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Einstweiliger Rechtsschutz im nationalen und internationalen Schiedsverfahren

AutorPhilipp Giessen
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl71 Seiten
ISBN9783640342204
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Jura - Zivilprozessrecht, Note: 12, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Arbeit behandelt das schiedsgerichtliche Eilverfahren auf der Grundlage des § 1041 Abs. 1 ZPO, die in Betracht kommenden Eilmaßnahmen sowie die mögliche Form, die Durchsetzung von schiedsgerichtlichen Eilmaßnahmen, die konkurrierende Zuständigkeit staatlicher Gerichte zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und Fragen des Schadenersatzes. Zudem werden aktuelle Entwicklungen im Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes vor Schiedsgerichten dargestellt wie etwa der Einfluss des lex mercatoria und die Reformierung des Art. 17 UNCITRAL ModG.

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Leseprobe

3. Das Eilverfahren vor dem Schiedsgericht


 

Das schiedsrichterliche Eilverfahren ist als selbstständiges Verfahren anzusehen,[82] denn wie auch die herrschende Meinung zum staatlichen Eilverfahren annimmt,[83] ist der Streitgegenstand der prozessuale Anspruch auf Sicherung der gegenwärtigen oder zukünftigen Stellung im Hauptverfahren und damit ein anderer als der Streitgegenstand im Hauptprozess. Zudem werden die Entscheidungen im Eilverfahren gegenüber dem Hauptprozess gesondert vollstreckt.[84] Entscheidet sich die Partei für das schiedsgerichtliche Eilverfahren, so sind die generellen Zulässigkeitsvoraussetzungen zu beachten (3.1). Außerdem unterliegt das Verfahren bestimmten Grundregeln (3.2). Im Verfahren kann das Schiedsgericht die Leistung einer Sicherheit fordern (3.3). Zudem soll mit Pre-Arbitral Referee-Verfahren ein besonderes Eilverfahren vorgestellt werden, mit dem Eilmaßnahmen bereits dann erlassen werden können, wenn das Schiedsgericht selbst noch nicht bestellt ist (3.4).

 

3.1. Generelle Voraussetzungen der Zulässigkeit


 

Das Schiedsverfahren mit deutschem Schiedsort bestimmt sich nach den §§ 1025 ff. als lex loci arbitri. § 1042 gibt den Parteien die Möglichkeit, die Regeln, nach denen das Verfahren ablaufen soll, selbst zu bestimmen, was das Eilverfahren umfasst.[85] Regeln können die Parteien das Verfahren etwa mit Verweis auf bestimmte vorgefertigte Verfahrensregeln[86] oder durch eigene Regeln. Fehlen besondere Vereinbarungen der Parteien, greift gem. § 1042 IV das deutsche SchiedsVfG.

Unabhängig vom anwendbaren Verfahrensrecht muss das Schiedsgericht wirksam bestellt worden sein und sich konstituiert haben, gleichzeitig muss eine wirksame Schiedsvereinbarung vorliegen und der Streitgegenstand schiedsfähig sein.[87] Auch hat das Schiedsgericht zu prüfen, ob seine Zuständigkeit zum Erlass von Eilmaßnahmen nicht gem. § 1041 I ausgeschlossen wurde.[88] Ebenfalls unabhängig vom anwendbaren Verfahrensrecht muss das Schiedsgericht die durch § 1042 I, II vorgegeben zwingende Grundregeln wie etwa die Gewährung rechtlichen Gehörs beachten.[89] Insoweit gelten also die gleichen Voraussetzungen wie in einem Schiedsverfahren in der Hauptsache.

Das Schiedsgericht kann eine Eilmaßnahme nur dann anordnen, wenn dies von einer Partei beantragt wurde.[90] Ein zulässiger Antrag erfordert die Angabe des Rechtsschutzzieles sowie die Angabe der Tatsachen, auf die das Begehren gestützt wird.[91]

Weitere Voraussetzung im Eilverfahren vor Schiedsgerichten ist das bestehende Rechtsschutzbedürfnis. Kein Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, wenn der Antragssteller sein Rechtsschutzziel auf einfacherem und billigerem Wege erreichen kann, die begehrte Anordnung unmöglich oder mit Sicherheit nicht vollziehbar ist oder sein Begehren eine wiederholte querulatorische Eingabe darstellt.[92] Das Rechtschutzbedürfnis kann dagegen nicht mit dem Hinweis abgelehnt werden, dass der Antragssteller einstweiligen Rechtsschutz vor staatlichem Gericht ersuchen kann, denn nach dem Grundsatz der Parallelzuständigkeit darf der Antragssteller Eilmaßnahmen bei staatlichem Gericht und Schiedsgericht beantragen.[93]

Im Hinblick auf das erforderliche Beweismaß fehlt dem deutschen SchiedsVfG eine Regelung wie die des § 920 II, nach der die Glaubhaftmachung von Tatsachen ausreicht.[94] Aus der Regierungsbegründung zu § 1041 ergibt sich allerdings, dass auch beim einstweiligen Rechtsschutz vor dem Schiedsgericht der Arrest- bzw. Verfügungsanspruch und der Arrest- bzw. Verfügungsgrund glaubhaft zu machen sind.[95] Dies erscheint sinnvoll, denn die Beschränkung des Beweismaßes auf die Glaubhaftmachung dient dem berechtigten Interesse des Antragstellers an einem beschleunigten Verfahren.[96] Ein solches Interesse hat der Antragssteller ebenso im Schiedsverfahren.[97] Das Schiedsgericht kann sich zudem mit dem Rückgriff auf das Mittel der Glaubhaftmachung dem Vorwurf der Willkürlichkeit entziehen[98] und damit die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass ein staatliches Gericht die Anordnung gemäß § 1041 II für vollziehbar erklärt. Bei der Glaubhaftmachung muss der Schiedsrichter im Gegensatz zum Vollbeweis nicht von dem Vorliegen der Tatsache überzeugt sein; es reicht vielmehr, wenn er von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Vorliegens ausgeht.[99] Auf die eidesstattliche Versicherung als Mittel zur Glaubhaftmachung kann das Schiedsgericht jedoch nicht zurückgreifen.[100] Der Antragssteller hat also andere Mittel zur Glaubhaftmachung zu nutzen wie beispielsweise die Bezugnahme auf Akten,[101] anwaltliche Versicherungen[102] oder schriftliche Zeugenaussagen.[103]

