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Entwicklung eines Interkulturellen Coaching-Konzepts

AutorMonika Ratnamaheson
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl121 Seiten
ISBN9783656819950
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Pädagogik - Pädagogische Soziologie, Note: 1,8, Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Fakultät), Veranstaltung: Interkulturelles Coaching, Sprache: Deutsch, Abstract: Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Entwicklung eines Interkulturellen Coaching-Konzepts aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive. Angesichts der Globalisierung kommen heute immer mehr Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Einflüssen in Berührung, machen Differenzerfahrungen und stehen vor den Herausforderungen interkulturellen Handelns. Interkulturelles Coaching ist eine Maßnahme, die darauf abzielt, Probleme und Missverständnisse in der interkulturellen Kommunikation und Interaktion erfolgreich zu bewältigen oder bestmöglich zu vermeiden. Es gibt bisher kein einheitliches wissenschaftliches Verständnis von Interkulturellem Coaching. Da das Interkulturelle Coaching sich auf Erkenntnisse verschiedener Theorien und Forschungsbereiche stützt, ist eine transparente theoretische Verortung und genaue Klärung von Begrifflichkeiten Voraussetzung, um Interkulturelles Coaching wissenschaftlich genauer fassen zu können. Die vorliegende Arbeit will hierzu einen Beitrag leisten und gleichzeitig eine Einbettung in die Erwachsenenbildung vornehmen. Das in dieser Arbeit entwickelte Interkulturelle Coaching-Konzept versteht Interkulturelles Coaching nicht als Form des Coaching, welche auch 'Interkulturelles' mit einschließt, sondern als eigenständige Form der Erwachsenenbildung, die zum Ziel hat, Menschen in interkulturellen Kontexten Handlungsorientierung zu geben. Interkulturelles Coaching bedient sich der systemischen Coaching-Methode und verbindet diese mit dem Aspekt der Interkulturalität. In seiner synergetischen Verbindung ist Interkulturelles Coaching 'mehr als die Summe seiner Teile' und bildet eine eigene Organisationsform. Die Arbeit besteht aus drei Teilen. Der erste Teil befasst sich mit den theoretischen Grundlagen, die für die Fragestellung von Bedeutung sind, und entwickelt ein theoretisches Verständnis. Basierend auf diesen theoretischen Grundlagen wird das Interkulturelle Coaching-Konzept im zweiten Teil in der Erwachsenenbildung didaktisch verortet und weiter ausgearbeitet. Im dritten Teil wird das Interkulturelle Coaching-Konzept an einem Praxisbeispiel veranschaulicht. Dieser Ausschnitt aus einer von der Autorin durchgeführten Interkulturellen Coaching-Sitzung zeigt, wie die im Rahmen dieser Arbeit vorgestellten theoretischen Grundlagen in der Praxis Anwendung finden und wie verschiedene Methoden und Modelle sich abhängig von der Fragestellung in der Praxis kombinieren lassen, um den Interkulturellen Coaching-Prozess zu optimieren.

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Leseprobe

1 Theoretische Grundlagen


 

1.1 Kulturkonzept


 

Um den Begriff des „Interkulturellen Coaching“ auf eine theoretische Grundlage zu stellen, werden hier zunächst die Begriffe „Lebenswelt“, „Kultur“, „Enkulturation“ sowie „Interkulturalität“ untersucht und Definitionen gefunden, die für die vorliegende Arbeit Gültigkeit haben sollen.

 

In einem nächsten Schritt werden verschiedene Kulturanalyse-Ansätze, auf die sich diese Arbeit stützt, vorgestellt und genauer erläutert.

 

1.1.1 Lebenswelt


 

Bevor der Begriff der „Kultur“ näher erläutert wird, gilt es zunächst den Begriff der „Lebenswelt“ zu klären, um darauf aufbauend eine präzise Verortung des Kulturbegriffs zu ermöglichen.

