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Bis er uns umbringt?

Wie Stress die Gesundheit attackiert – und wie wir uns schützen können

AutorErich Seifritz, Hans-Rudolf Olpe
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783456754468
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Die neuesten Forschungen in den Bereichen Neurowissenschaften und Medizin zeigen übereinstimmend, dass Stress massive Auswirkungen sowohl auf die psychische als auch auf die somatische Gesundheit der Menschen hat. Stress steht inzwischen im Verdacht, neben psychischen Erkrankungen ebenfalls ursächlich mit vielen Volkskrankheiten in Verbindung zu stehen, etwa Diabetes, kardiovaskulären Erkrankungen, Demenz. Darüber hinaus ist Stress natürlich weiterhin mit verantwortlich für das Entstehen von schweren psychischen Erkrankungen. Der Stress mit seinen mannigfaltigen Ursachen entsteht im Gehirn und strahlt von hier auf den ganzen Körper aus. Der Körper wirkt daraufhin auf das Gehirn zurück und hinterlässt dort seine Spuren. Er verändert unser Gehirn. Dieses Buch stellt die Zusammenhänge dar und berücksichtigt dabei sowohl die Bedeutung der individuellen Lebensgeschichte als auch den Einfluss der Gesellschaft auf unser Gehirn, unsere Psyche und unsere Gesundheit. Es ist ein engagiertes Plädoyer für einen sorgfältigeren Umgang mit unserem Gehirn. Die Autoren sind hervorragende und international anerkannte Experten zum Thema. Als Wissenschaftler wenden sie sich in dieser Publikation bewusst an ein breites Publikum, um die neuesten Erkenntnisse und ihre Implikationen allgemeinverständlich darzulegen.

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Leseprobe

1. Um was und wohin es geht


Chronische Überlastung ist ein Phänomen, das den größten Teil der Bevölkerung mit Sorge erfüllt, denn Auswege aus dieser Situation sind nur allzu oft durch gesellschaftliche und persönliche Lebensumstände blockiert. Es wäre aber wichtig, derartigen Zuständen mit Entschiedenheit entgegenzutreten, da infolge chronischer Überlastung zahlreiche schwere Krankheiten entstehen können. Das vorliegende Buch möchte Hintergrundinformationen zum Thema «chronischer (toxischer) Stress» geben und zu entschiedenem Handeln gegen diesen Zustand motivieren. Um erfolgreich Maßnahmen gegen chronischen Stress einleiten zu können, ist letztlich nicht nur das Individuum, sondern die ganze Gesellschaft gefordert. Die Gesellschaft sollte ein vitales Interesse daran haben, den chronischen Stress einzudämmen. Die Gründe dafür sind, dass chronischer Stress mit sehr viel mehr chronischen Krankheiten (den sogenannten Zivilisationskrankheiten) in Verbindung steht, als gemeinhin angenommen wird, und dass der Zustand der chronischen Überlastung immer häufiger auftritt und praktisch schon zum Normalzustand geworden ist. Warum das so ist und welche Folgen Stress, der sich bereits in der Schwangerschaft schädigend auf die Gesundheit des Ungeborenen auswirkt, auch noch Jahrzehnte später haben kann, wird eingehend erläutert. Chronischer Stress hat weitreichende gesundheitliche Konsequenzen, vor allem in der zweiten Lebenshälfte.

Zu diesen vorwiegend in der zweiten Lebenshälfte auftretenden wichtigen Zivilisationskrankheiten gehören – um nur einige zu erwähnen – Herzinfarkt, Atherosklerose, Schlaganfall, Typ-2-Diabetes und Fettleibigkeit (Adipositas), die bislang mit einer falschen, cholesterinreichen Ernährung und Bewegungsmangel in Verbindung gebracht wurden. Inzwischen hat diese weit verbreitete Sichtweise Risse bekommen. Ein neuer Erklärungsansatz zur Entstehung dieser Krankheiten beginnt sich abzuzeichnen, der von einer wachsenden Anzahl von Spezialisten und Spezialistinnen mit Interesse verfolgt wird. Diese neue Hypothese postuliert, dass im Körper ablaufende Entzündungsprozesse bei der Entstehung der genannten Zivilisationskrankheiten eine Schlüsselfunktion einnehmen. Aber nicht nur bei diesen: Auch Depressionen werden durch ganz neue Befunde mit entzündlichen Prozessen in Zusammenhang gebracht. Dies hat Konsequenzen sowohl für die Präventionsmöglichkeiten als auch für die Behandlung dieser weit verbreiteten, schweren und kostspieligen Erkrankungen.

