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E-Book

Erfolg braucht kein Talent

Der wahre Schlüssel zu Höchstleistungen in jedem Bereich

AutorDaniel Coyle
Verlagriva Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783745308259
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Großes erreichen können nur die, denen ein Talent in die Wiege gelegt wurde. Falsch, sagt Daniel Coyle, der entscheidende Faktor für Erfolg ist nicht allein Talent, viel wichtiger sind die Fähigkeiten, die ein Mensch besitzt - und die können entwickelt und gefördert werden. Auf welche Lernmethoden Wissenschaftler und Talentschmieden weltweit setzen, verrät der preisgekrönte Journalist und Bestsellerautor in seinem Buch und erklärt er, wie wir unser Gehirn trainieren sollten, um unser Potenzial voll zu entfalten. Denn egal ob wir unsere Leistungsfähigkeit beim Sport erhöhen, ein Musikinstrument erlernen oder ein mathematisches Problem lösen wollen, es kommt immer auf die Art und Weise an, wie wir Chancen nutzen, Herausforderungen angehen und Ziele umsetzen.

Daniel Coyle ist Redakteur beim Magazin Outside und hat mehrere New York Times-Bestseller geschrieben, darunter The Culture Code. Für The Secret Race, das den Dopingskandalen bei der Tour de France nachspürte, erhielt er 2012 die renommierte Auszeichnung William Hill Sports Book of the Year. Er lebt abwechselnd in Cleveland, Ohio, und Homer, Alaska.

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Leseprobe

PROLOG

DAS MÄDCHEN, DAS IN SECHS MINUTEN
DIE LEKTION EINES GANZEN MONATS LERNTE

Am Anfang jeder Reise steht eine Frage. Am Anfang dieser Reise stehen gleich drei Fragen:

Wie schafft es ein mittelloser russischer Tennisclub mit einem einzigen Hallenplatz, mehr Spielerinnen unter die Top 20 der Weltrangliste zu befördern als die gesamten Vereinigten Staaten zusammen?

Was ist das Geheimnis einer kleinen Musikschule im texanischen Dallas, die Jessica Simpson zum Weltstar macht und dafür sorgt, dass 90 Prozent ihrer Absolventen einen Plattenvertrag bekommen?

Wie kommt es, dass eine arme und ungebildete Familie aus einem entlegenen Dorf im Norden Englands drei Schriftstellerinnen von Weltrang hervorbringt?

Talentschmieden sind mysteriöse Orte, und das Mysteriöseste an ihnen ist, dass sie ohne jede Vorwarnung entstehen. Anfang der Fünfzigerjahre spielten die ersten Baseballstars einer winzigen Insel der Dominikanischen Republik in der amerikanischen Profiliga – heute stellt diese Insel jeden neunten Profispieler der Liga. Im Jahr 1998 gewann die erste südkoreanische Golfspielerin ein Turnier der Ladies Professional Golf Association (LPGA) – im Jahr 2008 nahmen 45 südkoreanische Spielerinnen an den Turnieren der LPGA-Meisterschaft teil. Im Jahr 1991 meldete sich nur ein einziger chinesischer Teilnehmer zum Van-Cliburn-Klavierwettbewerb an – an der letzten Endrunde nahmen acht Chinesen teil, eine Zahl, die der Zunahme der chinesischen Musiker in den internationalen Sinfonieorchestern im selben Zeitraum entspricht.

Auch wenn diese Talentschmieden in den Medien gern als einzigartige Ausnahmeerscheinungen dargestellt werden, sind sie Teil eines umfassenderen und älteren Musters. Denken Sie nur an die Komponisten im Wien zur Mitte des 19. Jahrhunderts, die Schriftsteller im England William Shakespeares oder die Künstler der italienischen Renaissance, in der die Stadt Florenz mit ihren gerade einmal 70 000 Einwohnern plötzlich eine in der menschlichen Geschichte einmalige Explosion an Genies hervorbrachte. In jedem dieser Fälle stellt sich dieselbe Frage: Woher kommt diese ungewöhnliche Menge an Talenten? Wie entwickeln sie sich?

