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E-Book

Erich Sarnekow der U-Bootsheld

Eine Erzählung aus dem Weltkrieg

AutorFranz Schulze
Verlagepubli
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl220 Seiten
ISBN9783745001655
Altersgruppe18 – 99
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,99 EUR
Überrascht vom plötzlichen Kriegsausbruch beginnt für Erich Sarnekow eine gefahrvolle Odysee, um nach Deutschland zu gelangen. Eine Fischvergiftung, ein Milchgesicht und die Flucht aus Belgien sind Begleiter und Begebenheiten bevor Sarnekow endlich auf 'sein' U-Boot gelangt. Auf seiner langen Reise im Kriege berichtet er schonungslos über die Ereignisse während der U-Boot-Kriegsfahrt.

Franz Luis Karl Schulze, ein Kapitän und Schriftsteller.

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Leseprobe

Zweites Kapitel. Hin zur Flagge Schwarzweißrot.


Langsam, oft angehalten, in überlasteten Bahnhöfen wartend auf Freiwerden der Strecken vor ihnen, war der Flüchtlingszug, entgegen dem sich nach Westen wälzenden grauen Heerwurm, durch Westfalen und die Provinz Hannover gekrochen und näherte sich nun der alten Welfenstadt. Jetzt kam es für Erich darauf an, abzubiegen und der thüringischen Heimat zuzueilen oder gleich Kiel zuzustreben. Erlaubte freilich der geschwächte Gesundheitszustand noch nicht sofortigen Eintritt in die Marine, so wollte der junge Schiffsoffizier dort doch möglichst an Ort und Stelle sein. Auch lautete seine Kriegsbeorderung, sich nach Erreichen der Heimat sofort im Kriegshafen einzufinden. So stand im Militärpaß des Vizesteuermanns oder, wie man sie früher nannte, Vizeseekadetten. Erich Sarnekow hatte seine „erste Übung“ damals gleich im Anschluß an sein Dienstjahr gemacht und beabsichtigt, die zweite nach Ablegung der Kapitänsprüfung abzuleisten, um damit die Dienststufe des Reserveoffiziers zu erreichen. Er überlegte jetzt nicht lange, sondern war sich sofort darüber klar gewesen, daß es kein andres Ziel wie Kiel für ihn geben könne. Auch sein Vater würde dies Verhalten billigen, der alte Geheime Medizinalrat Sarnekow in der thüringischen Residenz. Er würde dem Sohne nicht anders raten, davon war Erich fest überzeugt. Er fühlte sich freilich noch äußerst schwach, jedoch schien seine Jugend die Macht der Krankheit endgültig überwunden zu haben. Der Körper hatte das damals wahrscheinlich in Fischkonserven enthaltene und in den Magen aufgenommene Gift wieder ausgeschieden; in kurzer Zeit würden auch bei geeigneter Pflege die Nachwehen des Anfalls überwunden sein. Er blieb also ruhig in seinem Abteil sitzen und fuhr weiter nach Hamburg, um erst mal frisches Unterzeug und die dort aufbewahrte Uniform abzuholen. Zugleich beabsichtigte Erich, einen Freund seines Vaters, der eines der großen hanseatischen Krankenhäuser des Kaufmannsstaates leitete, seines Leidens wegen um Rat zu fragen. Dieser, gerade in jenen Tagen so überaus in Anspruch genommene Gelehrte, der als beratender Chirurg des Armeekorps ins Feld rücken sollte, untersuchte den Sohn seines ehemaligen Studiengenossen trotz aller Geschäftigkeit auf das eingehendste und riet ihm, ruhig zum Kriegshafen zu fahren. Dort werde man ihn unzweifelhaft annehmen, aber vielleicht noch acht bis zehn Tage zur Erholung zurückstellen. Befriedigt kehrte der Jüngling von dieser Besprechung in sein Hotel auf St. Pauli zurück, nachdem er noch dem Palaste der Reederei einen Besuch abgestattet, um dem Direktor von der Zerstörung des Deutschen Seemannshauses und der Agentur kurzen Bericht zu erstatten. Hier in dem gewaltigen Gebäude lief es ein und aus und kribbelte wie in einem gestörten Ameisenhaufen. Dutzende von Leuten wollten Auskunft, wo dieser oder jener Dampfer sich befinde. Ob die Passagiere eines dritten Schiffes in Sicherheit und ob vielleicht die Bemannung des als von den Engländern gekapert gemeldeten Fahrzeuges nun würde gefangen gehalten werden? Wohin man die Güter umbeordern, jene Sachen abfertigen solle? Erkundigte sich ein anderer. Automobile mit einer kleinen Kriegsflagge vorne am Führersitze, grau übermalt, hielten, mindestens ein halbes Dutzend an der Zahl, vor dem großen Portal. Weitere kamen in rasender Fahrt herangesaust; Marineoffiziere oder Ordonnanzen in der kleidsamen Matrosenuniform ent stiegen ihnen und eilten mit gewichtigen Mappen die Granitstufen empor. Andere kamen wiederum aus den geräumigen Schreibstuben des vornehmen Hauses zurück. Nur einen Blick wirft der eben aus der Tür Kommende umher und schon rattert sein Motor heran. Der Wagenführer macht trotz der schnell sich nähernden Elektrischen einige geschickte Wendungen,

