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E-Book

Auf einen Kaffee mit Loki Schmidt

AutorLoki Schmidt, Reiner Lehberger
VerlagHoffmann und Campe Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783455502152
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Alle zwei Wochen trafen sich Loki Schmidt und Reiner Lehberger zum Gedankenaustausch. Im Wohnzimmer in Hamburg-Langenhorn sprachen sie bei einer Tasse Kaffee und vielen Zigaretten über die großen und kleinen Dinge des Lebens. Die hier versammelten 20 Gespräche zeugen vom facettenreichen Leben und Denken einer großen Persönlichkeit. Wie ist es, selbst beim Schwimmen Sicherheitsbeamte um sich zu haben? Was bedeutet Loki Schmidt die Ehrenbürgerwürde Hamburgs? Wie werden Geburtstage und Weihnachten im Hause Schmidt gefeiert, und wann hat sie angefangen, Hosen zu tragen? Was bedeutet ihr Kunst? Wer Loki Schmidt befragt, hat es nicht immer leicht: Es gibt Themen, über die sie mit Begeisterung spricht: Naturschutz, und es gibt Themen, zu denen auch mal ein knappes 'Ooch' in den Raum geseufzt wird: Mode. Dennoch: Ihr Interesse ist schnell geweckt, sobald die Sprache auf etwas kommt, das sie für wesentlich hält. In kurzen, launigen Gesprächen gibt Loki Schmidt Auskunft: über ihr Leben, ihre Ansichten, ihre Wünsche.

Loki Schmidt, 1919 in Hamburg geboren, machte sich u. a. durch ihr Engagement für den Pflanzen- und Naturschutz einen Namen, wofür sie den Professorentitel und die Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Biologie der Universität Hamburg erhielt. Bei Hoffmann und Campe veröffentlichte sie unter anderem Loki. Hannelore Schmidt erzählt aus ihrem Leben (2003), Mein Leben für die Schule (2005), Erzähl doch mal von früher. Loki Schmidt im Gespräch mit Reinhold Beckmann (2008) und Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde (2010). Loki Schmidt starb 2010 in Hamburg. Im Herbst 2014 erschien bei Hoffmann und Campe von Reiner Lehberger Loki Schmidt. Die Biographie.

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Leseprobe

»Bilder haben mich ganz selbstverständlich durch mein Leben begleitet«

Kunst und Malerei

Frau Schmidt, wenn ich mich hier in Ihrem Wohn- und Esszimmer umschaue, sehe ich sicher annähernd hundert originale Gemälde und kleinere Skulpturen. Was bedeutet Ihnen das Leben mit der Kunst?

Ja, da muss ich natürlich erst mal ganz weit zurückgehen. Malerei hat in meinem Elternhaus eine bedeutende Rolle gespielt. Mein Vater hat ja viel gemalt. Es gab bei uns eine Truhe, die voll war mit Bildern von meinem Vater, und oben in unserem Haus habe ich noch zwei von meiner Großmutter im Krieg gerettete Bilder meines Vaters. Das eine ist eines seiner ersten Ölbilder: ein Stück Heidelandschaft mit einer zarten Birke im Vordergrund, und dahinter sind Kiefern zu sehen. Und dann hieß es immer: »Und da rechts, gleich neben dem Rahmen, da lag eine Wolldecke, und darauf hast du gelegen.« Mein Vater hat dieses Bild also gemalt, als ich ein Säugling war.

Das heißt aber auch, Ihr Vater hat vor Ort gemalt?

Mein Vater hat viel nach der Natur gezeichnet. Ja, er hat da gesessen in der Heide und dieses Bild gemalt, und dann hat er es meiner Großmutter geschenkt. Nur dadurch ist es gerettet worden, während die vielen, vielen Bilder von ihm, die in der Wohnung in der Truhe lagen oder an den Wänden hingen, im Feuersturm 1943 verbrannt sind.

Also gehört Malen zu Ihren Kindheitserinnerungen.

Ja, das kann man so sagen. Meine Schwester, die später nach Kanada ausgewandert ist, war sogar einige Semester an der Kunsthochschule.

Und Sie selbst? Wann haben Sie angefangen zu malen?

Als Kind. Wir alle haben als Kinder angefangen zu malen. Meine Eltern – obwohl es finanziell bei uns wirklich dürftig zuging, das wird ja heute vergessen, dass auch ein gelernter Handwerker seine Familie mit mehreren Kindern damals nur durchkriegte, wenn die Frau sehr sparsam war und noch ein bisschen mit dazuverdiente – haben sehr darauf geachtet, dass wir alle malen konnten.

