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Einflüsse von sozialen Faktoren auf die Genesung: Analyse anhand einer Studie in einem Kinderheim in Südafrika

AutorDaniela Brieschenk
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl74 Seiten
ISBN9783656249672
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,0, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Sprache: Deutsch, Abstract: Afrika wird oft als einer der reichsten Kontinente in Bezug auf die natürlichen Ressourcen bezeichnet, ist zur gleichen Zeit aber nahezu eines der ärmsten Erdteile in der wirtschaftlichen und menschlichen Entwicklung. Afrikas Öl und Gas ist eine der zentralen Stellen für Investoren und die Gewinne in den Ländern Afrikas für Bergbauindustrie steigen - während der Anteil der Menschen, die in Armut leben, sich während der letzten Jahre kaum verändert hat. So galt z.B. Südafrika von 1905 bis 2007 ununterbrochen als weltweit größter Goldproduzent,1 doch geriet durch die Apartheid weltweit in die negativen Schlagzeilen. Durch die strikte Rassentrennung, Ungerechtigkeit gegenüber der afrikanischen Bevölkerung und den Verstößen gegen die Menschenrechte von 1948 bis 1994 sind noch heute die Folgen im Land zu spüren. Von den Auswirkungen der Verarmung ist besonders die schwarze Bevölkerungsgruppe betroffen. Die Folgen dieser Armut konnte ich bei meinen letzten Aufenthalten in Südafrika selbst wahrnehmen, als ich in zwei Kinderheimen für Waisenkinder gearbeitet habe. Die Mittellosigkeit und die damit verbundenen Schwierigkeiten wie z.B. Krankheiten, Arbeitslosigkeit oder der Verlust der Eltern sind schlimme Schicksale, von denen ein Großteil der Kinder im Heim betroffen sind und psychische sowie physische Folgen mit sich bringt. Eine interessante Frage hierbei ist, mit welchen Möglichkeiten diesen geistigen und körperlichen Konsequenzen bei Kindern in südafrikanischen sozialen Einrichtungen so früh wie möglich entgegen gewirkt werden kann. Mir schien dafür das Konzept der Salutogenese, welches ich im Laufe meines Studiums kennengelernt habe und bei mir einen bleibenden positiven Eindruck hinterlassen hat, als sehr geeignet. Abb. 1 gibt vorab einen kleinen Einblick, worum es sich bei der Salutogenese handelt. Der Blickwinkel der Betrachtung stellt den entscheidenden Unterschied dar: Symptome belasten Menschen mit einer Bürde, machen ihn träge und mutlos - ganz im Gegenteil zu Ressourcen, die den Betroffenen Mut, Zuversicht und Hoffnung geben oder ganz einfach gesagt 'beflügeln' lassen. [...] 1 Kapstadt-News, 2008: Australien löste 2007 Südafrika als weltweit größten Goldproduzent ab, Beitrag Nr.: 460.

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Leseprobe

3.     Modell der Salutogenese


 