bald den Hebel nach vorne reißend, bald ihn knackend und krachend für Rückwärtsfahrt einlegend. Doch bevor der Führer an die Kante der Bordsteine herankann, hat der Fahrgast schon seine Mappe auf das Polster geschleudert, die Tür des Wagens aufgerissen und ist in das Gefährt gesprungen, um in rasender Fahrt nach dem Rathause zu die Straße hinunterzufliegen. Schon erscheint wieder ein Offizier im blauen mit Goldknöpfen geschmückten Rocke der Marine; mit ihm zugleich trat Sarnekow aus dem Portal.

„Hallo! Erich, Mensch, wie sehn Sie aus? Hat Sie das Gelbe Fieber drüben in den Klauen gehabt oder haben Sie sich sonst mit dem Schiffsarzt erzürnt? Ganz mies, mein Junge!“

„Ja, Warncke, ich muß irgendwas geschluckt haben, was mir nicht bekommen ist. Nur Wunder, daß ich der Einzige an Bord geblieben bin, dem’s was geschadet hat. Mein Magen verträgt doch sonst Kieselsteine! — Jetzt bin ich wieder über den Berg; einige Tage, dann werde ich auch den Rock an-ziehen können, den Sie bereits tragen. Was aber in aller Welt tun Sie hier mit dem Auto vor dem Hause unserer Reederei? Marine zu Lande? Lüneburger-Heide-Panzer?“

Warncke schaute die Straße erst nach einer, dann nach der andern Richtung hinab, neigte, obwohl eigentlich niemand in Hörweite war, seinen Mund dem Ohre des Freundes zu: „Sarnekow, fixen Sie sich erst mal ordentlich wieder auf und versuchen Sie, zu uns zu kommen. Die Nordsee kennen Sie doch von der Londonfahrt her genau genug. Wir rüsten hier die schnellsten Dampfer aus und senden sie dem verd . . . . . . . Engelschmann hinüber zum Eierlegen. Denken Sie, ein pracht voller Plan, den Großhälsen drüben jenseits des Kanals die eigenen Flußmündungen zu versperren. Die Bande, die Gott strafen möge! Sie haben immer gedroht: bevor noch die Kriegserklärung in Deutschlands Gauen überall bekannt geworden, würde „Wilhelms Luxus-Flotte“ aufgehört haben zu existieren; lägen die Schleusen von Wilhelmshaven in Trümmern, sei Kiel ein Haufen rauchender Mauerreste, während Bremen und Hamburg am nächsten Tage in den Händen der mächtigen englischen Panzerkolosse, ihrer Fürchtenichte, sein würden! — Nun haben wir schon eine recht nette Minensperre vor der Themse. Weitere Schnelldampfer liegen fertig, auch andere Hauptschlagadern Albions zu verstopfen. Überall hat man als Gehilfen der der aktiven Marine entnommenen Kommandanten solche Reserveoffiziere an Bord dieser Fahrzeuge gesetzt, die die Flußeinfahrten und die dazu ausgesuchten Handelsdampfer ans eigener Erfahrung kennen. Ich bin auf Nr. 38; der rote Dechentin auf 44; Georg Müller ist sogar Kommandant eines Vorpostenbootes! Sie werden sämtliche Offiziere der Reederei hier vereinigt finden. Also Gott befohlen; vorerst gute Besserung und dann auf Wiedersehn bei Engelland, mach’s gut, mein Junge!“