Liegt eine Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien vor, ist das Schiedsgericht zum Erlass von Eilmaßnahmen befugt.[104] Wäre die Schiedsvereinbarung unwirksam, fehlte also die Kompetenz des Schiedsgerichts zum Erlass von Eilmaßnahmen. Mit Blick auf das Schiedsverfahren zur Hauptsache ist zu beachten, dass dort gem. § 1040 I 1 zu Beginn eines Schiedsverfahrens das Schiedsgericht die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung überprüft, die seine Zuständigkeit erst begründet.[105] Eine solch umfangreiche Prüfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes aber hätte zur Folge, dass langwierige Streitigkeiten über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts entstünden, die den Sinn von Eilmaßnahmen vereiteln könnten.[106] Zur Lösung wurde in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, insbesondere durch das Iran-U.S. Claims Tribunal, den Grundsatz der „prima facie jurisdiction“ entwickelt, wonach eine auf den ersten Anschein beschränkte Prüfung der Zuständigkeit in der Hauptsache ausreicht.[107] Ein Vergleich zum einstweiligen Rechtsschutz beim staatlichen Gericht zeigt, dass auch hier die Sachentscheidungsvoraussetzungen nur glaubhaft zu machen sind,[108] hier also ebenfalls eine Einschränkung auf Glaubhaftmachung vorgenommen wird. So muss auch im Schiedsverfahren der Antragsteller die Zuständigkeit des Schiedsgerichts und damit die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung glaubhaft machen.[109]

Zuständig ist das Schiedsgericht in seiner Gesamtheit.[110] Der Vorsitzende allein kann nur durch Schiedsvereinbarung zum Erlass von Eilmaßnahmen ermächtigt werden.[111] Eine Ermächtigung durch die anderen Schiedsrichter ist dagegen nicht zulässig, denn die Entscheidung über Eilmaßnahmen ist keine Entscheidung über einzelne Verfahrensfragen gem. § 1052 III.[112] Einzelne Stimmen bejahen die Möglichkeit der Schiedsrichter den Vorsitzenden zu ermächtigen und begründen dies mit der Befugnis des Schiedsgerichts nach § 1042 IV das Verfahren selbst zu regeln, soweit keine entgegenstehende Parteivereinbarungen bestehen.[113] Dem ist entgegen zuhalten, dass die Regierungsbegründung zu § 1052 III als Beispiele für einzelne Verfahrensfragen nur Belange wie die Verfahrenssprache oder die Zuziehung von Sachverständigen nennt.[114] Bei der Anordnung von Eilmaßnahmen handelt es sich um Entscheidungen mit viel weitergehenden Auswirkungen auf die Parteien, denn teilweise wird schon vorläufig gewährt, was eigentlich mit erfolgreicher Klage zugesprochen würde.[115] Folglich handelt es sich hierbei nicht um Entscheidungen über einzelne Verfahrensfragen.

 

3.2. Verfahrensrechtliche Grundregeln


 

§ 1042 I als lex loci verlangt zwingend die Einhaltung bestimmter verfahrensrechtlicher Grundregeln. Welche Auswirkungen der durch § 1042 I 2 im Schiedsverfahren geltende Gehörsgrundsatz auf das Eilverfahren hat, ist unklar. Das Gesetz trifft hierzu keine klare Aussage.[116] Geht man davon aus, dass sich der Anwendungsbereich des § 1042 I 2 nicht nur auf das Hauptsacheverfahren beschränkt, sondern auch auf den einstweiligen Rechtsschutz erstreckt, muss rechtliches Gehör im einstweiligen Rechtsschutz garantiert werden.[117] Dementsprechend wäre vor der Anordnung jeder Eilmaßnahme der Antragssteller zu hören, sofern die Parteien durch Vereinbarung nicht darauf verzichtet haben.[118] Ebenso der Gleichbehandlungsgrundsatz als wichtiger Grundsatz im Schiedsverfahrens[119] lässt eine Anhörung des Antragsgegners als unverzichtbar erscheinen. Maßnahmen, die ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners erlassen werden (ex-parte-Maßnahmen), wären deshalb nicht zulässig.

Allerdings könnte eine Anhörung den Überraschungseffekt und damit die Effektivität zunichte machen, da der Antragsgegner schon vor Anordnung der Eilmaßnahme über den baldigen Erlass derselben im Bilde wäre. Der schiedsgerichtliche einstweilige Rechtsschutz ist jedoch so ausgestaltet, dass ein Überraschungseffekt in der Regel überhaupt nicht zum Tragen kommt.[120] Bevor das Schiedsgericht eine Maßnahme erlassen kann, muss es bestellt und konstituiert werden. Nach § 1044 S. 1 muss die gegnerische Partei zuvor...

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