Das folgende Kapitel soll der Arbeit als theoretische Grundlage und strukturierender Leitfaden dienen. In einem ersten Schritt wird die Bedeutung des Stadtimages im Kontext eines zunehmenden Verständnisses der Stadt als unternehmerischer Akteur erläutert. Im Zuge dessen soll auch auf den aktuellen Stellenwert städtischer Images in der Stadtentwicklung sowie die versuchte Einflussnahme auf das Stadtimage durch Akteure der Stadtplanung eingegangen werden.
Massenmedien und deren Partizipation an stigmatisierenden Sichtweisen auf bestimmte Räume werden im zweiten Abschnitt dieses Kapitels thematisiert. Dabei soll auch auf bereits abgeschlossene Untersuchungen zu ähnlichen Forschungsinteressen verwiesen werden. Ziel dessen ist es, dabei produziertes Wissen für die weiteren Arbeitsschritte der vorliegenden Analyse nutzbar zu machen.
Im dritten Teil dieses Kapitels wird der Zusammenhang zwischen medialen Inhalten und deren Produktion einerseits und der Rezeption dieser Medienarbeit sowie kognitive und (sozial-) psychologische Rahmenbedingungen auf der Seite des adressierten Individuums hergestellt. Dieser Exkurs in die Medienwirkungsforschung wird als notwendiger Schritt verstanden, das Potenzial massenmedialer Vermittlungen von Wirklichkeit auf die individuelle und – als Voraussetzung eines Zustandekommens allgemein geteilter Bilder verstanden – kollektivierte Wahrnehmung städtischer Räume nachvollziehen zu können.
Schlussendlich sollen die vorrangige Thematisierung bestimmter Sachverhalte bei gleichzeitiger Vernachlässigung anderer Problemlagen durch Politik, Stadtplanung und –marketing als auch eine modellierte Darlegung der Imagekonstruktion nach Karl Ganser das theoretische Fundament der vorliegenden Arbeit bilden. Dabei wird auch auf aktuelle Herausforderungen für die Planung und auf prognostizierte Entwicklungen von Städten eingegangen.
Zunächst soll jedoch der Begriff des Stadt-Images von dem des „Bildes einer Stadt“ unterschieden werden. Lothar Feldmann leitet die Bedeutung des Stadt-Images aus dem paradigmatischen Wandel hin zur interurbanen Konkurrenz ab, in der „die Stadt […] dabei als Produkt verstanden [wird], welches optimal ‚vermarket‘ werden muss, um eine optimale ‚Nachfrage‘ nach der Stadt zu erreichen“ (2005, S. 29). Der aktiven Gestaltung des Stadt-Images kommt dabei eine tragende Rolle zu, da das Image „gewissermaßen als ‚Bild einer Stadt‘ verstanden werden“ kann und in Relation zu den tatsächlichen Verhältnissen in einer Stadt als attraktive Stellschraube der Positionierung im Städtewettbewerb betrachtet wird (Feldmann 2005, S. 29 und vgl. S. 33).
Das Stadt-Image setzt sich Feldmann zu Folge aus einer Vielzahl von Bildern zusammen, die wiederum verschiedene Funktionen haben. So wird beispielsweise Stadtplanung als Zielsetzung mit Hilfe von Bildern verstanden. Das Image einer Stadt ergebe sich so aus ihrem Selbstbild oder vielmehr dem Selbstbild ihrer BewohnerInnen und korporativen Akteure, ihrem Selbstverständnis und politisch definierten Leitbildern. Feldmann verortet „die Erwartungen und Funktionen, die mit dem Stadt-Image verbunden sind, […] zwischen diesen Polen“ (Feldmann 2005, S. 29). Wenngleich hier die Rolle städtischer Akteure sowie deren Zielsetzung bezüglich der Stadtentwicklung in den Vordergrund gerückt werden, gilt die Herangehensweise an die Ergründung der Veränderbarkeit des Images einer Stadt ebenso für das Handeln medialer Akteure:
„Entscheidende Bedeutung kommt dabei der Frage zu, wie das Image einer Stadt entsteht. Entwickelt es sich ausgelöst durch eine unübersehbare Vielzahl von Einflussgrößen oder ist das Image einer Stadt einer Planung zugänglich, also tatsächlich bewusst steuer- und veränderbar? In welchem Sinne ist es instrumentalisierbar, in welchen Zusammenhängen kann es steuernd eingesetzt werden?“ (Feldmann 2005, S. 29)