Auf der Suche nach einer Antwort könnten wir mit der bemerkenswerten Videoaufzeichnung eines sommersprossigen Mädchens namens Clarissa beginnen. Die dreizehnjährige Clarissa nahm an einer Untersuchung der australischen Musikpsychologen Gary McPherson und James Renwick teil, die über mehrere Wochen hinweg ihre Fortschritte im Klarinettenunterricht verfolgten. Offiziell trägt das Video den Titel shorterclarissa3.mov, doch eigentlich sollte es Das Mädchen, das in sechs Minuten die Lektion eines Monats lernte heißen.

Im Video wirkt Clarissa nicht wie eine sonderlich talentierte Musikerin. Sie trägt ein blaues Sweatshirt mit Kapuze, eine kurze Sporthose und blickt gelangweilt und gleichgültig drein. Vor der Aufnahme der knapp sechs Minuten, die auf diesem Video festgehalten wurden, galt das Mädchen als musikalisches Mittelmaß. Nach den Ergebnissen von McPhersons Eignungstests, nach Auskunft ihres Lehrers und ihrer Eltern sowie nach eigenem Bekunden, hatte Clarissa kaum musikalisches Talent. Sie hatte kein gutes Ohr, ihr Rhythmusgefühl war durchschnittlich und ihre Motivation sogar unterdurchschnittlich (im schriftlichen Teil des Eignungstests hatte sie angegeben, sie übe, weil sie müsse). Trotzdem hat Clarissa in musikpsychologischen Kreisen eine gewisse Berühmtheit erlangt. McPhersons Video hält nämlich fest, wie dieses gewöhnliche Mädchen an einem gewöhnlichen Vormittag etwas tut, das alles andere als gewöhnlich ist. In 5 Minuten und 55 Sekunden verzehnfacht sie laut McPhersons Berechnungen ihr Lerntempo. Und das Schönste ist, sie bemerkt es nicht einmal.

Bevor McPherson das Video startet, führt er mich in die Szene ein: Es ist Vormittag, Clarissas normale Übungszeit, ein Tag nach ihrer einmal wöchentlich stattfindenden Klarinettenstunde. Sie übt ein neues Stück mit dem Titel »Golden Wedding«, das der Jazzklarinettist Woody Herman 1941 aufgenommen hatte. Sie hat sich das Stück ein paar Mal angehört. Es gefällt ihr. Nun versucht sie, es selbst zu spielen.

Clarissa holt Luft und spielt zwei Noten. Dann hält sie inne. Sie nimmt die Klarinette ab und starrt auf die Noten. Ihre Augen verengen sich zu einem Schlitz. Dann spielt sie die ersten sieben Noten, die Eröffnung des Stücks. Die letzte Note ist falsch, sie unterbricht sich sofort und reißt sich fast die Klarinette aus dem Mund. Sie starrt erneut auf die Noten und singt sich die Passage leise vor: »Da da damm daa«.

Sie fängt wieder von vorn an und schafft es diesmal ein paar Noten weiter, bis sie sich erneut verspielt. Wieder geht sie zum Anfang zurück und korrigiert den Fehler. Das Vorspiel nimmt Form an, sie spielt mit Gefühl und Schwung. Am Ende des Satzes hält sie sechs lange Sekunden lang inne und scheint die Melodie im Geiste noch einmal durchzuspielen. Dabei drückt sie die Knöpfe der Klarinette. Dann beugt sie sich vor, holt Luft und beginnt erneut.

Es klingt schauderhaft. Es ist keine Musik, sondern ein stockendes, unrhythmisches Nacheinander von Tönen, das immer wieder von Pausen und Missklängen unterbrochen wird. Wenn wir unserem gesunden Menschenverstand Glauben schenken, dann versagt Clarissa kläglich. Doch unser gesunder Menschenverstand täuscht sich.

