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Entwicklungszusammenarbeit als globale Strukturpolitik: Vom Kolonialismus zum Neokolonialismus

AutorPhilipp Hellmund
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl108 Seiten
ISBN9783842831698
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Die Studie beschäftigt sich mit der Wahrnehmung von Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit aus den verschiedenen Perspektiven der involvierten Akteure. Sie vertritt die These, dass Entwicklungszusammenarbeit aufgrund der verschiedenartig objektivierten 'Wirklichkeiten' der Akteure und deren mangelnden Berücksichtigung so oft scheitert. Nach einem theoretischen Diskurs zur gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit werden die gängigsten Annahmen und Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit in ihrem historischen und kulturellen Kontext, sowohl aus einer ethnologischen wie auch aus einer volkswirtschaftlichen Perspektive untersucht. Der Autor diskutiert dabei besonders das Spannungsfeld zwischen der moralischen Selbstverpflichtung, die Hunger und Armut in der Welt bekämpfen soll und einer globalen Strukturpolitik, die Wirtschaftsstrukturen nach 'westlichem' Vorbild homogenisieren soll, um Interessen von bestimmten Akteuren, wie Regierungen, Banken und international agierenden Unternehmen durchzusetzen.

Philipp Hellmund, M.A. wurde 1979 in Bernau bei Berlin geboren. Nach seinem Abitur und einer abgeschlossenen Berufsausbildung als Offset-Drucker bei einem großen deutschen Zeitungsverlag, beschloss er im Jahr 2002 ein Magisterstudium der Ethnologie an der Freien Universität Berlin aufzunehmen. Angeregt durch einen Dozenten für Wirtschaftsanthropologie ergänzte er seine akademische Ausbildung durch das Studium der Volkswirtschaft. Sein Interesse an dem Thema des Buches entstand durch die offensichtliche perspektivische Einseitigkeit, mit welcher Entwicklungspolitik und Entwicklungsstrategien in den Wirtschaftswissenschaften vermittelt wurden. Nach Auslandsaufenthalten in Indien und Lateinamerika und der Geburt seiner Tochter Emilia im Jahr 2006 beendete er im Oktober 2012 erfolgreich sein Studium.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 3, Die volkswirtschaftliche Perspektive: Gegenstandsbereich der Wirtschaftswissenschaften und damit der Volkswirtschaft ist per Definition die Erforschung der wirtschaftlichen Wirklichkeit. Sie wird als Erfahrungs- und Realwissenschaft zu den Sozialwissenschaften gerechnet, da sie sich mit dem wirtschaftlichen Handeln von Menschen befasst. Die Volkswirtschaft gliedert sich klassischerweise in die Bereiche Wirtschaftstheorie, Wirtschaftspolitik und Finanzwissenschaften. Die Wirtschaftstheorie, welche im Zusammenhang dieser Arbeit zur Wirklichkeitsbestimmung den größten Raum einnimmt, teilt sich nochmals in die Mikroökonomik, in der das wirtschaftliche Verhalten von Wirtschaftssubjekten, also kleineren Wirtschaftseinheiten wie Haushalten und Unternehmen untersucht wird, und die Makroökonomik für die Betrachtung gesamtwirtschaftlichen Verhaltens größerer Wirtschaftseinheiten auf nationaler und internationaler Ebene. Zu den Aufgaben der Wirtschaftswissenschaften zählen die Beschreibung, die Erklärung und das Prognostizieren von Wirtschaft sowie die beratende Tätigkeit, was wirtschaftspolitische Fragen angeht. Die Erklärung wirtschaftlicher Zusammenhänge erfolgt in Form von Kausalzusammenhängen, also in Form von Wechselbeziehungen zwischen Ursache und Wirkung in einem komplexen Beziehungsgeflecht allgemeiner Interdependenz. Da es unmöglich ist, alle Einflussfaktoren, zur Erklärung wirtschaftlicher Tätigkeit zu berücksichtigen und zu erfassen, reduziert man die wirtschaftliche Tätigkeit auf eine übersichtliche Anzahl wesentlicher Kausalzusammenhänge. Es entsteht somit ein vereinfachtes, reduziertes Abbild wirtschaftlicher Wirklichkeit, das Modell genannt wird. Diese Reduktion wirtschaftlicher Wirklichkeit besteht aus drei grundlegenden Prinzipien. Zum einen werden nur die Kausalzusammenhänge berücksichtigt, von denen man vermutet, dass sie das zu erklärende Phänomen wesentlich beeinflussen. Zum anderen wird die Erklärungskette an bestimmbaren Stellen unterbrochen, da sie sonst andere Wissensgebiete beinhalten würde, die nicht Bestandteil der Wirtschaftswissenschaften sind, und einfach zu komplex werden würde. Und drittens werden Kausalzusammenhänge zwischen den berücksichtigten wirtschaftlichen Elementen in einfachster Form quantifiziert. Diese Vereinfachungen schlagen sich in einer Relativität der Gewichtung von Kausalzusammenhängen und deren immanenten Größen nieder. Welche Einflussfaktoren für die Erklärung wirtschaftlicher Wirklichkeit auf Grund der reduzierte Modelldarstellung herangezogen werden, stellt eine Entäußerung subjektiven Sinns einiger Experten dar. Durch die Schwierigkeit, unter den verschiedensten Einflussfaktoren die wesentlichsten