‚Salutogenese‘ –ein Neologismus, der seinen Ursprung in den 70ern des 20. Jahrhunderts dem amerikanisch-israelitischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky (1923-1994) zu verdanken hatte und dadurch einen Paradig­menwechsel in der Wahrnehmung und Behandlungsweise von Krankheiten auslöste.[9]In seinen beiden Hauptwerken „Health, stress and coping. New perspectives on mental and physical wellbeing” (1979) und „Unraveling the mystery of health. How people manage stress and stay well“ (1987) be­trachtet er, im Gegensatz zu den herkömmlichen Sichtweisen nicht die krankmachenden, sondern die gesundheitsfördernden Faktoren, also die Be­dingungen, welche die Gesundheit sichern und erhalten. Der Begriff„Salutogenese“ (lat. „salus“: Unverletztheit, Heil, Glück; griech. „genese“: Entstehung) bedeutet die >>Entstehung von Gesundheit<< und stellt das Gegen­stück zur „Pathogenese“ (griech. „páthos“: Leiden, Sucht“; griech. „génesis“: Entstehung), der >>Entstehung von Krankheit<< dar.[10]Die Saluto­genese kam 1970 ursprünglich als Nebenprodukt einer Auswertung von Frauen über die Anpassungsfähigkeit an die Menopause auf. In dieser Untersuchung wurde auch eine Ja-Nein-Frage zum Aufenthalt in einem Konzentrationslager während des Zweiten Weltkrieges gestellt, wodurch eine Gruppe ermittelt wurde, die sich im Jahre 1939 im Alter zwischen 16 und 25 Jahren in einem Konzentrationslager aufgehalten hatte. Antonovsky wurde darauf aufmerksam, dass „immerhin 29 % jener Frauen, die in jungen Jahren ein Konzentrationslager überlebt hatten und sich eine neue Existenz aufbauen mussten, in fortgeschrittenerem Alter dennoch psychisch und phy­sisch einen guten Gesundheitszustand aufwiesen.“ (Nowak 2011: 78)Dabei war es Antonovsky nicht wichtig, dass der Prozentsatz der nicht inhaftierten Kontrollgruppe der gesunden Frauen mit 51 % höher war, sondern das völlig unerwartete Ergebnis, dass trotz unvorstellbarer Qualen und erschütternder Erlebnisse eindrucksvolle 29 %der Frauen als gesund galten.Daraufhin vertritt Antonovsky eine prinzipiell neue Art der Be­trachtung und Interpretation von medizinischen Untersuchungen, „die (damals) größtenteils pathogenetisch orientiert (..) [waren] und (..)[erhoben], wie viele Personen aufgrund eines bestimmten ungünstigen Wirkfaktors biologischer, sozialer oder psychologischer Art erkranken.“ (ebd.) Antonovsky stellte nicht die Ursachen von Krankheit in den Mittelpunkt der Betrachtung, son­dern die Faktoren und Bedingungen, die für die Gesundheit förderlich sind und diese erhalten.[11]

 

3.1    Salutogenese versus Pathogenese


 

Durch die Anwendung des pathogenen-medizinischen Modells in den letzten 100 Jahren dominieren heute nicht mehr Infektionen und Akuter­krankungen. Diese häufigen Infektionskrankheiten wurden praktisch beseitigt und als Folge die Le­benserwartung in der Bevölkerung deutlich er­höht. Monika Köppel sieht die gegenwärtigenHerausforderungen in allen Industrieländern und Teilen der drit­ten Welt in chronischen Krankheiten, die nicht mehr durch hygienische Missstände, Viren, Bakterien oder Parasi­ten verursacht werden. Chronische Krankheiten entstehen durch eine „Überbelastung von physischen, psychischen und sozialen Anpassungs- und Regelungskapazitäten und sind auf eine Vielzahl biologischer, sozialer, ökonomischer und somatischer Faktoren zurückzuführen“ (Köppel 2003: 25),soz.B.Herz-Kreislauf Erkrankungen, bösartige Neubildun­gen, Atemwegs-/ Hauterkrankungen und Erkrankungen des Muskel-/ Skelett­systems. Da diese chronischen Erkrankungen größtenteils auf meh­rere Ursachen zurückzuführen sind und meistens frühzeitig im Leben eines Menschen auftreten, ist das pathologische Konzept der Behandlung kaum noch ausrei­chend. Die mehrdimensionalen Ursachen und die Veränderun­gen der Er­kran­kungen in den vergangenen Jahrzehnten stellen neue Ansprüche an die Behandlung, in welche mitunter auch andere Professionen mit einbe­zogen werden müssen. In den Vordergrund rückt da­bei immer mehr eine Intervention nach dem Prinzip der Salutogenese.[12]

 

3.2    Kohärenzgefühl


 

Unter dem Kohärenzgefühl (Sense of Coherence; SOC) versteht Anto­novsky im Wesentlichen

 

„eine globale Orientierung, die das Ausmaß ausdrückt, in dem jemand ein durch­dringendes Gefühl des Vertrauens hat, daß erstens die Anforderungen aus der internalen oder externalen Umwelt im Verlauf des Lebens struktu­riert, vorhersag­bar und erklärbar sind, und daß zweitens die Ressourcen verfügbar sind, die nötig sind, um den Anforderungen gerecht zu werden. Und drittens, daß diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Inves­titionen und Engagement ver­dienen.“ (Antonovsky 1993:12)

 

Vereinfacht kann das Kohärenzgefühl als „eine globale Orientierung [verstanden werden], die ausdrückt, in welchem Ausmaß man ein durchdringendes, andau­erndes und dennoch dy­namisches Gefühl des Vertrauens hat, dass

