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Einführung in die Metaethik

Reclams Universal-Bibliothek

AutorTitus Stahl
VerlagReclam Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl228 Seiten
ISBN9783159603759
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Die Ethik behandelt die Frage, was wir tun sollen. Die Meta-Ethik geht einen Schritt weiter: Was tun wir, wenn wir sagen, wir sollten etwas tun? Titus Stahls ebenso klare wie präzise Einfühurng in diesen Themenbereich beleuchtet aus dieser übergeordneten Meta-Perspektive das, was Ethik eigentlich ausmacht.

Titus Stahl, geb. 1979, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt.

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Leseprobe

2 Kognitivismus und Nonkognitivismus

Die Annahmen, die zusammen das beschriebene Problem mit der Moral ergeben, sollen im folgenden systematisiert und in das gängige Vokabular der heutigen philosophischen Debatte übertragen werden. Eine der wichtigsten Unterscheidungen hinsichtlich metaethischer Positionen ist zunächst die Unterscheidung zwischen Kognitivismus und Nonkognitivismus.

Der Kognitivismus

Kognitivistische Theorien sind all jene Theorien, die davon ausgehen, dass es sich bei moralischen Urteilen genauso oder sehr ähnlich wie bei Urteilen über nicht-moralische Tatsachen um den Ausdruck von Überzeugungen und damit um behauptende Stellungnahmen zu Aussagen handelt, deren Bedeutung dadurch gegeben ist, dass sie Wahrheitsbedingungen besitzen.

Was heißt das? Die Überzeugung »Der Tisch ist grün« zu haben, heißt einfach, eine Haltung zu der Aussage »Der Tisch ist grün« einzunehmen, die uns auf die Wahrheit dieser Aussage festlegt. Dass diese Aussage wahr ist, scheint in diesem Fall aber einfach zu heißen, dass bestimmte Wahrheitsbedingungen erfüllt sind. Die Aussage »Der Tisch ist grün« ist nämlich nur unter der Bedingung wahr, dass der Tisch grün ist, das heißt, dass seine Oberfläche Licht eines bestimmten Spektrums reflektiert. Es ist sogar, so könnte man sagen, grundlegend für die Bedeutung dieses Satzes, dass er nur dann wahr ist, wenn dies der Fall ist. Falls wir die entsprechende Überzeugung haben, haben wir also eine Haltung, die uns darauf festlegt, dass diese unabhängigen Bedingungen auch erfüllt sind.

Moralische Urteile drücken nach der Sicht einer kognitivistischen Theorie in genau dieser Weise Überzeugungen aus. Sie sind also Festlegungen auf die Gegebenheit der Wahrheitsbedingungen von moralischen Aussagen, deren Bedeutung durch eben diese Wahrheitsbedingungen festgelegt ist. Das heißt natürlich auch, dass es so etwas wie Wahrheitsbedingungen geben muss, die die Bedeutung moralischer Aussagen festlegen. Es gibt also Tatsachen, die gegeben sein müssen, damit eine Aussage der Art »Mord ist moralisch falsch« entweder wahr oder falsch ist. Eine kognitivistische Position verpflichtet uns daher dazu, genauer anzugeben, was diese Tatsachen sind.

Der wichtigste Grund dafür, eine kognitivistische Position zu akzeptieren, ist die sogenannte »wahrheitsfunktionale Oberflächenstruktur moralischer Diskurse«. Dieser Ausdruck bedeutet nichts anderes, als dass die sprachlichen Mittel (also die Wörter und Satzstrukturen), mit denen wir in unserer Alltagssprache moralische Urteile ausdrücken, so gestrickt sind, dass sie nur unter der Voraussetzung zu »passen« scheinen, dass die Bedeutung solcher Urteile zumindest zum Teil durch ihre Wahrheitsbedingungen festgelegt wird und dass sie Überzeugungen ausdrücken. Moralische Behauptungen haben nicht nur in der Regel die Struktur von »normalen« Aussagesätzen. »Der Tisch meiner Großmutter war grün« und »Der Mord an Martin Luther King war moralisch falsch« scheinen genau die gleiche Art von Satz zu sein. Wir sagen auch ganz direkt, dass ein bestimmtes moralisches Urteil wahr oder falsch ist, weil es die Dinge so beschreibt, wie sie sind. So könnten wir sagen, dass der Satz »Mord ist falsch« deshalb wahr ist, weil Mord falsch ist – weil also die Wahrheitsbedingungen der Aussage »Mord ist falsch« erfüllt sind.