Gab es in Ihrem Elternhaus auch gekaufte Gemälde?

Auf die Idee, ein Bild zu kaufen, wären meine Eltern nie gekommen. Das machte man selbst. Was mein Vater, als er noch arbeitete, tat: Er brachte meiner Mutter eine Tafel Schokolade mit, und zwar Feodora Edelbitter.

Als Schokoladenesser sage ich: Wunderbar!

Und ich weiß genau, dass er nur diese Sorte mitbrachte. Eine Tafel, immer nur freitags, wenn es Geld gab. Und für uns Kinder brachte er häufiger eine Kunstpostkarte mit. Nicht aus einer bestimmten Periode, sondern quer durch die Kunstgeschichte. Es waren also gute Bilder aus sehr verschiedenen Phasen, und jedes Mal bekamen wir von meinem Vater eine kleine Erklärung dazu. Dazu muss ich aber auch sagen, dass meine Eltern der Meinung waren, ein Mensch sei nur gebildet, wenn er sich mit Musik und Malerei beschäftigt.

Sowohl in der Grundschule als auch später in der Lichtwarkschule spielten Musik und Kunst eine große Rolle.

Die ersten vier Jahre in der Schule Burgstraße spielte das für mich noch keine so große Rolle. Natürlich haben wir gesungen. Auch war ich im Schulorchester und durfte irgendwo mit meiner Geige rumschrammeln. Aber Theaterspielen war an meiner Grundschule wichtig. Und als mein Vater arbeitslos war, hat er mit anderen arbeitslosen Vätern in die große Turnhalle der Schule Burgstraße eine zusammenschiebbare Bühne gebaut. Die konnte man mehrere Male ausziehen, dann war es eine große Bühne, und die wurde eifrigst genutzt.

Auch die Lichtwarkschule, an der Sie und Ihr Mann später das Abitur machten, war ja für ihre besondere Betonung von Kunst und Musik bekannt.

Ja, das stimmt. Aber vor allem haben uns Lehrer wie unser Kunsterzieher John Börnsen auch als Personen begeistert. Das hat sich dann auf die Fächer übertragen. Da wurde übrigens nicht nur gemalt, da wurden Plastiken aus Holz gemacht, mit Metall gearbeitet und zum Beispiel auch Teppiche mit Kunstmotiven geknüpft.

Man kann also festhalten: Der Plan Ihrer Eltern, die Kinder für Kunst und Musik zu begeistern, ist aufgegangen.

Ja, und die Schule, die Lichtwarkschule, hat dies – wie soll ich mal sagen – liebevoll unterstützt. Sie hat auch gefördert, dass sich zum Beispiel die eigenständige Jahresarbeit, die wir in der Lichtwarkschule komischerweise von Anbeginn an Semesterarbeit nannten, mit Kunst- und Musikthemen beschäftigte.

Frau Schmidt, die meisten der Gemälde hier bei Ihnen zu Hause gehören zur klassischen Moderne. Besonders stark sind auch norddeutsche Künstler vertreten: Nolde, Illies, Barlach und vor allem die Worpsweder: Heinrich Vogeler, Otto Modersohn, Paula Modersohn-Becker und Otto Modersohns Sohn aus dritter Ehe, Christian Modersohn.

Aus früher Begeisterung für Worpswede, das ich als Ort nicht kannte, habe ich mit meinem Vater 1934 eine Fahrradtour dorthin unternommen, in den Pfingstferien oder so, er war schon arbeitslos. Wir beide sind also allein losgestrampelt, und natürlich habe ich den Barkenhof, den Heinrich Vogeler viele Male gemalt hat, gesehen, aber ich hatte keine hehren Gefühle – da waren damals schon zu viele Touristen. Ich hab zu meinem Vater gesagt: »Lass uns hier bloß weg!« – »Ja«, sagte mein Vater auch, »das ist ja furchtbar, diese vielen Menschen.« Und dann sind wir an die Wümme gefahren, wo noch kein Betrieb war, und das Wetter war schön, wir saßen da am Deich, und da kam zu unserer großen Freude tatsächlich ein Moorkahn mit braunen Segeln, wie auf einem Gemälde! Wir haben dem Fischer zugewinkt, der hat wieder zurückgewinkt, und unsere Welt war in Ordnung.

Das war also Ihre frühe Begegnung mit Worpswede.