 

die Stimuli, die sich im Verlauf des Lebens aus der inneren und äuße­ren Um­gebung ergeben, strukturiert, vorhersehbar und erklärbar sind;

 

einem die Ressourcen zur Verfügung stehen, um den Anforderun­gen, die diese Stimuli stellen, zu begegnen;

 

diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Anstrengungen und Enga­gement lohnen.“ (Antonovsky, 1997:36)

 

Das Kohärenzgefühl wird hauptsächlich, so Antonovsky, in seinen wesent­lichen Zügen in den ersten zehn Lebensjahren, also im Kinder- und Jugendalter entwi­ckelt und bleibt dann weitgehend unverändert.[13] Anto­novsky geht zudem davon aus, dass das Kohärenzgefühl im Alter von 30 Jahren voll ausgebildet ist und es nach diesem Zeitraum nur geringe Möglich­keiten gibt, eine grundlegende Verän­derung herbeizuführen.[14] Eine Veränderung kann sich somit nur „aus der An­regung eines neuen Musters, eines neuen Konzeptes der Lebenserfahrung [ergeben]. Wenn dieses Muster über Jahre hinweg beibehalten wird, kann sich (..) eine graduelle Veränderung des Kohärenzgefühls ergeben“ (Lamp­recht/Johnen 1997: 24).

 

Die Hauptkomponenten des Kohärenzgefühls sind das Ergebnis mehrerer un­strukturierter Tiefeninterviews mit der Leitfrage, wie die Probanden selbst ihr Leben sehen. Die Interviews wurden an 51 sehr unterschiedlichen Personen durchgeführt, die allesamt zwei gemeinsame Charakteristika aufwie­sen: zum ei­nen erlebte jeder ein schweres Trauma und kamen zum anderen sehr gut damit zurecht. Als Ergebnis fielen zwei Extremgruppen mit einem sehr hohen Kohä­renzgefühl (16 Personen) und einem sehr niedri­gen Kohärenzgefühl (11 Personen) auf. Antonovsky prüfte die Protokolle der Interviews und fand drei zentrale Komponenten, die „konsistent in der einen Gruppe zu finden waren, und die in der anderen merklich fehlten.“ (Antonovsky 1997:34) Diese Salutogeneti­scher Trias (siehe Abb. 2) setzt sich zusammen aus Verstehbarkeit, Hand­habbarkeit und Bedeutsamkeit.[15]

 

 

Abb. 2: Salutogenetischer Trias[16]

 

3.2.1    Verstehbarkeit (Sense ofComprehensibility)


 

Antonovsky drückt das Merkmal Verstehbarkeit als „expliziten Kern der ursprüng­lichen Definition“ (Antonovsky 1997:34) aus und meint das Ausmaß, in dem In­formationen als kognitiv sinnhaft, geordnet, konsistent, strukturiert und klar wahr­ge­nommen werden und nicht als chaotisch, ungeordnet, willkürlich, zu­fällig und unerklärlich. So kommentiert er zudem, dass Personen mit einem hohen Grad an Verstehbar­keit die Zukunft als vorhersagbar, oder falls sie tatsächlich über­raschend auftritt, als eingeordnet und erklärt wahrnehmen. Dabei ist jedoch nicht von der Erwünschtheit des Ereignisses die Rede, sondern lediglich, dass z.B. Tod, Krieg oder Versagen von der Per­son erklärt werden kann.[17]Pauls fügt hinzu, dass es „hier um kognitive Verarbeitungsmuster, Theoriewissen [und] Weltbilder“ (Pauls 2011: 105) geht. Die Grundlage zum Aufbau der Versteh­barkeit sind dabei konsistente Erfahrungen, die ein Ausmaß an psychologischer Offenheit für Ver­änderun­gen verlangen. Es ist demzufolge unerlässlich, dass ein emotionaler und kognitiver Lebenswandel angenommen wird. Diese Lebensver­änderungen können z.B. durch Altern, Heirat, Geburt, Auszug der Kinder, Trennung, Beruf, Erkrankung, Schicksalsschläge und Pensionierung hervorge­rufen werden.[18]

 

3.2.2    Handhabbarkeit (Sense of Manageability)


 

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