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Eingesperrt in meinem Leben?

Ausbrechen - Aufbrechen - Zeichen setzen

AutorJosef Epp
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783641135294
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Freiheit und Befreiung sind zentrale Schwerpunkte der biblischen Glaubensbotschaft. In der Lebenssituation vieler Menschen, die in Abhängigkeiten verstrickt und von ganz unterschiedlichen 'Sachzwängen' bestimmt sind, kann diese Botschaft neue Lebensperspektiven eröffnen. Das Buch wendet sich an Menschen, die sich in der alltäglichen persönlichen, familiären und beruflichen Situation häufig fremdbestimmt sehen und die Sehnsucht nach mehr Selbstbestimmung und Freiraum verspüren. Es ermutigt dazu, das Leben in die Hand zu nehmen und Veränderungen entschlossen herbeizuführen.

Josef Epp, geb. 1957, ist Klinikseelsorger, Religionslehrer und gefragter Referent in der Erwachsenenbildung. Er ist verwitwet und Vater dreier Kinder. Josef Epp lebt im Allgäu.

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Leseprobe

Jesus begegnen – Freiheit gewinnen

Die gute Botschaft der Evangelien

Wie die alttestamentlichen Texte, so liefern auch die Evangelien keine historischen Reportagen mit protokollarischer Qualität. Evangelium heißt »gute Nachricht« und ihre Verfasser wollen einer Gemeinde von Gläubigen nahebringen, wie in der Begegnung mit Jesus das Leben Bereicherung, Erfüllung und Heilung erfahren kann.

Jeder Evangelist arbeitet mit seinen eigenen Stilmitteln, komponiert aus verschiedenen Textquellen und baut eine Struktur, die für sich wieder etwas aussagen will. Wenn Markus am Anfang und am Ende des Weges Jesu nach Jerusalem von einer Blindenheilung erzählt, so hat dies nicht chronologische Qualität, sondern will vermitteln, dass es darum geht, die Augen für eine neue und erfüllende Wirklichkeit geöffnet zu bekommen. Wenn Johannes sieben zeichenhafte Wunder mit »Ich-bin-Worten« Jesu verbindet, so will er in Zeichenhandlung und Wort deutlich werden lassen, wer dieser Jesus für die Menschen ist. So begegnen wir in den Evangelien vielen Kompositionselementen und Textformen.

Dennoch haben auch die Evangelien rote Fäden, gedankliche Linien, die sich immer wieder aufspüren lassen. In jedem Evangelium geht es darum, dass Jesus das nahe Reich Gottes verkündet. Seine Botschaft ist erfüllt von der Überzeugung, dass Leben im Hier und Jetzt gelingen kann, weil Gott dafür die Möglichkeit eröffnet. In allen Evangelien begegnet uns Jesus als Heiler, als »Therapeut« im besten Sinne, der Menschen von bedrohlichen Krankheiten und aus heillosen Verstrickungen erlöst. Über die einzelnen Textgestaltungen hinaus begegnet uns ein Jesus, der Gleichnisse erzählt, der in der erfahrbaren Wirklichkeit der Menschen ansetzt, um vom unbegreiflichen Gott etwas nahezubringen.

Durch alle Evangelien zieht sich der rote Faden, dass es um das Wohl des Menschen geht, um die gültige Verheißung von Leben und Erfüllung. Gefährdung und Bedrohung sollen überwunden werden und die Liebe Gottes zum Menschen soll als spürbare Wirklichkeit in der Erfahrung der Menschen gegenwärtig sein. In dieser guten Nachricht der Evangelien nimmt die Befreiung von Menschen aus Fesseln der Fremdbestimmung einen zentralen Stellenwert ein.

Für diesen Grundstrom in den Evangelien gibt es mehrere Kurzformeln. Eine sehr aussagekräftige schenkt uns das Lukasevangelium, das davon berichtet, wie Jesus in seine Heimat Nazaret kommt und in der Synagoge – sozusagen als »Regierungserklärung« – in Anlehnung an den Propheten Jesaja seine Botschaft verdichtet:

»Der Geist des Herrn ruht auf mir: denn der Herr hat mich gesalbt.

Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe;

damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht:

damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.«

Dann schloss er das Buch, gab es dem Synagogendiener und setzte sich. Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet. Da begann er, ihnen darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.

Lk 4,18–21

Unübersehbar, wie das Motiv der Befreiung hier als zentrales Anliegen der Jesusbotschaft hervorgehoben wird. Es wird in einer individuellen und einer sozialen, einer gesellschaftlichen und einer religiösen Dimension formuliert. Wer sich mit Jesus auseinandersetzt, kommt nicht daran vorbei. Jesus belässt es nicht bei einer Verheißung, er erhebt einen Anspruch: Das Wort hat sich erfüllt, die Befreiung ist reale Möglichkeit, jetzt und hier und ganz konkret. Sein Handeln ist auf die Befreiung des Menschen ausgerichtet.

Jesus der Befreier

Markus, allgemein als ältester Evangelist bezeichnet, komponiert sein Evangelium kunstvoll und baut es aussagekräftig auf.

Nachdem Jesus den Versuchungen der Wüste widerstanden hat, tritt er in Galiläa auf und verkündet das nahe Gottesreich. Zu dessen Verbreitung beruft er am See Genesaret Jünger. Am ersten Sabbat seines öffentlichen Auftretens kommt er in die Synagoge von Kafarnaum.

Als erstes, programmatisches Wunder wird zum Auftakt des öffentlichen Wirkens Jesu die Heilung eines Mannes erzählt, »der von einem unreinen Geist besessen war« (Mk 1,23). Jesus befiehlt dem unreinen Geist zu schweigen und den Mann zu verlassen. Jesu Befehl erweist sich als wirksam; der Mann in der Synagoge ist frei.

Über das tiefere Verständnis der »Exorzismen« Jesu wird noch kurz nachzudenken sein; es ist wichtig, weltbildbedingte Missverständnisse zu vermeiden. Der Evangelist Markus macht durch diese hervorgehobene Erzählung deutlich, welcher Grundgedanke Jesus in seinem Umgang mit den Menschen bewegt, worin seine Sendung besteht. Es geht um die Freiheit des Menschen, um die Überwindung fremdbestimmender Mächte, um die Rückkehr des Menschen zu sich selbst. Der Mensch als Ebenbild Gottes, wie in der Schöpfungsgeschichte eindrucksvoll betont wird, soll diese ursprüngliche Größe durch Jesus neu geschenkt bekommen.

Dieses Befreiungshandeln wird zu einem durchgängigen Motiv in den Erzählungen der Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas (Johannes erzählt in seiner eigenständigen Komposition keine Besessenenheilungen, doch sehr wohl vom Zugewinn an Leben und Freiheit): Jugendliche, Männer und Frauen erleiden den Verlust einer eigenständigen Existenz und erfahren in der Begegnung mit Jesus Befreiung.

Dieses Handeln ereignet sich jedoch nicht nur in den Austreibungen unreiner Geister. Jesus heilt Blindheit, Taubheit und Stummheit als Verlust von Autonomie und Eigenständigkeit. Er überwindet Ausgrenzung und soziale Isolation in der Heilung Aussätziger. Er löst die Fesseln der Lähmung und die Bande des Todes.

Wo immer Jesus in Wort und Tat den Menschen begegnet, ist die Überwindung lebensbeschränkender Grenzen sein Anliegen. Von ihm berührt, wagen Menschen aufzublicken und sich aufzurichten, stehen sie wieder auf eigenen Beinen, löst sich ihre Zunge, eröffnet sich eine neue Lebensperspektive in Freiheit. Dies haben Menschen so hautnah und unmittelbar erfahren, dass sie davon allen anderen erzählen müssen, dass einige von ihnen alles aufgeben, um mit Jesus zu gehen. Dieser Erfahrung gilt es nachzuspüren, um die Befreiungskraft Jesu auch in der konkreten Situation des eigenen Lebens zu entdecken.