Schließlich stützen auch unsere moralischen Intuitionen den Kognitivismus: Es ist doch, so könnte man sagen, unabhängig von unseren Einstellungen wahr, dass etwa der Mord an Martin Luther King ein Verbrechen war. Können wir unsere moralischen Urteile anders verstehen, als dass hier behauptet wird, dass Tatsachen existieren, die diese Aussage wahr machen?

Der starke Kognitivismus

Selbst dann, wenn man eine kognitivistische Position akzeptiert, ist aber immer noch höchst unklar, auf welcher Art von Wahrheitsbedingungen die Bedeutung moralischer Aussagen und Urteile beruht. Eine intuitiv naheliegende Position zu dieser Frage würde lauten, dass moralische Urteile deshalb Wahrheitsbedingungen haben, weil diese Urteile solche Überzeugungen über die Realität ausdrücken, die einen Teil dieser Realität repräsentieren. Moralische Urteile referieren so auf »Tatsachen in der Welt«, wie viele andere Urteile auch – und es ist relativ einfach zu sehen, wie sie wahr oder falsch sein können. Eine solche Position können wir eine starke kognitivistische Position nennen. Ihr zufolge sind moralische Aussagen wahrheitsfähig, weil sie Erkenntnisse über moralische Tatsachen reflektieren, die unabhängig davon existieren, dass wir dies glauben. Eine solche Position nennt man »moralischen Realismus«.

Je nachdem, ob man diese Tatsachen als Teil der »natürlichen Welt« begreift, kann man weiter zwischen Positionen unterscheiden, die annehmen, dass sich moralische Urteile wie »X ist moralisch richtig« auf natürliche Sachverhalte beziehen, also mit »moralisch richtig« auf ganz gewöhnliche, natürliche Eigenschaften der Dinge referieren (»Naturalismus«), oder aber, dass sie »nichtnatürliche« Sachverhalte beurteilen, dass moralische Tatsachen also Sachverhalte einer »eigenen Art« sind (»Non-Naturalismus«).

Im Bereich des starken Kognitivismus können wir uns aber auch eine Position vorstellen, die moralische Urteile als Tatsachenaussagen über uns selbst versteht, die also die Wahrheitsbedingungen in der (psychischen) Verfasstheit des Sprechers lokalisiert. Nach einer solchen Position besteht kein Unterschied zwischen der Aussage »X ist falsch« und der Aussage »Ich habe eine bestimmte Haltung zu X«, wobei die zweite Aussage als Tatsachenbehauptung (und nicht als bloßer Ausdruck eines Wunsches) verstanden werden muss (»Subjektivismus«).

Eine letzte stark kognitivistische Position, die im weiteren eine Rolle spielen wird (vgl. hier Abschnitt: »Die Irrtumstheorie«, S. 62–66), ist die etwas ungewöhnliche Position der »Irrtumstheorie«. Diese Theorie nimmt an, dass moralische Urteile wahrheitsfunktional sind, also wahr sein können. Moralische Urteile beziehen sich aber auf eine Klasse von Tatsachen, die es schlichtweg nicht gibt – deswegen sind letztlich alle affirmativen moralischen Urteile nach unserem herkömmlichen Verständnis nicht zu rechtfertigen. Es mag seltsam erscheinen, eine Position, die so wenig daran glaubt, dass es in der Moral etwas zu erkennen gibt, »Kognitivismus« zu nennen. Im Sinne der formalen Einteilung ist aber auch eine Position, die alle affirmativen moralischen Urteile als falsch bezeichnet, auf deren mögliche Wahrheit festgelegt.

Der schwache Kognitivismus

Im Unterschied zu starken kognitivistischen Theorien nehmen schwache kognitivistische Theorien nicht an, dass moralische Urteile auf einem möglichen Zugriff auf moralische Tatsachen...

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