Hier verfiel der Abfahrende dem jüngeren Kameraden gegenüber in das trauliche Du; hatte er den „Vierten“ doch schon auf dem Schulschiffe herangebildet und gern gesehen. Bei seinen letzten Worten war der Sprecher bereits eingestiegen und sauste, die Ecke scharf nehmend, rechts herum nach dem großen Hafenbecken zu, um dem Kommando neben dem Stadttheater einen neuen Befehl zu übermitteln. Sarnekow aber überquerte die Straße, trat in das gegenüberliegende Ausrüstungsgeschäft und bestellte einige Ersatzstücke seiner Wäsche, da er ja fast alles in Antwerpen zurückgelassen hatte. Es blieb ihm nur eine kleine Stunde bis zur Abreise, mit der er eigentlich nichts mehr anzufangen wußte. Er sandte ein Telegramm an die Eltern, seine glückliche Ankunft meldend, und eine zweite Nachricht an seine früheren Wirtsleute in Kiel mit der Bitte, ihn aufzunehmen und ihn mit Auto von der Station zu holen. Dann ging er hinauf zur schönen, die Stadt umschließenden Allee mit ihren herrlichen Anlagen, am Kunstmuseum vorbei, schwenkte rechts ab und wählte ein Lokal den: Bahnhofe fast gegenüber. Die Menge flutete hier vorüber, auf und ab wandelnd. Autos sausten vorbei, durch Hupensignal zur Vorsicht mahnend. Unten aus dem tiefen Einschnitt der Bahn schrillten Lokomotivenpfiffe empor, das zahlreiche Publikum jedesmal an die den Schienengraben umfassende Granitmauer lockend. Hochrufe grüßen die dort unten Vorbeifahrenden; hinauf klingt’s wieder, vom Straßenlärm oft verschlungen: „Da gibt’s ein Wiedersehn!“ Drüben im Portal der Riesenhalle standen Posten, scharf die Hineinwollenden musternd und den Militär-Paß fordernd und unaufhaltsam, eine lebende Kette, zog einer nach dem andern da hinein. Dann kam wieder ein ganzer Trupp, niemals eine Pause im Zuzug. Jetzt erst mahnte den Genesenden eine plötzlich anwandelnde Schwäche, daß er noch lange nicht wieder der Alte, daß die Kräfte doch erst langsam zurückkehren würden. Noch einmal schaute er mit innerm Auge rückwärts und verglich dies Hasten und Wogen und doch würdige Abschiednehmen in der großen Hafenstadt mit den jüngst erlebten wüsten Bildern in Antwerpen, denen unterwegs noch manche Einzelheiten durch die Erzählungen von Ausgeraubten hinzugefügt waren. Wie konnte man Kranke so schmählich hilflos sich selbst überlassen? Sie einfach buchstäblich vor die Tür sehen? Doch vielleicht würde ihn der Kriegsgott nach seiner Genesung wieder dorthin senden. Dann würde er Arzt und Schwester aufsuchen und beiden ihre wenig zu ihrem Stande passende unchristliche Handlungsweise deutlich und deutsch klar machen!

Bald schlug die Abschiedsstunde; der bis auf den letzten Platz gefüllte Zug verließ die Riesenhalle, umfuhr die im saftigen Grün prangende Stadt und rollte, zwar langsam aber unaufhaltsam nordwärts.

„Und die Vöglein im Walde, die sangen ja so wunder-wunderschön“ klang’s immer wieder von neuem. „Un dat segg ick die, verhaun doht wie ein doch den Spihkjuh-engelsch. Lat em man kohm!“ So klang’s aus dem dichtbesetzten Gange des D-Wagens. Hier hatten sich alte Bordkameraden gefunden, die...

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