 

Die Soziologen Alfred Schütz und Thomas Luckmann beschreiben Lebenswelt wie folgt:

 

„Unter alltäglicher Lebenswelt soll jener Wirklichkeitsbereich verstanden werden, den der wache und normale Erwachsene in der Einstellung des gesunden Menschenverstandes als schlicht gegeben vorfindet.“[2]

 

„Jedermann steht in wechselseitigen Beziehungen zu anderen Menschen, ist Mitglied einer sozialen Gliederung, in die er geboren wurde oder der er sich angeschlossen hat, die vor ihm bestanden hat und nach ihm bestehen wird. Jedes gesellschaftliche Gesamtsystem hat Verwandtschaftsstrukturen, Altersgruppen, Geschlechtsgliederungen, hat Arbeitsteilung und Differenzierung nach Beschäftigungen, hat Macht- und Herrschaftsverhältnisse, Führer und Geführte und die mit all dem zusammenhängenden sozialen Typisierungen.“[3]

 

Die vorliegende Arbeit stützt sich auf diese Definition und geht davon aus, dass der Begriff der Lebenswelt nicht nur die Zugehörigkeit zu einem regionalen Kulturkreis, sondern auch zu einer sozialen Schicht, einer ethnischen Herkunft mit all den damit verbundenen Traditionen (bzgl. Sprache, Religion, gesellschaftlicher Status, Beruf, Familienhintergrund, eigene Lebenslage) umfasst.

 

1.1.2 Kulturbegriff


 

Diese Arbeit geht von der Prämisse aus, dass der Kulturbegriff aufgrund seiner Komplexität nicht standardisierbar ist, sondern abhängig vom jeweiligen Blickwinkel und den jeweiligen Erkenntnisinteressen eines bestimmten Forschungsgebiets ganz spezifisch gefasst werden kann, und dass somit verschiedene Varianten des Kulturbegriffs nebeneinander bestehen können.

 

Die folgende Abbildung (Abb. 1) gibt einen Überblick über Varianten des Kulturbegriffs, auf die im Folgenden genauer eingegangen werden soll.

 

 

Abb. 1: Varianten des Kulturbegriffs nach Bolten[4]

 

Zunächst gibt es den sehr eng gefassten Kulturbegriff, der sich auf „ewige Werte“ eines Kulturkreises wie Kunst und Literatur, die so genannte „Hoch“kultur bezieht, und somit statisch ist.

 

Sternecker und Treuheit hingegen fassen den Kulturbegriff viel weiter und definieren Kultur wie folgt[5]:

 

„Kultur wird als ‚Alltagswissen‘ verstanden, das nicht allein die Objektivationen alltäglichen Handelns von Essen und Bekleidung bis zu Berufen und Verwandtschaftsbeziehungen umfasst, sondern ebenso die Ideen, die Alltagstheorien und die Deutungsmuster, in denen die Mitglieder einer Kultur in ‚natürlicher‘ Einstellung die sie umgebende Welt auslegen. Diese Deutungsmuster steuern alltägliches Handeln nach Maßgabe von Tradition und sozialem Kontext. In einen solchen Rahmen von Alltagsstruktur gehört dann auch die Sprache als der im kommunikativen Handeln festgelegte Orientierungsrahmen für die Auslegung von Situationen und Rollenbeziehungen sowie die Erziehung als das Hineinwachsen in bzw. Aneignen von Deutungsmustern. Für das handelnde Individuum erhält ‚Kultur‘ demnach die Bedeutung eines sozialen Ordnungsgefüges, das Regeln zur Strukturierung der Umwelt festlegt, die dann in subjektive Handlungsziele und -strukturen umgesetzt werden.“

 

Dieser erweiterte Kulturbegriff von Sternecker und Treuheit bezieht sich somit auf die Lebenswelt und benennt auch das kommunikative Handeln als ein wichtiges Element der Kultur. Somit ist dieser Kulturbegriff dynamisch.

 

In der Kulturbegriffsdiskussion wird zwischen dem geschlossenen erweiterten Kulturbegriff und dem offenen erweiterten Kulturbegriff unterschieden. Während der geschlossene erweiterte Kulturbegriff vom Containerdenken geprägt ist und die lebensweltlichen Zusammenhänge, auf die er sich bezieht, räumlich fixiert oder in anderer Weise voneinander abgrenzt und mit kohärenten Kategorien wie Nationalstaat, Sprachraum, geografischer Raum, Sprache, Religion, ideen-/geistesgeschichtlichen Begriffen arbeitet, verbindet sich der offene erweiterte Kulturbegriff mit kohäsivem Denken und Identitäten.[6]

 

1.1.2.1 Der offene erweiterte Kulturbegriff

 

Da sich die vorliegende Arbeit auf den offenen erweiterten Kulturbegriff gründet, soll hier ein tiefergehendes Verständnis nicht nur für den Begriff an sich, sondern auch für dessen Entwicklung im Rahmen des wissenschaftlichen Diskurses vermittelt werden. Darum soll im Folgenden der offene erweiterte Kulturbegriff zu dem Umdenken, das in den letzten Jahrzehnten im wissenschaftlichen Denken stattgefunden hat, in Bezug gesetzt werden.

