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Entschieden für dich

Freiheit und Abhängigkeit in der Liebe

AutorHeinrich Hagehülsmann, Ute Hagehülsmann
VerlagKreuz
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl180 Seiten
ISBN9783451336874
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Selbstbestimmt wollen wir sein, flexibel und unabhängig bleiben. Ute und Heinrich Hagehülsmann zeigen: Eine stabile und beglückende Beziehung braucht beides, Autonomie und Abhängigkeit. Sie beschreiben, warum das eine nicht ohne das andere zu haben ist. Ja zu sagen dazu, dass man den anderen braucht, schafft erst die Ausgangsposition für die Liebe. Ausloten, was geht: für mich, für den anderen und gemeinsam. So können beide das verwirklichen, was ihnen wesentlich ist und was glücklich macht: Jeder für sich und beide miteinander.

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Leseprobe

Liebe und Beziehung: Illusion oder Wirklichkeit?


Gesellschaftliche Bedingungen für Illusion und Wirklichkeit von Partnerschaften


Folgen wir den Ausführungen des Soziologenehepaars Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim über »Das ganz normale Chaos der Liebe« (1990/2005), so leben wir in einer Gesellschaft, die im Zusammenhang von Liebe und Partnerschaft an ein Chaos erinnert. In ihr wird Partnerschaft nicht mehr als »eine vom Willen des Gatten unabhängige sittliche und rechtliche Ordnung« (S. 12) angesehen, wie das noch im Bürgerlichen Gesetzbuch gegen Ende des 19. Jahrhunderts festgeschrieben wurde. Ihr kennzeichnendes Stichwort für die Sicht auf das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft lautet vielmehr »Individualisierung«: Menschen lösen sich aus traditionellen Vorgaben, Sicherheiten und Kontrollen zugunsten von Selbstbestimmung und eigener Entscheidung heraus.

Für Liebe und Partnerschaft bedeutet dies, dass jedes Paar eigene Lebensformen bezogen auf Familie, Ehe, Elternschaft, Liebe, Sexualität und Erotik neu definieren und entsprechende Regeln entwickeln muss. »Die Individuen selbst, die zusammen leben wollen, sind oder, genauer: werden mehr und mehr die Gesetzgeber ihrer eigenen Lebensform, die Richter ihrer Verfehlungen, die Priester, die ihre Schuld wegküssen, die Therapeuten, die die Fesseln der Vergangenheit lockern und lösen. Aber auch die Rächer, die Vergeltung üben an erlittenen Verletzungen. Liebe wird eine Leerformel, die die Liebenden selbst zu füllen haben … auch wenn dabei der Schlagertext, die Werbung, das pornographische Script, die Mätressenliteratur, die Psychoanalyse Regie führen« (2005, 13). Die damit offerierte Freiheit beinhaltet gleichzeitig ein ungeheures Konfliktpotenzial, da keine allgemeingültige Moral mehr bestimmt, sondern jeder und jede selbst die Verantwortung für das übernehmen muss, was er oder sie will, »entlassen – in eine Einsamkeit der Selbstverantwortung, Selbstbestimmung und Selbstgefährdung von Leben und Lieben, auf die sie nicht vorbereitet und von den externen Bedingungen, den Institutionen auch nicht ausgerüstet sind« (2005, 13). Mit der offenkundigen Folge, dass auch die dazu notwendige Autonomie bei vielen Menschen sich nicht in der gleichen Geschwindigkeit entwickeln und wachsen konnte, in der die traditionellen Vorgaben außer Kraft gesetzt wurden. Alles zusammen erzeugt ein Empfinden von Überforderung der Autonomie, in deren Folge einerseits die Hoffnung auf Zweisamkeit als letzte übrig gebliebene Institution anwächst, andererseits aber auch das Empfinden, vom Partner abhängig zu sein, intensiviert. Um es noch einmal mit Elisabeth Beck-Gernsheim zu sagen: »Je mehr andere Bezüge der Stabilität entfallen, desto mehr richten wir unser Bedürfnis, unserem Leben Sinn und Verankerung zu geben, auf die Zweierbeziehung … auf einen anderen Menschen, diesen Mann, diese Frau« (2005, 71). »Wenn er doch nur wollte, könnte ich glücklicher sein.« So sprechen es Paare uns gegenüber aus. Gerät auch das noch ins Schwanken, und kann es auch mittels der zuvor beschriebenen Kontrollmechanismen nicht mehr aufgefangen und wieder stabilisiert werden, eskalieren die Konflikte. Lösungen werden häufig nicht in, sondern durch Beendigung der Beziehung gesucht.