Images im Allgemeinen kommen verschiedene Bedeutungen und Funktionen zu. Als „ganzheitlicher und dynamischer Komplex“ verstanden, „in dem Persönlichkeitsfaktoren und Wirkungen der Umwelt zu einem neuen Ganzen verschmelzen“ (Hellmig 1997, S. 12), spielt das Image „eine zentrale Rolle im menschlichen Orientierungsprozeß“ (Hellmig 1997, S. 13). Es liegt nahe, dass Images die Komplexität wahrnehmbarer Merkmale einer Person, Organisation oder Raumeinheit auf leicht zugängliche Perspektiven reduziert und daher in ähnlicher Weise wirken wie Stereotype und Vorurteile. Zu diesem Zweck gründen sich Images im Allgemeinen wie Stadtimages im Speziellen zumeist auf Symbole und symbolisierte Bilder, die es dem Individuum erleichtern, Erinnerungen an sowie Emotionen und Assoziationen mit dem im Image repräsentierten Objekt herzustellen. Dabei werden Images „nicht nur durch Symbole, sondern auch durch Massenmedien und sog. ‚opinion-leader‘ beeinflußt“ (Hellmig 1997, S. 13 und vgl. Feldmann 2005, S. 39). Kevin Lynch (1965) zufolge sei das Bild einer Stadt das Resultat eines Prozesses, der zwischen dem Beobachter und seiner Umgebung stattfinde und durch die erstmalige Wahrnehmung – den berüchtigten ersten Eindruck – maßgeblich beeinflusst werde (vgl. Bergler 1991, S. 47). Das Stadtimage ist also eine anhand lokaler physischer, historischer, kultureller, sozialer, digitaler oder emotionaler Merkmale symbolisierte mentale Repräsentation in den Köpfen der RezipientInnen, die sich auf diejenigen Objekte bezieht, die in nachvollziehbarer Weise als Teil jener Stadt verstanden werden können. Dazu zählen deren BewohnerInnen, ArbeiterInnen, TouristInnen, zeitgenössische oder historische Berühmtheiten, Architektur und andere Infrastrukturen, kulturelle und digitale Erzeugnisse, die städtische Politik oder gar das „einheitliche ‚Verhalten‘, Agieren der Stadt“ (Feldmann 2005, S. 40) – kurzum: alle Objekte, deren Existenz nur im Zusammenhang mit eben dieser Stadt denkbar ist und die somit nicht ohne weiteres gedanklich oder auch tatsächlich in andere Räume übertragen werden können. Eine unternehmerische Betrachtung der Stadtimagebildung findet sich in den vier Komponenten der „Corporate Identity“ bei Kutschinski-Schuster (1993) wieder.
Images als gelenkte Wahrnehmung partieller und gewollter Merkmale stellen zwar nur einen Ausschnitt der gegenständlichen Wirklichkeit dar, doch sei es „charakteristisch für diese Beziehung“, „daß die Wirksamkeit des Images zu einer neuen Wirklichkeit führe“ (Hellmig 1997, S. 13f.). Ganz gleich also, ob konstruierte Bilder einer Stadt der Wahrheit entsprechen oder nicht, ihnen kommt eine quasi-reelle Wirkung zu, indem sie auf psychologischer Ebene des Individuums als wahr angenommen werden. Das Image steht zudem in enger Wechselwirkung mit der Bekanntheit beziehungsweise Publizität städtischer Eigenschaften. Sie bedingen einander, womit zugleich die enge Beziehung von Stadtimages und dem Stadtmarketing erklärt ist, dessen Funktion es ja ist, der Stadtentwicklung zuträgliche Teilmerkmale der Stadt an entsprechend definierte Zielgruppen adäquat zu kommunizieren.
Feldmann zufolge liegt der Reiz des Imagebegriffs auch in der Dehnbarkeit dessen inhaltlicher Füllung: „Wenn niemand so genau weiß, worum es präzise geht, dann erscheint das Image in vielen Zusammenhängen einsetzbar. Dementsprechend sind mit dem Stadt-Image auch zahlreiche Erwartungen verbunden“ (Feldmann 2005, S. 31). Weiter wird das Image als ernstzunehmender weicher Standortfaktor beschrieben, deren Anreize zur Pflege und Beeinflussung nicht zuletzt darin bestehen, dass man sich aus einem guten Image finanzielle Gewinne verspricht (vgl. Feldmann 2005, ebd.).
Hinsichtlich der Beeinflussbarkeit von Images bedarf es der Unterscheidung in zwei grundsätzliche Typen: das durch Massenmedien beeinflussbare „Public-Relation-Image“ kann als Instrument des Stadtmarketings verstanden werden, mit „dem die Stadt als Ware und als Mittel zum Zweck Wirtschaftswachstum und Profit bestimmter Gruppen begriffen“ wird und insbesondere aus linksalternativen Bewegungen breite Kritik erfahren hat (Hellmig 1997, S. 16). Eine weitere Form des Images bildet das „ortsbezogene Image“, das allmählich wachse, nicht machbar sei und sich als „strukturiertes, symbolisch repräsentatives Substrat im Bewußtsein der Bewohner einer Stadt“ festsetze und „Symbole materieller und immaterieller Art wie Bauten, Personen und Slogans“ konstituiere (Hellmig 1997, S. 16).
Der Ruf von Städten wird freilich nicht ausschließlich medial konstruiert – schließlich sind auch Akteure der Medienlandschaft einer Vielzahl sozialer Prozesse und der eigenen medial geschaffenen Wirklichkeit ausgesetzt – er konstituiert sich auf komplexe Weise durch eine große Bandbreite äußerer Reize. Deren subjektive Verarbeitung und psychologischen Rahmenbedingungen werden durch Bergler (1991) treffend beschrieben:
„Ein...