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Einführung des Werkstorprinzips

Abschaffung der Entfernungspauschale

AutorPetra Normann
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl78 Seiten
ISBN9783640489947
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich BWL - Rechnungswesen, Bilanzierung, Steuern, Note: 2,0, Universität zu Köln, Sprache: Deutsch, Abstract: Mit Inkrafttreten des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 2007 hat der deutsche Gesetzgeber das 'Werkstorprinzip' im Einkommensteuerrecht eingeführt und Pendelaufwendungen zur Gänze der steuerlich irrelevanten Sphäre der Einkommensverwendung zugeordnet. Das Bundesverfassungsgericht verhinderte die Umsetzung des 'Werkstorprinzips', gestand dem Gesetzgeber jedoch grundsätzlich eine Abschaffung der Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 2 EStG 2007 zu. Aufgrund der enormen Staatsverschuldung ist davon auszugehen, dass eben diese Abschaffung erneut politisch und rechtlich aufgegriffen wird. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist es, zu analysieren, ob an der Förderung von Fahrten zwischen Wohnung und Erwerbsstätte festzuhalten oder diese abzuschaffen sei. Den Ausgangspunkt der Analyse bilden die historischen, steuer-systematischen, rechtlichen und definitorischen Ausführungen zur Einführung des 'Werkstorprinzips' und der Existenz der Entfernungspauschale. Die Notwendigkeit der Förderung des Pendelns, die Überprüfung deren Zweckerreichung und die Treffsicherheit der Entfernungspauschale werden in Frage gestellt. Im Weiteren erfolgt die Darstellung der Gestaltungsvariabilität der bisherigen Regelungen zur Entfernungspauschale. Es wird verdeutlicht, dass es sich bei der Pendelförderung um ein Politikinstrument handelt, das abhängig von gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Stimmungsfaktoren ist. Weiterhin wird die Möglichkeit der Abschaffung der Entfernungspauschale und die Einführung des 'Werkstorprinzips' auf ihre Verfassungskonformität hin untersucht. Abschließend erfolgt die ökonomische Analyse zur Abschaffung der Entfernungspauschale. Im Ergebnis wird dargestellt, dass ein Abrücken von der Förderung arbeitstäglicher Fahrten steuerrechtssystematisch möglich und aus ökonomischen Gründen sinnvoll und geboten ist. Aufgrund von Mitnahmeeffekten übersteigen die Kosten den Nutzen der Entfernungspauschale. An dieser Stelle wird betont, dass Erwerbstätige auch ohne die Gewährung einer Entfernungspauschale und somit einer Unterstützung vom Staat für die Ausübung einer präferierten Tätigkeit umziehen oder arbeitstäglich längere Wege akzeptieren würden. Abschließend wird ein Vorschlag zu einer verfassungskonformen Umsetzung der Abschaffung der Entfernungspauschale durch die Einführung des 'Werkstorprinzips' unterbreitet.

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Leseprobe

2 Steuerrechtliche und finanzwissenschaftliche Grundlagen

 

2.1 Die Entfernungspauschale auf dem Prüfstand

 

Legitimer, klassisch-liberaler Zweck der Besteuerung als Teilhabe am privaten Wirtschaften ist es, durch die Erhebung des notwendigen Finanzbedarfs die Verwirklichung der Rechts- und Wirtschaftsordnung sicher zu stellen.[22] Darüber, ob der Staat zuständig ist und andererseits, ob er in die Pflicht genommen werden sollte, den zur Erwerbsstätte pendelnden Steuerpflichtigen die Fahrtkosten zu subventionieren, kann trefflich diskutiert werden. Vielerorts wurden Stimmen erhoben und zum Ausdruck gebracht, dass die Diskussion um die Aufrechterhaltung der Entfernungspauschale dazu geeignet sei, die Forderungen der Gesellschaft gegenüber dem Steuerstaat zu prüfen.[23] Staatlichen Leistungen sind auf das Notwendige zu beschränken, um so die Zahlungen der einzelnen Steuerpflichtigen auf möglichst niedrigem Niveau zu halten.[24] Das Festhalten an Subventionen und Steuervergünstigungen, insbesondere bei hoher Haushaltsverschuldung, ist nur unter besonderer Rechtfertigung ihrer Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Treffsicherheit beizubehalten.[25] Der Abbau von Steuervergünstigungen ist grundsätzlich und unbedingt mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung vereinbar.[26]