Dass sich die gesellschaftlichen Prozesse in Richtung Individualisierung entwickelt haben, lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Und das wollen sicher auch die wenigsten Menschen. Was uns jedoch an diesem Prozess auffällt, ist insofern eine Halbherzigkeit der Entscheidungen, als im Hinblick auf die ersehnte Zweierbeziehung häufig Hintertüren zur Trennung offen gelassen werden.

Eine dieser Hintertüren kann verriegelt werden, indem die Partner sich bewusst und freiwillig durch ihr »Ja« zur Abhängigkeit von und miteinander verpflichten. Gemeint ist natürlich nicht die Abhängigkeit, vom anderen versorgt zu werden. Sondern es geht um das »Ja« zur Abhängigkeit in der Partnerschaft als ein bewusstes Anerkennen des existenziellen Miteinander-Verflochtenseins und der Notwendigkeit zur gegenseitigen Abstimmung in den meisten der zuvor genannten Bereiche. Und dieses beinhaltet beides: Die Freiheit, mich wirklich in die Beziehung einzulassen, und die Freiheit, diese zusammen mit dem anderen zu gestalten.

Dieses bewusste »Ja« zur Abhängigkeit wird von den wenigsten Paaren hinsichtlich seiner Bedeutung und Folgen individuell durchdrungen. Es wird schon gar nicht im gesellschaftlichen Diskurs unterstützt, sondern in aller Regelmäßigkeit zum einschränkenden Gefängnis umgedeutet. Dies lässt die Liebe in Enttäuschungen, Missverständnissen und unausgedrückten Gefühlen versanden und verbaut die Möglichkeiten zu persönlichem Wachstum, das heißt, zur eigenen Meinung und den eigenen Bedürfnissen zu stehen sowie sich und den anderen ernst und wichtig zu nehmen. Es verhindert ebenso, dass man miteinander lernt, die Fähigkeit zur konstruktiven Auseinandersetzung zur inneren Stärke und zum Stabilisator der Beziehung zu entwickeln. Es mindert zudem die Möglichkeit, durch gute Erfahrungen mit Auseinandersetzungen Positivität, das heißt Stimulation, Freude und immer wieder Liebe, in die Beziehung zu bringen. Nur die klar ausgesprochene Verpflichtung zum Wachstum kann den Verlockungen der Individualisierung »trotzen« und diese Hintertür von Trennung auch in Krisenzeiten schließen.

Gerade die von uns betonte Notwendigkeit, die Beziehung und ihre Elemente zum Thema zwischen einem Paar zu machen, wird häufig auch deswegen nicht wahrgenommen, weil die Welt der Bilder, in der wir leben, uns glauben machen will, dass Liebe bedeutet, »ohne Absprache ineinander zu verschmelzen«. Das heißt, die immer noch herrschende »Casablanca-Romantik« verschleiert, dass Beziehung auch »Beziehungsarbeit« beinhaltet und dass es gilt, das Geschenk, das uns mit der Liebe widerfährt, sorgsam zu pflegen.

