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Von einer integrativen Grundschule zur Schule für Geistigbehinderte - Folgen des Wechsels für die umgeschulten Schülerinnen und Schüler

Folgen des Wechsels für die umgeschulten Schülerinnen und Schüler

AutorDana Sabeti
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl86 Seiten
ISBN9783638512985
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Pädagogik - Heilpädagogik, Sonderpädagogik, Note: 1,3, Universität zu Köln, 74 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: [...] In Nordrhein-Westfalen beschränkt sich das integrative Angebot auf einige weiterführende Schulen im Modellversuch. So kann der Bedarf an Förderungsmöglichkeiten in der Sekundarstufe bei Weitem nicht gedeckt werden. Was passiert also mit den Schülern, die zwar in der Grundschule ihre integrative Förderung begonnen haben, sie aber aus organisatorischen Gründen nicht weiterführen können? Solch systemisch begründete Umschulungen in Sonderschulen sollen nicht allein im Fokus dieser Arbeit stehen; auch Schüler beziehungsweise Eltern, die eine Umschulung aus freien Stücken vorziehen, sollen Berücksichtigung finden. Dabei soll es Ziel dieser Arbeit sein, mögliche Folgen eines Schulwechsels von integrativer Grundschule zur Schule für Geistigbehinderte aufzuzeigen. Im Mittelpunkt stehen dabei betroffene Eltern und Schüler, die diesen Wechsel vollzogen haben. Bei der Bearbeitung werde ich den Schwerpunkt vor Allem auf Auswirkungen des Wechsels auf die Emotionalität, das Sozialverhalten und das Lernverhalten legen. Aktuelle Forschungsliteratur zu diesem Thema ist spärlich gesät. Einzelne Studien haben sich mit dieser Problematik in Form von Eltern- und Schülerbefragungen beschäftigt. Dazu werde ich zunächst in Teil 1 einen Überblick über die Geschichte und Entwicklung der Integrationspädagogik geben. In diesem Zusammenhang sollen auch rechtliche Grundlagen, die mittlerweile in vielen Bundesländern das Recht auf integrative Förderung verankern, dargelegt werden. Im zweiten Teil der Arbeit soll die Erörterung der Wirkungen schulischer Integration auf die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Mittelpunkt stehen. Dieser Punkt erscheint mir deshalb als so wichtig, da die Folgen des integrativen Unterrichts den Schüler maßgeblich in seiner weiteren Entwicklung beeinflussen. Diese Folgen können auch in sich Gründe, die eine Umschulung zur Sonderschule rechtfertigen, beinhalten. Weiterhin soll in diesem Kapitel aufgezeigt werden, welche zusätzlichen Faktoren eine erfolgreiche schulische Integration beeinflussen beziehungsweise erschweren können. Sie sollen ebenfalls verdeutlichen, dass Gründe für eine Umschulung sehr individuell und vielschichtig sein können. Schließlich werde ich im dritten Teil der Arbeit die Auswirkungen einer Umschulung darlegen. Dazu werden zunächst Gründe, die zu einer Umschulung veranlassen, dargestellt. Im Anschluss soll ein Überblick über einzelne Studien gegeben werden, die diese Problematik untersucht haben. [...]

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Leseprobe

Teil 1

 

Schulische Integration von Schülern mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung

 

1.1      „Integration“ : Eine Begriffsbestimmung

 

Integration ist heutzutage ein sehr gebräuchlicher Begriff, der in den verschiedensten Bereichen und Zusammenhängen verwandt wird. So findet man unterschiedliche Verständnisse von Integration in der Mathematik, in der Wirtschaft, in der Politik oder in der Psychologie.

 

Etymologisch leitet sich der Ausdruck Integration vom lateinischen Wort ‚integer’ ab, das soviel wie „unberührt“ und „unangetastet“ bedeutet. Im Duden findet man für Integration die Übersetzung

 

„Wiederherstellung eines Ganzen; Vervollständigung; Einbeziehung; Eingliederung in ein größeres Ganzes.“ (Duden 2001)

 

Für diese Arbeit steht die Begriffsbestimmung, die innerhalb der Soziologie und (Sonder)Pädagogik vorgenommen wird, im Vordergrund.

