Um die nachfolgende Theorie der Portfolio Selection nachvollziehen zu können, werden zunächst die zwei für die Performance eines Portfolios maßgeblichen Komponenten vorgestellt: Rendite und Risiko bzw. Erwartungswert und erwartete Varianz.
Die zukünftigen Renditen sind ungewiss. Ergo müssen sie prognostiziert werden. In der Portfoliotheorie wird zu diesem Zweck die historische Wertentwicklung herangezogen, aus welcher die durchschnittliche Rendite errechnet werden kann. Aufgrund ihrer vorteilhaften statistischen Eigenschaften werden in der vorliegenden Arbeit ausschließlich stetige Renditen zugrunde gelegt.[131] Sie ergeben sich aus:
mit Kurs zum Zeitpunkt
Da als erwartungstreuer Schätzwert für die zukünftige Renditerealisation das arithmetische Mittel der historischen Renditen herangezogen werden kann, ergibt sich der Erwartungswert aus:
mit
[132]
Anders verhält es sich beim Risiko, welches in der Portfoliotheorie durch das Streuungsmaß Varianz oder ihrer Quadratwurzel, der Standardabweichung, quantifiziert wird. Die historische Varianz ist kein erwartungstreuer Schätzwert für die zukünftige Varianz. Stattdessen muss angesichts des geschätzten Mittelwerts eine Stichprobenkorrektur durchgeführt werden.[133] Die erwartete Varianz resultiert aus:
Die zu erwartende Standardabweichung leitet sich aus der erwarteten Varianz ab:
Obwohl auch im Folgenden die jeweiligen Erwartungswerte und gemeint sind, werden hierfür die kürzeren und üblichen Schreibweisen und verwendet.[134] Nun sind, wie im folgenden Kapitel gezeigt wird, erwartete Rendite und ihr Risiko keine unabhängigen Größen, sondern stehen in positiver Relation zueinander, sodass eine simultane Berücksichtigung beider Dimensionen sachgerecht ist.
Die moderne Portfoliotheorie geht auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse im bahnbrechenden Aufsatz „Portfolio Selection“ von Harry M. Markowitz aus dem Jahr 1952 zurück.[135] Er zeigte, dass das Risiko eines Portfolios im Gegensatz zur erwarteten Portfoliorendite nicht additiv verknüpft ist, also nicht aus der Summe der Einzelrisiken der Investitionen besteht.[136] Durch kluge Auswahl verschiedener Investments kann ein optimales Portfolio gebildet werden, das gegenüber anderen Portfolios ein geringeres Risiko bei unveränderter Renditeerwartung aufweist. Seither existieren zahlreiche theoretische Auseinandersetzungen als auch fachliche Anwendungen, wie etwa Portfoliooptimierungsprogramme. Die Theorie der Portfolio Selection stellt auch für die späteren Untersuchungen einen notwendigen Rahmen dar und wird deshalb ausführlicher betrachtet.
Das Modell beruht auf folgenden Restriktionen, die auch in der empirischen Analyse unterstellt werden:[137]
1. Die Informationsverarbeitung erfolgt augenblicklich und korrekt. Alles Erschließbare wird antizipiert. Diese These, auf welche später noch genauer eingegangen wird, wird als Effizienzmarkthypothese bezeichnet.
2. Von Verzerrungen durch Transaktionskosten und Steuern wird abgesehen.
3. Die einzelnen Assets sind beliebig teilbar. Bei ausreichend großen Investitionssummen kann diese Prämisse als realitätskonform betrachtet werden. Bei Berücksichtigung von Hedgefonds in der Portfoliooptimierung gilt das aber aufgrund der hohen Mindestinvestitionssummen nicht.
4. Renditen sind normalverteilt. Aufgrund dessen wird die Verteilungseigenschaft der Anlagerenditen vollständig durch den Erwartungswert und die Varianz beschrieben. Ob diese Annahme für Hedgefonds gehalten werden kann, wird später untersucht.
5. Alle Marktteilnehmer streben nach Nutzenmaximierung und handeln rational und risikoavers.
6. Es wird lediglich eine Periode als Anlagezeitraum betrachtet, was impliziert, dass eine unterjährige Umschichtung des Portfolios nicht in Frage kommt. Zu Beginn der Periode wird das Portfolio unter Analyse der statistischen Eigenschaften Erwartungswert, Varianz und Korrelationen gebildet, was die Annahme konstanter Korrelationen voraussetzt.