Worauf sind diese entzündlichen Prozesse zurückzuführen? In den Vordergrund der Diskussion über die Entstehung dieser Erkrankungen rückt zusehends unser Lebensstil, der von einer andauernden Überlastung geprägt ist. Die herkömmliche Bezeichnung hierfür ist Stress, genauer: chronischer Stress. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von toxischem Stress. Er steht im Verdacht, bei der Entstehung entzündlicher Körperprozesse und somit wahrscheinlich zahlreicher chronisch verlaufender Erkrankungen von zentraler Bedeutung zu sein.

Unser Wissen um diese «im Verborgenen» ablaufenden Prozesse hat in den vergangenen 10 Jahren enorm zugenommen. Diese Prozesse werden hier in einen größeren Rahmen gestellt. Dabei wird der Bogen zum einen von der Befruchtung bis zum Tod gespannt, zum anderen von den Genen bis hin zum Einfluss der Gesellschaft, die eine besonders wichtige Rolle spielt. Zunächst sei aber festgehalten, dass das Wort «Stress» zu einem der bedeutendsten Unwörter unserer Zeit verkommen ist: Es ist schlecht definiert, kommt uns laufend über die Lippen, ohne dass wir uns viel dabei denken, einfach so als sprachliche «Entladung» oder Arabeske, und es findet beinahe auf das ganze Spektrum belastender Lebensumstände Anwendung. Oft ist damit gar nicht wirklicher Stress, sondern lediglich ein hohes Arbeitspensum gemeint. Dabei hat das Wort durchaus biologischen Tiefgang, denn dahinter tun sich medizinische «Abgründe» auf, von denen viele Zeitgenossen – manche Ärzte eingeschlossen – wenig bis gar keine Ahnung haben.

Um welche «Abgründe» handelt es sich dabei konkret? Was das Wort Stress betrifft, so kommen uns spontan Burnout-Syndrom oder Depression in den Sinn, die beide nachweislich in einem kausalen Zusammenhang mit Stress stehen und eng mit psychosozialen Alltagsbelastungen verknüpft sind. Beide Themen sind seit geraumer Zeit immer wieder in den Medien anzutreffen. Weit weniger bekannt – und dies verlangt eigentlich ein radikales Umdenken – ist, dass chronischer, toxischer Stress breit gestreute Auswirkungen nicht nur auf unsere seelische, sondern auch auf unsere körperliche Gesundheit hat. Zudem beginnen sich die Hinweise dahingehend zu verdichten, dass möglicherweise schon der Stress unserer Vorfahren darüber mitbestimmt, wie anfällig wir selbst für die schädlichen Auswirkungen von Stress sind. Zudem erhärtet sich zusehends der lange gehegte Verdacht, dass Stress bereits in der Gebärmutter seinen Anfang nehmen kann und dass der Stress, dem wir in den ersten Lebensjahren ausgesetzt sind, mit darüber entscheidet, ob wir Jahrzehnte später körperlich oder seelisch erkranken und – was besonders interessant ist – ob uns in der Folge ein langes oder ein eher kurzes Leben beschieden ist.

Der Stress mit seinen mannigfaltigen Ursachen entsteht im Gehirn und strahlt von hier auf den ganzen Körper aus. Der Körper wirkt daraufhin auf das Gehirn zurück und hinterlässt dort seine Spuren. Er verändert unser Gehirn. Dieses Buch stellt diese Zusammenhänge dar und berücksichtigt dabei sowohl die Bedeutung der individuellen Lebensgeschichte als auch den Einfluss der Gesellschaft auf unser Gehirn, unsere Psyche und unsere Gesundheit. Es ist ein engagiertes Plädoyer für einen sorgfältigeren Umgang mit unserem Gehirn. Schließlich ist es neben chronischem Stress zahlreichen weiteren Gefährdungen ausgesetzt, die mit dem Stress kumulieren und sich über das Gehirn letztlich schädigend auf den ganzen Körper auswirken können. Auch diese belastenden Faktoren werden ausführlich vorgestellt. Kurz gesagt: Unser Gehirn und damit auch unsere Gesundheit geraten zunehmend «unter Druck». Diese Zusammenhänge werden im Lichte neuer Untersuchungen diskutiert, und es werden – basierend auf biologischen, psychologischen und medizinischen Erkenntnissen – Möglichkeiten der Prävention vorgestellt.