 

So definiert Bonderer Integration in diesem Zusammenhang wie folgt:

 

„Integration soziologisch und sozialpsychologisch verstanden, meint die Vereinigung einer Vielheit von einzelnen Personen, Gruppen oder Gesellschaften zu einer gemeinschaftlichen oder umfassenden gesellschaftlichen Ganzheit“ (Bonderer 1980, 57).

 

Dieser Definitionsansatz ist ein sehr offener, da er die Personen oder Gruppen, die gemeinsam eine gesellschaftliche Ganzheit bilden, nicht weiter präzisiert. Die gesellschaftliche Einheit kann also Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen, Menschen unterschiedlicher Religionen, Menschen unterschiedlichen Alters oder eben Menschen mit unterschiedlichem sonderpädagogischem Förderbedarf einschließen.

 

Weiterhin lässt sich aus dieser Definition folgern: In einer „nicht integrativen“ separierenden Gesellschaft würde etwas, das die Gesellschaft ausmacht, fehlen. Auf welche Weise sich diese „gesellschaftliche Einheit“ bilden soll, lässt Bonderer offen.

 

Keller und Nowak beschreiben Integration etwas spezifischer für den Zusammenhang dieser Arbeit:

 

„In den Erziehungswissenschaften wird der Begriff Integration meist im Sinne sozialer Integration verwendet. Gemeint ist die soziale Komponente des Lernens und Unterrichtens, der Prozess und das Ergebnis der Eingliederung (von Menschen mit Behinderung) in bestehende soziale Gruppen und in die Gesellschaft sowie Kultur. Soziale Integration darf nicht mit bedingungsloser Anpassung gleichgesetzt werden.“ (Keller / Nowak 1993, 191).

 

Diese Definition stellt den Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Mittelpunkt des Integrationsverständnisses. Weiterhin macht Keller grundlegend deutlich, was unter Integration nicht verstanden werden darf: ein einseitiger Anpassungsprozess von Seiten der ‚zu Integrierenden’.

 

Integration hat im Gegenteil das Ziel, Gleichberechtigung und Gleichstellung von Menschen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf zu bewirken. Dieses Ziel kann nicht durch Angleichung einer sozialen Gruppe erreicht werden; vielmehr ist hierbei immer ein wechselseitiger Annäherungsprozess beider Seiten wichtig. Diese Seiten müssen aufeinander zugehen d.h. miteinander im Dialog stehen und zu Veränderungen bereit sein. Nur so lässt sich eine gemeinsame gesellschaftliche Ganzheit bilden.

 

So müssen „Behinderte lernen, ihre Behinderung zu akzeptieren und mit ihr mit Nichtbehinderten zusammenzuleben“ (Muth 1973, 94). Auf der anderen Seite müssen die ‚Nichtbehinderten’ lernen, den ‚Behinderten’ human anzunehmen, ihn in seinem Anderssein zu respektieren und zu akzeptieren (vgl. ebd., 94).

 

In den genannten Begriffsbestimmungen wird die Integration in alle gesellschaftlichen Bereiche angesprochen; in dieser Arbeit steht jedoch der enge Bezug von Integration und Schule im Vordergrund. Begrifflich wird daher zwischen schulischer und sozialer Integration unterschieden. Wie vielschichtig der Begriff der Integration wirklich ist, verdeutlicht Bonderer, der Integration in acht unterschiedliche Akzentsetzungen einteilt:

 

 

(vgl. Bonderer 1980, 61)

 

Diese unterschiedlichen Verständnisse verdeutlichen, dass Integration kein einfach zu fassender Begriff ist. Somit muss der jeweilige Bedeutungszusammenhang, in dem ‚Integration’ gebraucht wird, dargelegt werden. Im Zusammenhang dieser Arbeit wird von Integration meist im Sinne einer Erziehungsmethode bzw. eines Erziehungsmittels gesprochen. Dennoch möchte ich die dialogische  Akzentuierung, in der Integration als gegenseitige Teilhabe und als Aufbau wechselseitiger Beziehungen verstanden wird, ebenfalls als Grundlage meines Integrationsverständnisses sehen.