Dem entgegengesetzt untermauert die Kraft der uns umgebenden Bilder den idealisierten und überhöhten Stellenwert, den die Liebe und Bindung zweier Menschen in unserer individualisierten Welt dadurch erhält, dass »die Idealisierung der Partnerliebe in eine religiöse Dimension hineinzureichen [scheint]«. Dadurch soll einerseits der Wertewandel, der vielerorts eine Abkehr von traditionell christlichen Vorstellungen beinhaltet, kompensiert und andererseits das spirituelle Bedürfnis gestillt werden, das in der Gesellschaft keine Adressaten mehr hat. Zudem soll die Partnerschaft beziehungsweise der andere die Leerstellen füllen, die früher durch selbstverständliche soziale Bindungen wie Nachbarschaft oder Klassenzugehörigkeit und besonders die Großfamilien gegeben waren, heute aber vor allem durch die oft existentiell notwendige Mobilität ihre tragende Bedeutung verloren haben. Auf diesem Hintergrund werden auch die Bedürfnisse nach Sinn und Geborgenheit, nach einem Aufgehobensein in der Welt nicht mehr durch unterschiedliche Beziehungsgefüge abgedeckt. »Gott nicht, Priester nicht, Klasse nicht, Nachbar nicht, dann wenigstens Du« (Beck 2005, 49), scheint sich in diesem Zusammenhang als einziger Ausweg aufzutun.

Entsprechend ist die Instabilität in heutigen Beziehungen weniger eine Folge von Bindungslosigkeit oder Bindungsunfähigkeit, sondern »vielmehr die Konsequenz des hohen Stellenwertes der Beziehungen für das persönliche Glück« bis hin zur quasi-religiösen Überfrachtung beigemessen wird (Schmidt 2004, 98). Damit überfordern sich die Partner in ihren Beziehungen gegenseitig; die sich daraus ergebende Bitterkeit und Enttäuschung führt häufig zur Trennung, um jemanden zu suchen, der dieser Überfrachtung, die keinem der Partner selbst bewusst ist, standhält.

Was den Partnern meistens unklar ist, ist ihr eigenes »Anheizen« der Enttäuschungssituation beziehungsweise die Beschleunigung ihrer gegenseitigen Entfremdung: Sie leben in Phasen der zunehmenden Frustration die alten, destruktiven Beziehungsmuster, die sie aus ihrer Biografie mitbringen, anstatt Formen einer respektvollen Kommunikation (siehe Abb. 3) zu entwickeln. In der Folge muss das Paar mit den gesellschaftlichen und biografischen Einflüssen fertig werden, ohne das entsprechende Werkzeug zu haben. Dann liegt es oft näher, Liebe, Beziehung und Bindung – zumindest an diesen Partner, diese Partnerin – als Illusion zu »entlarven« und zu gehen, als sich der mühseligen Arbeit zu stellen, die für Klärung und Verstehen, aber auch für persönliches Wachstum und Entwicklung der eigenen wie auch gemeinsamen Autonomie notwendig ist.

Abb. 3: Paare im Spannungsfeld zwischen Illusion und Wirklichkeit

Bilderwelten als Ausdruck der gesellschaftlichen Bedingungen


Mit den zuvor geschilderten Abläufen sind die möglichen Komplikationen keineswegs vollständig und detailliert genug benannt. Der Einfluss der Bilder beispielsweise ist weitaus stärker und weit reichender, als aus unserer kurzen Erwähnung ersichtlich. Dabei denken wir zunächst einmal an jene Bilder, die wir alle als Frau oder Mann von uns selbst wie auch vom anderen Geschlecht mit uns herumtragen und die ihrerseits, mit entsprechendem Rollenverständnis angereichert, darüber mitentscheiden, wie man als Mann oder Frau in unserer Gesellschaft zu sein hat.

Unter einer Rolle versteht man die Summe aller Erwartungen, die an eine bestimmte Person in einer bestimmten Situation gerichtet werden, einschließlich der Erwartungen, die diese Person an sich selber hat. Entsprechend gibt es Rollenerwartungen an Männer und an Frauen in unserer Gesellschaft. Diese thematisieren jeweils spezifische Aspekte der Person, zum Beispiel die Frau als...

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