Ja, und zu der Fischerhuder Abspaltung von der Künstlerkolonie Worpswede hatten wir über Helmuts Onkel sogar persönliche Kontakte, zu Christian Modersohn vor allem.

Und als Sie und Ihr Mann ins Bonner Kanzleramt zogen, haben Sie der Worpsweder Kunst auch dort eine Bühne gegeben.

Also, dazu gibt es natürlich eine Geschichte. Wir wollten etwas für unsere Fischerhuder und Worpsweder Malerfreunde tun, also hat Helmut mit mehreren Museumsdirektoren gesprochen, und die haben uns Bilder ausgeliehen. In seinem Arbeitszimmer hing dann eine Landschaft von Emil Nolde, auf den Fluren Bilder der Worpsweder und Fischerhuder. Das Kanzleramt wurde daraufhin an einigen Wochenenden für Besucher freigegeben, da musste dann allerdings immer jemand in den Räumen stehen und aufpassen.

Berühmt geworden ist ja die Plastik Large Two Forms von Henry Moore, die an die zwei Teile Deutschlands erinnern sollte und im Park des Kanzleramts aufgestellt wurde.

Henry Moore hatten wir schon vorher kennengelernt, und Helmut hatte ihn gefragt, ob er für den Kanzlerbungalow eine Plastik machen könnte. Wir hatten eigentlich an einen anderen Ort als den Park gedacht. Das Kanzleramt war ja L-förmig, und da wollten wir sozusagen im Winkel eine Plastik aufstellen. Und dann ist Henry Moore nach Bonn gekommen und hat sich das alles angeschaut. Da waren schon die vielen Buchsbaumhecken gepflanzt worden, die irgendein Mensch für ganz nötig gehalten hatte, und zwar ziemlich hoch. Das muss ein Vermögen gekostet haben, aber die Architekten, die das Kanzleramt geplant und gebaut haben, hatten vorgesehen, dass parallel zu den Wänden geschnittene Buchsbaumhecken stehen sollten. Moore war entsetzt, als er das sah, und sagte: »Da kommt meine Plastik nicht rein.« Und dann haben wir zu dritt einen anderen Platz gesucht.

Und gefunden!

Ja, übrigens hat ein spezieller Käfer dann dafür gesorgt – den hab ich nicht dahin gesetzt, der ist freiwillig gekommen (schmunzelt) –, dass der Buchsbaum angenagt wurde, und am Ende sind die ganzen Hecken verschwunden.

Sodass die Plastik gut zur Geltung kommen konnte.

Ja. Es sah wirklich kleinlich aus. Man kann von dem Kanzleramt sagen, was man will. Es ist ein sehr steriler Zweckbau. Aber durch kleine Buchsbaumheckchen, die davor ein Muster bildeten, wurde es nicht schöner, sondern …

… kleinkarierter.

Genau das ist das richtige Wort. Wir waren also froh, dass die wegmussten, und haben sofort gesagt, da wird nichts Neues hingepflanzt.

In der Sammlung des Fotografen Jupp Darchinger gibt es ein Foto von Helmut Schmidt an der Staffelei. Hat Ihr Mann regelmäßig gemalt?

Nein, nur gelegentlich, dafür war zu wenig Zeit. Aber Kurt Körber fand eines seiner Bilder so schön, dass wir es ihm geschenkt haben. Als Minister und vor allem später als Kanzler hatte mein Mann ja mindestens einen Vierzehn-Stunden-Tag.

Bekannt geworden sind Sie selbst als Malerin durch Ihre Tellermalerei für die Porzellanmanufaktur Rosenthal.

Als ich meine Naturschutzstiftung gegründet hatte, habe ich irgendwann zu Philip Rosenthal, der ja für die SPD im Bundestag saß, gesagt: »Du kannst auch mal was tun. Produziere doch mal ein paar Teller mit Pflanzen.« Und vielleicht eine Woche später bekam ich einen Teller mit einem Frauenschuh – das ist ja nun wirklich eine dekorative Orchidee, die wir in Deutschland haben –, aber von einem Porzellanmaler gemalt: hier noch ein Schnörkelchen und da ein Kringelchen. Und da habe ich gesagt: »Nee, Philip, so nicht.«

Und dann hat er Sie aufgefordert, selbst den Pinsel in die Hand zu nehmen.

Ja. Zunächst habe ich Pflanzen für drei Teller gemalt, und die wurden auch gleich produziert. Die sind weggegangen, wie ich weiß nicht was. Allerdings habe ich auch ein bisschen Reklame gemacht....

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