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Eine systemtheoretische Betrachtung von Unterrichtskommunikation als Konstrukt von Erwartungserwartungen: Eine Beobachtung zweiter Ordnung

AutorBianca Hinterkeuser
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl62 Seiten
ISBN9783863419042
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Die im Grundgesetz verankerte staatliche Aufsicht über das gesamte Schulwesen weist der Schule als einer zentralen Institution unserer Gesellschaft die Funktion und Aufgabe zu, Schüler chancengleich zu unterrichten. Damit soll den nachfolgenden Generationen die grundlegenden Bedingungen für ein produktives und integriertes Leben innerhalb der gesellschaftlichen Systeme verschafft werden. Die Qualität der Bildungsabschlüsse und des dadurch definierten Bildungserfolgs oder Bildungsmisserfolgs hat erheblichen Einfluss auf die spätere Integration der Schüler in unsere Gesellschaft und deren Struktur. Daher ist es erforderlich, die vielfältigen Umstände zu ergründen, die zu einer Schieflage im Bildungssystem führen können. In der vorliegenden Arbeit soll den Bedingungen, unter denen Unterrichtskommunikation stattfindet, aus der Perspektive der Systemtheorie Niklas Luhmanns nachgegangen werden. Die von Luhmann entwickelte Theorie der sozialen Systeme identifiziert und analysiert spezifische Kommunikationen als Grundeinheiten gesellschaftskonstituierender funktionaler Teilsysteme. Vor diesem Hintergrund erscheint sie in besonderer Weise zu einer Analyse kommunikativer Funktionalitäten und Dysfunktionalitäten geeignet, die zur beklagten Mangelhaftigkeit des Erziehungs- bzw. Schulsystems beitragen. Grundsätzlich beobachtet Luhmann Kommunikationssysteme und Bewusstseinssysteme in ihren Operationen strikt voneinander getrennt. So ist es möglich, Kommunikation auf eine andere Weise zu behandeln, als es die eher informationstheoretisch begründeten Kommunikationstheorien auf der Basis von Sender-Empfänger-Modellen erlauben. In diesem Sinne wird im Folgenden untersucht, wie das Unterrichtssystem heute welche Funktionen in der und für die Gesellschaft erfüllt und welcher Dynamik es dabei folgt. Auf Grundlage dieser Untersuchung wird beantwortet, ob ein Bildungsmisserfolg - der ja auf Grundlage bestimmter Unterscheidungen als solcher erst definiert wird - im Zusammenhang mit den Bedingungen, unter denen sich Unterrichtskommunikation in unseren Schulen vollzieht, steht.

Bianca Hinterkeuser schloss ihr Studium 1999 an der Universität zu Köln mit dem ersten Staatsexamen erfolgreich ab. In den letzten Semestern ihres Studiums kam sie erstmalig mit der Systemtheorie Niklas Luhmanns in Kontakt. Begeistert von dieser Theorie

