhaus zu bauen. Bei Terminüberschreitung war für jedes Jahr ein Bußgeld von 1.000 Mark fällig. Bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs entstanden so 384 Neubauten, und die Einwohnerzahl wuchs von 194 auf 5.500.

Gesellschaftlicher Mittelpunkt war viele Jahre der »Alte Krug« in der Königin-Luise-Straße 52. Gottlieb Marks hatte 1889 die kleine Gaststätte übernommen und ließ sie zu einem großen Wirtshaus mit Garten und Kegelbahn umbauen. Nach seinem Tod 1898 führte sein Sohn Friedrich Marks das inzwischen weit bekannte Haus weiter. Im »Alten Krug« fanden regelmäßig die Sitzungen des »Ortsvereins Dahlem«, des »Dahlemer Kriegervereins« und der »Königlichen Kommission zur Aufteilung der Domäne Dahlem« statt. 1911 hatte sich die Pachtsumme für den Gasthof auf das Dreifache erhöht. Friedrich Marks verließ Dahlem, kam jedoch später zurück und übernahm das »Landhaus Dahlem« in der Podbielskiallee 50. Das wurde viele Jahre später unter dem Namen »Eierschale« zu einem beliebten Ausflugs- und Musiklokal für Einheimische und Touristen.

Der »Alte Krug« war ab 1901 Tagungsort der »Königlichen Kommission zur Aufteilung der Domäne Dahlem«. Noch fuhr durch Dahlem die Straßenbahn. Postkarte 1908.

Bauernhaus an der Dahlemer Straße (heute Fabeckstraße).

Die städtebauliche Idee, vor den Toren der Städte Villenviertel anzulegen, stammte in ihrer neuzeitlichen Form aus England. 1860 hatte sie Johann August Wilhelm Carstenn bei der Gründung von Lichterfelde erstmals in Berlin praktiziert. 1869 begann die Besiedelung der »Alsen-Kolonie« in Wannsee, 1889 folgte die Gründung der Villenkolonie Grunewald, 1900 Zehlendorf und Nikolassee und schließlich...

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