Dem Investor stehen n risikobehaftete Anlagemöglichkeiten zur Auswahl, wobei es unbedeutend ist, ob es sich dabei um einzelne Wertpapiere oder gesamte Assetklassen handelt. Jeder nutzenmaximierende Investor strebt bei gegebenem Risiko nach einer maximalen Rendite bzw. bei definierter Rendite nach einem minimalen Risiko, sodass und die einzigen entscheidungsrelevanten Größen sind. Dabei kann er sein Vermögen zum Anteil in das Asset investieren,, wobei die Variablen sind, deren Bestimmung das Portfolio bzw. die Asset Allocation festlegt.[138] Da das ganze Vermögen auf die risikobehafteten Anlagen aufgeteilt werden muss, unterliegen der Nebenbedingung
mit Anteil alias Gewichtung der Anlage am Portfolio. Wenn Short-Positionen in den einzelnen Anlagen ausgeschlossen sein sollen, gilt ferner
Die Portfoliorendite entspricht der Summe der gewichteten Einzelrenditen, während das Risiko eines diversifizierten Portfolios geringer ist als die Summe der Einzelrisiken. Sowohl Erwartungswert als auch Standardabweichung werden aus den historischen Renditen abgeleitet.[139] Die erwartete Portfoliorendite errechnet sich aus:
mit Renditeerwartung des Wertpapiers Die erwartete Portfoliovarianz ergibt sich demgegenüber aus
wobei die Kovarianz der beiden Assets und den Grad des Renditegleichlaufs zweier Wertpapiere angibt. Sie ist wie folgt definiert:[140]
mit
Die Höhe der Kovarianz ist, da sie eine absolute Kennzahl ist, wenig aussagekräftig. Um diesem Defizit zu begegnen, wird zu Vergleichszwecken häufig das relative Maß der Korrelation herangezogen. Sie wird durch den Korrelationskoeffizienten gemessen, der ein standardisiertes Maß für die Stärke des linearen Zusammenhangs zweier Assets verkörpert. Da er stets Werte zwischen und annimmt, ist er leichter interpretierbar.[141] Der Wert bedeutet einen vollständigen Gleichlauf der Renditen. Ein Ergebnis von dagegen impliziert eine gänzlich negative Relation.
Die Standardisierung erfolgt durch
mit Standardabweichung des Wertpapiers bzw. Insofern lässt sich die Portfoliovarianz auch darstellen als:
Anstelle der Varianz findet man häufig die Standardabweichung eines Portfolios als äquivalentes Risikomaß. Sie bestimmt sich durch:
Tabelle 1 zeigt eine Varianz-Kovarianz-Matrix, wobei die blau hinterlegten Varianzen ergeben und , die Kovarianzen. Die Portfoliostandardabweichung besteht aus Varianzen und Kovarianzen, sodass das Portfoliorisiko bei genügend großen Werten für maßgeblich von den Korrelationen der Anlagen, nicht aber von den spezifischen Risiken der Einzelanlagen, abhängt. Das unsystematische Risiko kann demnach durch Diversifikation vollständig eliminiert werden, ohne den Erwartungswert zu beeinträchtigen.[142]
Tabelle 1: Varianz-Kovarianz-Matrix für Anlagen
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Bruns / Meyer-Bullerdiek (2013), S. 83.
Der Diversifikationseffekt ist wie in Abbildung 6 auch im --Diagramm darstellbar. Bei einem Korrelationskoeffizienten von ist keine Diversifikation möglich. Je niedriger der Wert des Korrelationseffizienten, desto größer ist das Diversifizierungspotential.[143] Bei einem Korrelationskoeffizienten von ist ein perfekter Hedge und somit eine risikolose Anlage möglich. Laut der Arbitragepreistheorie ist als Rendite in diesem Fall auch nicht mehr als die risikolose Verzinsung zu erwarten.[144] Die Kombination zweier Anlagen mit einem Korrelationskoeffizienten führt zur typisch konkav gekrümmten Linie aus Risiko-Rendite-Kombination.
Abbildung 6: Diversifikationseffekt in Abhängigkeit vom Korrelationskoeffizienten
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Elton (2011), S. 77.
Das Minimum-Varianz-Portfolio (MVP), das durch den Scheitelpunkt der Effizienzlinie lokalisiert wird, trennt die effizienten Portfolios auf dem oberen Ast von den ineffizienten Portfolios auf dem...