 

Die Entwicklung vom geschlossenen erweiterten Kulturbegriff zum offenen erweiterten Kulturbegriff lässt sich mit Blick auf das Konzept der Ersten und Zweiten Moderne verdeutlichen, welches von Ulrich Beck auf dem Hintergrund des heutigen Globalisierungsprozesses entwickelt wurde. Beck unterscheidet zwischen der bisherigen „Ersten Moderne“, die wirtschaftlich und politisch durch das Nationalstaatensystem geprägt war und durch Strukturdenken und Kohärenz charakterisiert ist, und der „Zweiten Moderne“, die durch den heutigen Globalisierungsprozess eingeleitet wurde und durch Prozessdenken und Kohäsivität geprägt ist (siehe Abb. 2).

 

 

Abb. 2: Konzept der Ersten und Zweiten Moderne nach Beck[7]

 

Im Sinne der Ersten Moderne hat Herder in seiner Schrift „Auch eine Philosophie der Geschichte von 1774 zur Bildung der Menschheit“ Kulturen und Nationalstaaten als „Kugeln“ bezeichnet, die den „Mittelpunkt der Glückseligkeit in sich“ trügen.[8]

 

Thomas Meyer hat diese Vorstellung 1997 in einer Rede aufgegriffen und für ein Umdenken plädiert:

 

„das Kugelaxiom gegeneinander verschlossener Kulturen, das die Debatten der Gegenwart fortwährend narrt, durch etwas ganz Neues zu ersetzen: ein Verständnis von ‚Transkulturalität‘. Ein solches Konzept stellt von vornherein in Rechnung, dass sich in der Gegenwart die überlieferten Kulturen als Ergebnis ihrer vielfältigen Interaktionen immer schon intern in bestimmendem Maße durchdringen. Was wir wirklich beobachten können, ist eben nicht der Zusammenstoß von Kugeln, sondern das ‚Weben transkultureller Netze‘, die an unterschiedlichen Orten auf je eigene Weise dann zu Verdichtungen und Strukturbildungen führen, die nirgends mehr den ehrwürdigen Homogenitätsfiktionen der Überlieferung entsprechen, es sei denn als Ergebnis einer bloß inszenierten kulturellen Eigentlichkeit.“[9]

 

Auch der Wirtschaftskommunikationswissenschaftler Jürgen Bolten greift das Bild der „Kugeln“ auf, um seinen Kulturbegriff näher zu erläutern und in Bezug zum Konzept der Ersten Moderne zu setzen:

 

„Faktisch jedoch verlaufen Interaktionen heute quasi aus allen Richtungen quer durch die Kugeln hindurch und lassen sie zu Netzwerkbestandteilen auseinanderfallen, die mit geschlossenen Kategorien der ersten Moderne nicht mehr erfassbar sind.“[10]

 

In der Entwicklung seines Kulturbegriffs geht Bolten allerdings über die Grenzen des Beckschen Konzepts hinaus und zieht zusätzlich das Paradigma von Richard Münch heran.

 

Ähnlich wie Beck sieht auch Münch, dass Identitätsbildung als kommunikativer Prozess entsteht. Münch hat jedoch ein ganz anderes Verständnis des durch Globalisierung freigesetzten Kommunikations- und somit auch Identitätsbildungsprozesses. Er spricht von einem „Netzwerk von Vereinigungen mit überkreuzenden kulturübergreifenden Mitgliedschaften und somit von einem vollständig offenen Gebilde“.[11]

 

Ausgehend von den Charakteristika der Zweiten Moderne und dem Münchschen Verständnis des Kommunikations- und somit auch Identitätsbildungsprozesses spricht Bolten von „Fuzzy Culture“.

 

„Unter der Prämisse eines offenen Kulturbegriffs werden Kulturen nicht wie Container als klar abgegrenzte homogene Einheiten, sondern als vielfältig (‚divers‘) strukturierte Lebenswelten verstanden. Entscheidend ist hier nicht die Kohärenz, die immanente Stimmigkeit der Kulturen,...

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