zu bestimmen, entstehen miteinander konkurrierende Erklärungsansätze oder Modelle. Welche wirklichkeitsbestimmenden Erklärungsansätze sich durchsetzten, hängt von den wirtschaftspolitischen Zielen ab. Ob diese wirtschaftspolitischen Ziele von der Volkswirtschaftslehre festgelegt werden sollen, ist innerhalb der Disziplin seit langem sehr umstritten. Fakt ist, dass die Festsetzung wirtschaftspolitischer Ziele immer ein Werturteil beinhaltet. Das Problem für die Volkswirtschaftslehre lautet: 'In der Regel wird die Meinung vertreten, dass Werturteile (und damit auch Ziele) wissenschaftlich nicht ableitbar und überprüfbar sind und deshalb mit Wissenschaft im strengeren Sinne nichts zu tun haben. Wo sie dennoch in die Beschreibung, Erklärung oder Prognose des Wirtschaftsprozesses einfließen, sind sie eindeutig als Wertung kenntlich zu machen, um der Argumentation jede Scheinobjektivität zu nehmen'. Inwieweit das gelingt, wird sich noch im Laufe der Arbeit zeigen. Die Volkswirtschaftslehre geht von gewissen Grundtatbeständen der Wirtschaftsgesellschaften aus, um Produktion, Distribution und Konsum zur Bedürfnisbefriedigung analysieren zu können. Diese Grundtatbestände des Wirtschaftens sind Bedürfnisse, Güter, Produktion, Produktionsmöglichkeiten, Knappheit, Arbeitsteilung, Tausch, Koordination, Wirtschaftssystem und Institutionen. Für die Analyse wirklichkeitsbestimmender Elemente der volkswirtschaftlichen und ethnologischen Perspektive sind Tausch, Institutionen und Wirtschaftssystem von größerer Bedeutung. Wirtschaftssysteme beinhalten rechtliche Vorschriften, Koordinationsmechanismen, Motivationsstruktur und die Eigentumsordnung für Produktionsmittel, welche für die wirklichkeitsbestimmende und wirklichkeitsstützende Funktion der institutionellen Ordnung von großer Relevanz sind. Auf die Motivationsstruktur wird in der volkswirtschaftlichen Analyse meist verzichtet, da 'in den Wirtschaftswissenschaften angenommen wird, dass der Eigennutz dominierendes Handlungsmotiv der Menschen ist'. Die Eigentumsordnung dagegen gilt als das zentrale Element eines Wirtschaftssystems. Die hier kurz vorgestellten Grundannahmen der Volkswirtschaftslehre beziehen sich allgemein auf die wirtschaftlichen Tätigkeiten aller Gesellschaften, unabhängig davon, welches Wirtschaftssystem sich in einer jeweiligen Gesellschaft etabliert hat. Sie finden Anwendung auf marktökonomische, moralökonomische oder planwirtschaftliche Strukturen einer Gesellschaft. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Wahl der Einflussfaktoren, die wesentlich für die Kausalzusammenhänge wirtschaftlicher Tätigkeit sind, einen Ausdruck subjektiven Sinns der Experten darstellt. Das zeigt sich in den konkurrierenden Modellen und rührt unter anderem daher, dass die Motivationsstruktur der Akteure wirtschaftlichen Handelns bei der Analyse außen vor gelassen wird, da vom individuellen Eigennutz ausgegangen wird. Alle Grundtatbestände stellen Objektivationen einer Subsinnwelt dar, die wirtschaftliche Tätigkeiten erklären und legitimieren sollen. In der Entwicklungszusammenarbeit hat sich, bedingt durch die wirtschaftliche Wirklichkeit der Geberländer, eine entwicklungspolitische Zielsetzung etabliert, die dieser Wirklichkeit als Ziel entsprechende Maßnahmen bereitstellt. Und die auf der Makroebene gesellschaftlich konstruierte 'westliche' Wirklichkeit und deren symbolische Sinnwelt ist marktökonomischer Natur.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Danksagung3
Inhalt5
1 Einleitung7
1.1 Begriffsklärung12
1.2 Zur Geschichte der Entwicklungszusammenarbeit20
2 Die gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit23
2.1 Sprache, Wissen und Wirklichkeit25
2.2 Habitus und Institutionalisierung30
2.3 Legitimation von Institutionen34
2.4 Zur Konstruktion symbolischer Sinnwelten37
2.5 Die Rolle von Expertenwissen40
2.6 Wenn Realität auf Wirklichkeit trifft42
2.7 Kulturelle Kategorien und praktisches Handeln45
3 Die volkswirtschaftliche Perspektive47
3.1 Von der politischen Ökonomie zur klassischen Ökonomie50
3.2 Volkswirtschaftliche Vorannahmen52
3.3 Wachstumstheorien in der Entwicklungszusammenarbeit55
3.4 Die soziologische Perspektive eines Ökonomen63
3.5 Die marktökonomische Wirklichkeit in der Entwicklungszusammenarbeit67
4 Die ethnologische Perspektive71
4.1 Ethnologische Vorannahmen72
4.2 Die zu entwickelnde Kolonie und Neokolonialismus73
4.3 Der „unabhängige“ Nationalstaat als Bezugspunkt76
4.4 Die soziale und kulturelle Dimension in der Entwicklungszusammenarbeit79
4.5 Kulturessentialismus in der Entwicklungszusammenarbeit81
4.6 Moralökonomie und Sozialstruktur84
4.7 Strukturanpassungsprogramme und ihre Folgen86
4.8 Die moralökonomische Wirklichkeit in der Entwicklungszusammenarbeit89
5 Wenn Marktökonomie Bereiche der Moralökonomie substituiert91
6 Schluss94
7 Literaturverzeichnis98
Autorenprofil103

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