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 3, Unterrichtskommunikation: Die Sozialisationsform Unterricht soll eine Übertragung von Erziehungsleistungen gewährleisten. Das Interaktionssystem Unterricht ist gebildet worden, um 'nicht von selbst eintretende Erziehungsleistungen' (vgl. Luhmann, 2004, S. 73) zu erreichen. Unterrichtskommunikation ist ein soziales System, das sich als Interaktionssystem im Klassenraum selbstreferentiell und autopoietisch organisiert. Dabei sind die dort anwesenden psychischen Systeme füreinander und für das soziale System Unterricht Umwelt. Die psychischen Systeme, also die Schüler und der Lehrer, können als Umwelt das Kommunikationssystem Unterricht nicht determinieren, sondern nur durch die strukturelle Kopplung zwischen psychischem System und sozialem System Unterricht reizen. Sie sind füreinander 'black boxes', die keine Transparenz zulassen. Die Anwesenden wissen nicht, was die anderen psychischen Systeme denken. Auch sind es nicht sie die kommunizieren, sondern sie vermögen es nur, die Kommunikation in diesem Interaktionssystem zu reizen. Systeme bestehen nicht aus starren Strukturen, sondern strukturieren sich dynamisch. Die Dynamik wird bestimmt durch das sinnhafte Operieren in Form von Selektion aus den komplexen Möglichkeiten, wodurch Anschlussoperationen gesichert werden. Anschlusskommunikationen werden durch die Selektionen der vorhergegangenen Kommunikationen bestimmt. Diese Bedingungen gelten für alle Interaktionssysteme. Unter den Interaktionssystemen stellt die Unterrichtskommunikation eine Besonderheit dar, da sie unter bestimmten Bedingungen stattfindet. Als Interaktionssystem ist Unterricht ein Subsystem, das dem Organisationssystem Schule untersteht, was das Sozialsystem Unterricht an bestimmte Rahmenbedingungen bindet: Lehrer und Schüler sind nicht frei in ihren Handlungen. Das gesamte Schulwesen steht unter staatlicher Aufsicht. Die institutionellen Rahmenbedingungen nehmen Einfluss auf den Unterricht. So sind die Stundentafel, die Lehrinhalte, die Ferienzeiten etc. organisatorisch vorgegeben. Ein weiteres wesentliches Element ist die Massenhaftigkeit der Kommunikation, denn die Lehrperson steht in der Klasse bis zu 30 Schülern gegenüber: 'Angesichts der Größe und der Komplexität des Systems, muss daher die Beteiligung an der Kommunikation geregelt werden. Dies geschieht mit der Hilfe der Rollendifferenzierung von Lehrer und Schülern.' (Luhmann, 2002, S. 105) Diese Rollendifferenz manifestiert eine Asymmetrie zu Ungunsten der Schüler. Der Lehrer hat damit eine Machtposition, die sich vor allem in der Unterrichtskommunikation äußert - er verteilt das Rederecht. Die Schüler sind nicht freiwillig in der Schule, sie sind durch die allgemeine Schulpflicht dazu angehalten. Damit unterliegen die anwesenden psychischen Systeme im Unterricht einer Zwangskommunikation, die erheblichen Einfluss auf das Vertrauen und Verstehen und damit auf das Lernen der psychischen Systeme hat. Verstehen in der Unterrichtskommunikation ist bedingende Komponente für Lernen, denn der Bildungserfolg ist abhängig davon, was der Lehrer verstanden haben will: 'Es geht nicht primär darum, dass die Lehrer ihre Schüler verstehen. Vielmehr hängt Schulerziehung primär davon ab, dass die Schüler ihre Lehrer verstehen.' (Luhmann, 1986, S. 103) 3.1, Verstehen: Verstehen ist nach Luhmann die Differenz von Information und Mitteilung, die eine Anschlusskommunikation sichert. 'Begreift man Kommunikation als Synthese dreier Selektionen, als Einheit aus Information, Mitteilung und Verstehen, so ist die Kommunikation realisiert, wenn und soweit das Verstehen zustandekommt. (...) Verstehen ist jene dritte Selektion, die den Kommunikationsakt abschließt.' (Luhmann, 1991b, S. 203) Das Verstehen der mitgeteilten Information ist kontingent. Wie sie verstanden wird entscheidet ausschließlich die Kommunikation. Das Verstehen einer Information geht aus der Anschlusskommunikation hervor: 'In diesem Sinne ist Verstehen eine Komponente des Kommunikationsgeschehens und kein Bewusstseinsereignis. (...) Allein die Kommunikation legt fest, was verstanden und was nicht verstanden worden ist (...).' (Kneer/Nassehi, 2000, S. 85) Die Dynamik der Unterrichtskommunikation bestimmt sich ausschließlich durch die sinnhafte Operation der Kommunikationshandlungen, die Dynamik der Gedanken der Schüler ausschließlich durch das sinnhafte Prozessieren der Anschlussgedanken. Kommunikation und Bewusstseinssysteme bleiben operational geschlossen, überschneidungsfrei und füreinander intransparent. 'Erst bei sozialer Reflexivität, erst wenn es um das Erleben des Erlebens und Handelns anderer Systeme geht, kommt die besondere Form der Sinnverarbeitung in Betracht, die man >>Verstehen<< nennt. Sinnerfassen selbst ist noch kein Verstehen (...). Vielmehr kommt Verstehen nur zum Zuge, wenn man Sinnerleben bzw. sinnhaftes Handeln auf andere Systeme mit einer eigenen System/Umwelt-Differenz projiziert.' (Luhmann, 1991b, S. 110) Verstehen ist also eine Handlung, die im sozialen System, in der Kommunikation einer Person als Kommunikationsadressat zugerechnet wird, genau wie die Selektion der Mitteilung und Information. Dieses Zurechnen wird in der Anschlusshandlung als ein Sinnverstehen rekonstruierbar. Diese Anschlusshandlung ist jedoch Komponente der Information und Mitteilung einer neuen Kommunikation.
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