 

Möchte der Gesetzgeber bei steigendem Finanzbedarf auf eine Tariferhöhung durch die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage verzichten, bietet sich die Abschaffung von Steuerprivilegien wie der Entfernungspauschale an. Von einem niedrigen Steuertarif gehen im internationalen Steuerwettbewerb psychologische Anreizwirkung für eine Investitionstätigkeit aus.[27] Im politischen und wissenschaftlichen Bereich besteht Übereinstimmung, dass die wichtigste Ursache für Kapitalfehllenkungen selektive Subventionen und steuerliche Vergünstigungen darstellen. Ein Subventionsabbau flankiert mit Steuerentlastungen ist gesamtwirtschaftlich von Vorteil.[28] Der Bund rechnet durch die Kappung der Pendlerpauschale bis zum 20. Entfernungskilometer mit einer direkten jährlichen Ersparnis von 2,5 Milliarden Euro und einer Vereinfachung der Steuererhebung bei Einführung der geänderten Regelung zur Pendlerpauschale nach § 9 Abs. 2 beziehungsweise § 4 Abs. 5a EStG 2007.[29]

 

2.1.1 Motivation der Entfernungspauschale

 

Die Motivation für die Einführung und das Festhalten an der Entfernungspauschale besteht in der Unterstützung des beschäftigungspolitischen Ziels, möglichst viele Arbeitnehmer zur Annahme produktiver Erwerbstätigkeiten gegebenenfalls auch in entfernten Regionen zu veranlassen, indem der Staat - und damit alle Steuerpflichtigen - die Fahrtkosten der Pendler zumindest teilweise tragen. Erreicht werden soll so ein höheres volkswirtschaftliches Produktionsniveau.[30]

 

Von der Entfernungspauschale ist als eine Steuervergünstigung zu sprechen, da die Gewährung der Entfernungspauschale bei kurzfristig unveränderter Arbeitsplatzwahl erhebliche Steuerausfälle für den Fiskus nach sich zieht. Dadurch, dass die Pendlern aufgrund des Abzugstatbestandes für Fahrtkosten nicht die gesamten Pendelaufwendungen tragen, verändern sich die Pendelentscheidungen bezüglich der Länge der arbeitstäglich zurückzulegenden Fahrtstrecke. Die Steuervergünstigungen des Staates bewirken, dass die gewählte, zu pendelnde Distanz über das Maß steigt, das der Pendler wählen würde, wenn er für die gesamten Fahrtkosten aufkommen müsste.[31]

 

Auch mittelfristig ist bei Annahme einer erhöhten Mobilität der Arbeitsbevölkerung durch die Förderung des Pendelns anzuzweifeln, ob die positiven Auswirkungen der Existenz der Förderung gegenüber dessen Kosten ein Festhalten an der Förderung rechtfertigen. Die Entfernungspauschale wird zwar pauschaliert, also nicht in tatsächlicher Höhe gewährt, dennoch entstehen insbesondere auch hohe Kosten der Förderung aufgrund von Mitnahmeeffekten.

 

Diese bestehen maßgeblich darin, dass die Entfernungspauschale verkehrsmittelneutral ausgestaltet ist. Dies bedeutet, dass sie auch dann gewährt wird, wenn dem Steuerpflichtigen keine Kosten durch die Fahrten beispielsweise aufgrund der Bildung von Fahrgemeinschaften entstehen. Die Förderung des Pendelns ergeht unabhängig vom individuellen Veranlassungskontext der Fahrten, also auch dann, wenn die Fahrten ausschließlich aufgrund privater Motive getätigt werden. Bei der Gewährung der Pauschale bleibt die Bedürftigkeit der Steuerzahler unberücksichtigt.