 

1.2      Zur Entwicklung der Integrationspädagogik

 

Um die Praxis der Integration, wie sie sich heute vollzieht, zu begreifen, muss man die Entwicklung der Integrationspädagogik in den letzten Jahren nachvollziehen. Dabei möchte ich mich im folgenden Kapitel auf das Konzept von Bürli stützen, der die schulische Integration als eine spezielle Phase in der Förderung von Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf sieht (vgl. Bürli 1997, 63f). Anhand seines Schemas lassen sich die Entstehung und die Stellung des Integrationsgedankens innerhalb der Sonderpädagogik und im Kontext der historischen Zusammenhänge aufzeigen. So sind nach Bürli die Entwicklungsphasen in der Sonderpädagogik chronologisch zu gliedern in Exklusion, Separation, Integration bis hin zur Inklusion.

 

1.2.1   Exklusion

 

In der Zeit der Antike mussten Menschen mit Behinderung starke Abwehrmechanismen von Mitmenschen erleben; man setzte ihr ‚Anderssein’ in den Zusammenhang mit Dämonen oder Göttern und versuchte, sich der betroffenen Menschen durch Tötung zu entledigen.

 

Diese Ausgrenzung setzte sich auch später im Mittelalter fort: Menschen mit Behinderung wurden in Irrenanstalten, Klöstern oder Armenhäusern abgeschoben, um die Öffentlichkeit vor ihrem Anblick zu schützen (vgl. Fornefeld 2000, 29).

 

Kinder mit Behinderung waren bis dahin von jeglicher erzieherischer Fürsorge ausgeschlossen; erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts und zu Beginn des 19. Jahrhunderts führten die beiden französischen Ärzte Jean Itard und Edouard Seguin erste pädagogische ‚Erziehungsmaßnahmen’ an Kindern mit geistiger Behinderung durch, die durchaus erfolgreich waren.

 

Menschen mit geistiger Behinderung rückten erst im 19. Jahrhundert richtig in das Interesse der Pädagogik. Auf die Erfolge von Itard und Seguin aufbauend, wurden schließlich zahlreiche Anstalten und Hilfsschulen für „Schwachsinnige“ gegründet, meist von kirchlichen Trägern. Diese Anstalten setzten sich als Ziel, die Schüler durch „sorgfältigste, physische und moralische Pflege“ (Klink 1966, zit. nach Speck 1993, 25) wieder zu brauchbaren Mitgliedern der Gesellschaft zu machen.

 

Zu dieser Zeit waren die Sichtweisen auf Menschen mit geistiger Behinderung eher von medizinischem, pädagogisch-sozialem oder religiösem Interesse geprägt (vgl. Fornefeld 2000, 31f). Vom öffentlichen Schulwesen wurden sie ausgeschlossen.

 

In der Zeit des Nationalsozialismus nahm das Nützlichkeitsdenken in der Politik und damit auch in der Gesellschaft zu. Es wurde die Frage gestellt: „Welche Menschen sind ökonomisch brauchbar, welche nicht?“

 

Menschen mit Behinderung genügten diesen Ansprüchen nicht und wurden als lebensunwert und volkswirtschaftlich unbrauchbar angesehen. Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses von 1933 und das Reichsschulpflichtgesetz 1938 führten zur Selektion von ‚nützlichen’ und ‚unnützlichen’ Menschen. Menschen mit Behinderung wurden als ‚bildungsunfähig’ verurteilt (vgl. Hähner 1997, 25)

 

Zwangssterilisationen und Euthanasie-Programme waren darauf folgende Schritte, die als Ziel die Ausmerzung der Menschen mit Behinderung  hatten.

 

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges existierte das Hilfsschulwesen, das zuvor erste pädagogische Maßnahmen mit Menschen mit Behinderung unternahm, praktisch nicht mehr (vgl. Fornefeld 2000, 40).

 

1.2.2   Separation

 

In der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte man zunächst, an das...

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