»Was wir hier sehen, ist ganz erstaunlich«, erklärt McPherson. »Jedes Mal, wenn ich mir das Video anschaue, entdecke ich etwas Neues, etwas unglaublich Subtiles und Starkes. So übt eine Profimusikerin am Mittwoch, wenn sie am Samstag ein Konzert hat.«

Auf dem Bildschirm beugt sich Clarissa über ihre Noten und versucht herauszufinden, wo auf der Klarinette das Gis liegt, das sie noch nie gespielt hat. Sie schaut auf ihre Finger, dann auf die Noten, dann wieder auf die Finger. Sie summt sich die Melodie vor. Clarissa sitzt weit nach vorne gebeugt und sieht aus, als würde sie gegen einen eisigen Wind ankämpfen. Ihr hübsches, sommersprossiges Gesicht verzieht sich zu einer Grimasse. Wieder und wieder spielt sie die Eröffnung, und jedes Mal legt sie mehr Esprit, Rhythmus und Schwung hinein.

»Sehen Sie sich das an«, ruft McPherson aus. »Sie hat eine Vorlage im Kopf, mit der sie sich immer wieder vergleicht. Sie arbeitet auf der Ebene von Sätzen, vollständigen musikalischen Einheiten. Dabei übergeht sie aber keinen ihrer Fehler, sie hört sie und korrigiert sie. Sie fügt kleine Teile ins große Ganze, schaut mal aufs Detail, mal aufs Ganze, und arbeitet sich auf ein immer höheres Niveau.«

Was wir sehen, ist keine gewöhnliche Übungsstunde. Es ist vielmehr ein hochgradig zielführender und auf Fehlerkorrektur ausgerichteter Prozess. Hier wächst und entsteht etwas. Das Stück nimmt Gestalt an, und mit ihm entsteht eine neue Qualität in Clarissa.

Das Video läuft weiter. Nach »Golden Wedding« beginnt Clarissa das nächste Stück, »Die blaue Donau«. Dieses Lied spielt sie ohne Unterbrechung an einem Stück durch. Auch wenn ihr gelegentlich eine falsche Note dazwischenrutscht, ist die Melodie erkennbar.

McPherson stöhnt. »Sie spielt es einfach so runter, so als würde sie den Gehsteig entlanggehen. Es ist schrecklich. Sie denkt nichts, sie lernt nichts, sie schafft nichts, sie vergeudet einfach ihre Zeit. Am Anfang spielt sie schlechter als üblich, dann genial, und dann wieder schlecht. Und das alles, ohne dass sie etwas davon mitbekommt.«

Nach einigen Augenblicken hält McPherson es nicht mehr aus und spult zu der Stelle zurück, an der Clarissa »Golden Wedding« übt. Er will sie sich aus demselben Grund noch einmal ansehen wie ich. Was wir hier beobachten, ist kein genetisch veranlagtes Talent, sondern etwas sehr viel Interessanteres. Es sind sechs Minuten, in denen ein durchschnittlich begabter Mensch in eine Phase magischer Produktivität eintritt und mit jeder Sekunde neue Fähigkeiten entwickelt.

»Wenn jemand diesen Moment herausdestillieren könnte«, seufzt McPherson. »Das wäre Millionen wert.«

In diesem Buch geht es um eine ganz einfache Erkenntnis: Clarissa macht dasselbe wie die berühmten Talentschmieden. Sie nutzt einen Mechanismus im Gehirn, der bestimmte Formen des gezielten Übens in neue Fähigkeiten verwandelt. Ohne es zu bemerken, tritt sie in eine Phase des beschleunigten Lernens ein, die sich zwar leider nicht in Flaschen abfüllen lässt, die wir aber selbst herbeiführen können, wenn wir nur wissen, wie. Clarissa hat mit anderen Worten das Geheimnis des Talents geknackt.

Das Geheimnis des Talents basiert auf revolutionären Entdeckungen rund um die Neuronenmembran Myelin, die für viele Gehirnforscher heute der Heilige Gral des Lernens ist. Der Grund ist einfach. Jede unserer Fähigkeiten – egal, ob wir Baseball oder Bach spielen – entsteht in Verknüpfungen von Nervenzellen, die einen elektrischen Impuls weitergeben wie ein Telefonnetz ein Signal. Die...

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