 

Fördermaßnahmen sind im Allgemeinen nicht durch die Interessen der Empfänger zu rechtfertigen und nur zu gewähren, wenn die bewirkten Vorteile der Gemeinschaft und damit allen Bürgern zugute kommen. Durch die Entfernungspauschale entstehen allen Bürgern Kosten durch entgangene Einnahmen. Im Jahr 2001 wurden 27,8 Milliarden Euro aufgrund der Entfernungspauschale steuerlich als Erwerbsaufwand geltend gemacht.[32] Dies entspricht einer Steuerentlastung für alle Steuerzahler von nahezu 6 Milliarden Euro, die dem Staat fehlen, um allgemein Steuerentlastungen durchzusetzen.[33] Die Förderung des Pendelns aus Mitteln des öffentlichen Haushaltes wurde mit Inkrafttreten des StÄndG 2007 abgeschafft.[34] Die Mehrheit der Bundesregierung stimmte für dessen Abschaffung.[35] Im Rahmen der Umsetzung des StÄndG 2007 wurde berechnet, dass durch die Einführung des Werkstorprinzips mit flankierender Härtefallregelung jährliche Kosten i. H. v. 2,5 Milliarden Euro eingespart würden.[36] Die gesetzliche Neuregelung der Fahrten geschah aufgrund der Überzeugung, dass das Ziel eines hohen Produktivitätsniveaus auch ohne eine Förderung erreicht werden kann.

 

2.1.2 Festhalten an der Entfernungspauschale fraglich

 

Um zu prüfen, ob das Festhalten an der Entfernungspauschale geboten ist, werden die Kriterien der Notwendigkeit der Förderung, deren Zweckerreichung und Treffsicherheit näher betrachtet.

 

Dass die Notwendigkeit und Zweckerreichung der Förderung des Pendelns anzuzweifeln ist, belegen diverse Umfragen und Studien.

 

Diese ergeben, dass die Mehrheit der Deutschen bereit wären für eine neu angenommene Erwerbstätigkeit umziehen[37] beziehungsweise längere Wege akzeptieren[38] und die finanziellen Belastungen selber tragen würden. Rund 80 % der Arbeitnehmer können sich vorstellen umzuziehen, wenn ihnen gestiegene Karrierechancen, flexiblere Arbeitszeiten oder eine höher entlohnte Tätigkeit als die Aktuelle angeboten werden. Eine Umfrage für Fach- und Führungskräfte stellte fest, dass 44 % der Befragten für ihren „Traumberuf“ eine Stunde arbeitstäglich pendeln würden und weitere 12 % zwei Stunden arbeitstäglich in Kauf nähmen. Es scheint, als entschieden sich die Arbeitnehmer auch ohne monetäre Unterstützung vom Staat für persönlich präferierte Tätigkeiten.

 

Für die wenigsten Arbeitnehmer ist die Ausgestaltung der Entfernungspauschale für die Wahl ihre Arbeitstätigkeit entscheidungserheblich.[39] Diejenigen der pendelnden Erwerbstätigen wohnen meist nur wenige Kilometer von ihrer Erwerbsstätte entfernt. 50 % der Pendler legen arbeitstäglich weniger als zehn Kilometer zurück, weitere 30 % nur zwischen zehn und 25 Kilometer.[40] Der durchschnittliche Arbeitsweg im Jahr 2002 war 15,6 Kilometer lang und dauerte 24 Minuten.[41] Die Vorteile für das Gemeinwohl durch die Existenz der Entfernungspauschale ist für diese Gruppe kaum auszumachen.

 

Ein Grund für das langjährige Bestehen der Fahrtkostenförderung ist weniger auf die Notwendigkeit und Zweckerreichung der Entfernungspauschale zurückzuführen. Vielmehr ist zu vermuten, dass das Festhalten aufgrund der politischen Gestaltungsmöglichkeit von Verteilungseffekten durch den Abzugstatbestandes beruht[42] Obwohl Steuergerechtigkeit mit Verteilungsgerechtigkeit einhergehen muss, unterliegen Politik sowie Lobbyverbände der Versuchung durch die Förderung des Pendelns und deren Gestaltung Einfluss auf politische Mehrheitsverhältnisse auszuüben.[43] Die Pendlerpauschale, die knapp 15 Millionen Pendler in Deutschland direkt betreffen, eignet sich im Besondern als Wahlgeschenk für parteipolitische Unterstützung.

 

Mit der Entfernungspauschale wurde angestrebt, gleichzeitig verteilungs-, umwelt- und regionalpolitische Aspekte zu verwirklichen. Dass eine Maßnahme jedoch nur treffsicher wirkt, wenn sie ein Ziel erreichen soll wird in Kapitel 5.5 gezeigt.

 

Da die Notwendigkeit, die Zweckerreichung und die Treffsicherheit der Entfernungspauschale nicht bewiesen werden kann ist der Fortbestand der Pendlerpauschale anzuzweifeln.

 

2.2 Der Gleichheitssatz im...

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