Von fremden Mächten in Besitz genommen

Im Weltbild zur Zeit Jesu werden viele Alltagsphänomene dämonisch gedeutet, alles, was den Menschen gefährdet, wird auf Schadensgeister zurückgeführt. Dieses mythologische und personalisierte Weltbild ist für uns nicht mehr nachvollziehbar. Wir wissen, dass Epilepsie eine Störung der »Hirnelektronik« ist, und halten davon Abstand, betroffene Menschen als besessen zu bezeichnen. Die Kenntnisse von Psychosen und neurologischen Erkrankungen bewahren uns vor der Dämonisierung auffälliger Erscheinungsbilder.

Doch hinter den Besessenenheilungen Jesu steckt eine Erfahrung, die sich nicht auflöst, wenn die dämonische Deutung einem aufgeklärten Verständnis weicht. (Ohnehin sollte unser Vertrauen in aufgeklärtes Denken nicht unbegrenzt sein, wenn wir bedenken, welch »dämonische« Kraft von Massenhysterien, ideologischer Manipulation oder Fanatismus ausgehen kann. Auch aufgeklärtes Denken kann zu einem Mythos werden.)

Besessenheit ist sprachlich die Passivform von Besitz. Besitz ist ein Zeichen freien und selbstbestimmten Lebens: Ich habe etwas, das meine Unabhängigkeit ermöglicht, ich kann über Dinge bestimmen, die mir gehören, aktiv und frei. Schon kleine Kinder machen die Erfahrung, dass sie mit dem Taschengeld – so gering es sein mag – tun dürfen, was sie wollen, dass dies ihrer Verfügung unterliegt, und Eltern sind gut beraten, hier den Kindern Freiheit als Lernraum zu belassen.

Wenn ich besitze, verfüge ich, agiere ich, bestimme ich. Die sprachliche Umkehrung ist die Besessenheit. Wenn ich mich als Besitz von etwas anderem erfahre, bin ich besessen. Die Rollen haben sich verändert: Nicht ich »sitze« souverän auf etwas, sondern etwas »sitzt« auf mir und hat von mir Be-sitz ergriffen. Nun wird über mich verfügt und bestimmt.

Diese sprachliche Unterscheidung verdeutlicht, was sich jenseits dämonischer Deutung hinter Besessenheit verbirgt: Die Machtergreifung fremder Gewalten in meinem Leben, der Verlust von Selbstbestimmung und Souveränität, die Erfahrung, nicht sich selbst zu gehören, sondern ein von außen diktiertes Leben führen zu müssen.

Der Mann in der Synagoge von Kafarnaum wird von dem Dämon hin- und hergerissen und hat dadurch keinen eigenen Standpunkt. Der Besessene von Gerasa lebt außerhalb der Gemeinschaft im Bezirk des Todes und zeigt autoaggressives Verhalten (vgl. Mk 5,1–20), schadet sich selbst. Ein Mensch ist durch Stummheit von der Kommunikation als menschlicher Lebensform ausgeschlossen und kann Beziehung nicht leben (Mt 9,32–33). Diese Beispiele eröffnen den Blick auf das Wesen der Besessenheit, jenseits der konkreten Deutung durch Dämonen oder aufgeklärte Sichtweisen.

Der Blick in unsere Lebenswelt macht uns für viele Formen der Besessenheit sensibel. Macht und Besitz können das Denken und Streben von Menschen restlos ergreifen; manch einer ist ständig davon gesteuert, die Anerkennung anderer zu erreichen. Fanatismus lähmt oft das freie, vernünftige Denken; Ehrgeiz, Leistungsorientierung oder auch Gleichgültigkeit können sich im Leben von Menschen derart breitmachen, dass sie immer mehr deren Lebenswirklichkeit bestimmen.

Deuten wir Besessenheit als Besitzergreifung unserer eigenen...

Blick ins Buch

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