Der Gesundheit unseres Gehirns kommt eine überragende Bedeutung zu, nicht nur, weil dabei unser individuelles Wohlbefinden und unsere geistige Leistungsfähigkeit im Zentrum stehen, sondern auch weil Hirnkrankheiten einer großen europäischen Studie zufolge besonders hohe Krankenkosten verursachen, und zwar in einer Größenordnung von schätzungsweise 800 Millionen Euro im Jahr [2]. Diese Kosten sind laut Studie höher als die Kosten, die durch Krebs-, Herz-Kreislauf- und Diabeteserkrankungen zusammen entstehen. Das hat selbst manche Hirnforscher überrascht. Dem Phänomen «chronischer Stress» kommt im Kontext von Hirnkrankheiten und deren Folgeerkrankungen eine prominente Rolle zu, denn chronischer Stress ist ein übergeordneter und kausaler Risikofaktor. «Die Gesundheit des Gehirns ist für die Gesundheit insgesamt von überragender Bedeutung», so äußerte sich kürzlich der Präsident des Weltverbandes der Neurologie Vladimir Hachinski zu Beginn des Welt-Neurologenkongresses, der im September 2013 in Wien stattfand. Weiter meinte er: «Schlaganfälle verursachen bei den neurologischen Erkrankungen 55 Prozent der ‹verlorenen gesunden Lebensjahre›. Morbus Alzheimer ist für 12 Prozent verantwortlich, zusammen sind es zwei Drittel.» Stress ist ein Risikofaktor für beide Krankheiten.

Unser moderner Lebensstil bringt unser Gehirn in Bedrängnis: Nicht allein, dass wir kaum mehr Momente der Ruhe finden; das Leben beschleunigt sich zusehends, und damit wächst bei vielen auch die Angst, ob sie überhaupt noch mithalten können. Diese Entwicklung hat zum Teil auch schon die Jugend erfasst. Die latente Gefahr des sozialen Abstiegs ist möglicherweise bereits weiter verbreitet als gemeinhin angenommen. So hat denn auch die Weltgesundheitsorganisation den Stress zu einer der größten gesundheitlichen Herausforderungen unseres Jahrhunderts erklärt. Wenn wir uns unsere Gesellschaft ansehen, dann muss man dieser Analyse wohl oder übel zustimmen. Chronische Überlastung hat viele Ursachen: im privaten, im gesellschaftlichen und auch im beruflichen Bereich. Oft kommen gar alle drei Faktoren zusammen, verstärken sich gegenseitig und geben uns das Gefühl, schlicht am Anschlag oder, umgangssprachlich ausgedrückt, gestresst zu sein. Gestresst zu sein ist heute nichts Außergewöhnliches mehr, sondern gehört mittlerweile schon fast zur Normalität. Gestresst zu sein kann auch zur Selbstdarstellung eingesetzt werden, um der Tatsache Ausdruck zu verleihen, dass jemand involviert und engagiert ist und mithalten kann. Dass chronische Überlastung aber einen hohen gesundheitlichen Preis hat, ist vielen Menschen nur ansatzweise bewusst. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass die Stresseinwirkungen, denen wir insgesamt ausgesetzt sind, in den kommenden Jahren abnehmen werden. Vielmehr dürfte das Gegenteil zutreffen, womit auch die gesundheitlichen Auswirkungen noch gravierender ausfallen werden.

Unser Gehirn ist aber nicht nur durch chronischen Stress gefährdet, sondern auch noch durch weitere, unseren Lebensstil betreffende Faktoren. An vorderster Stelle sind Bewegungsmangel, Fettleibigkeit und Schlafmangel zu nennen. Zusammen mit chronischem psychosozialem Stress sind dies alles Risikofaktoren für unser Gehirn, wobei dem chronischen Stress eine übergeordnete Rolle zukommt, da er an der Entstehung dieser zusätzlichen Risikofaktoren selbst maßgeblich...

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