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E-Book

Erlebnispädagogik in den Bergen

Grundlagen, Aktivitäten, Ausrüstung und Sicherheit

VerlagERNST REINHARDT VERLAG
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl172 Seiten
ISBN9783497602322
FormatPDF/ePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
ErlebnispädagogInnen setzen sportliche Aktivitäten in der Natur zur Persönlichkeitsentwicklung und zur Förderung der Sozialkompetenz ein. Welche Settings bieten dafür mehr Anregungen als die Berge? Die Aktivitäten reichen vom Bergwandern und Biwakieren über Klettern, Abseilen und mobile Seilaufbauten bis zum Iglubau. Das Buch bietet neben praktischen Anleitungen für die pädagogische Arbeit auch kompakte Grundlageninformationen zu Ausrüstung und Sicherung, Natur- und Umweltaspekten sowie Recht und Versicherung. Zahlreiche Fallbeispiele lassen die Erlebnispädagogik mit Kinder-, Jugendlichen- oder Erwachsenengruppen in den Bergen lebendig werden.

Prof. Dr. Bernhard Streicher, Dipl.-Psych., lehrt Sozial- und Persönlichkeitspsychologie an der Universität für Gesundheitswissenschaften in Hall in Tirol und ist als freiberuflicher Trainer und Ausbilder im Lehrteam Alpin der Zusatzqualifikation Erlebnispädagogik (ZQ) tätig. Heidi Harder M.A., Pädagogin und Erlebnispädagogin, staatlich geprüfte Berg- und Skiführerin, ist Leiterin der Jugendbildungsstätte des Deutschen Alpenvereins in Hindelang und im Lehrteam Alpin der ZQ tätig. Hajo Netzer, Dipl.-Sozialpäd., staatlich geprüfter Berg- und Skiführer, ist freiberuflicher Trainer in der erlebnispädagogischen Bildungsarbeit sowie Ausbilder im DAV-Bundeslehrteam Bergsteigen und im Lehrteam Alpin der ZQ

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Leseprobe

2 Fachsportliche Grundlagen

Von Heidi Harder, Hajo Netzer und Bernhard Streicher

2.1 Ausrüstung

Angemessene Ausrüstung ist eine wesentliche Voraussetzung für eine sichere und verantwortungsvolle Gestaltung erlebnispädagogischer Aktivitäten. Im Folgenden werden Kriterien der Bergsportausrüstung beschrieben, die für alle Handlungsfelder der Erlebnispädagogik in den Bergen bedeutsam sind. Spezifische Ausrüstungsfragen der jeweiligen Handlungsfelder sowie Kriterien und Anwendungsbereiche von sogenanntem Industriematerial, welches lediglich bei temporären Seilaufbauten verwendet wird, werden in den entsprechenden Kapiteln beschrieben.

Normen und Klassifizierungen

Sicherheitsrelevante Bergsportausrüstung wird größtenteils als persönliche Schutzausrüstung (PSA) klassifiziert. Laut Gesetz muss diese Ausrüstung gewisse Mindestanforderungen zum Schutz des Benutzers erfüllen. Die Mindestanforderungen sind in Europa in der Euro-Norm (EN) fixiert und werden durch das europäische Gremium für Normung (CEN) festgelegt. Für Ausrüstungsgegenstände, die der PSA-Norm unterliegen, existieren drei Schutzklassen. Bergsportausrüstung ist meist der höchsten Schutz-klasse III – gegen Absturz aus großen Höhen – zugeordnet. Kennzeichnend hierfür ist, neben dem CE Zeichen, die Kennziffer des Prüfinstituts, welches die Ausrüstung geprüft hat. Eine weitere, freiwillige, Norm für Bergsportausrüstung ist die internationale UIAA-Norm. Zu erkennen sind normgerechte Bergsportprodukte an der CE- und UIAA-Kennzeichnung auf der Ausrüstung (Hellberg et al. 2013).

Laut PSA-Richtlinie muss der Hersteller eines PSA-Produkts in der Gebrauchsanleitung Angaben zur maximalen Lebensdauer, Lagerung und zum korrekten Gebrauch machen. Für kommerziell arbeitende Erlebnispädagogen ist dies der Hinweis, wann Material spätestens ausgetauscht werden muss. Denn mit Ende der angegebenen Lebensdauer erlischt auch die Gewährleistung des Herstellers und der Verleiher steht in der Haftung.

Seile

In der Bergsportausrüstung wird zwischen dynamischen und statischen Seilen unterschieden. Dynamische Seile sind zum Auffangen von Stürzen von Kletterern bestimmt und weisen somit eine höhere Dehnbarkeit als statische Seile auf. In den erlebnispädagogischen Handlungsfeldern Klettern und Abseilen werden in erster Linie dynamische Seile verwendet. Statische Seile können lediglich zum Abseilen (Kap. 6) oder bei temporären Seilaufbauten (Kap. 7 und Kap. 8) eingesetzt werden.

Dynamische Seile werden in unterschiedlichen Typen hergestellt. Es existieren Einfach-, Halb-, und Zwillingsseile (Deutscher Alpenverein 2014a). Für den Einsatz in der Erlebnispädagogik werden ausschließlich Einfachseile (neue Seile gekennzeichnet mit -Symbol an den Seilenden) empfohlen. Innerhalb der Typisierungen unterscheiden sich die Seile stark bezüglich ihres Durchmessers. Während Kletterer aufgrund des geringen Gewichts und der besseren Handhabung oft sehr dünne Durchmesser bevorzugen, werden für den erlebnispädagogischen Einsatz Einfachseile mit robuster und haltbarer Konstruktion und eher größerem Durchmesser empfohlen.

Verschlusskarabiner

Die Sicherheit von Karabinerverschlüssen gegen unbeabsichtigtes Aushängen lässt sich in drei Stufen einteilen: niedriges, mittleres und hohes Sicherheitsniveau. Ein niedriges Sicherheitsniveau weisen Karabinerverschlüsse auf, bei denen zwei Bewegungen notwendig sind um den Karabiner auszuhängen. Ein Beispiel hierfür sind „Twist-Lock-Verschlüsse“. Ein mittleres Sicherheitsniveau weisen Karabiner auf, bei denen entweder drei Bewegungen zum Öffnen nötig sind (z. B. „Push-and-Twist Verschlüsse“) oder zwei Bewegungen, die sich nur schwer in einem Vorgang überlagern können (z. B. „Schraubkarabiner“). Dem hohen Sicherheitsniveau werden Karabinerverschlüsse zugeordnet, bei denen zum Öffnen des Karabiners drei Bewegungen erforderlich sind, die nur sehr schwer in einem Vorgang kombiniert werden können. Ein Beispiel hierfür ist der „Ball-Lock“ von Petzl. Diese Karabiner werden auch als „Safelock-Karabiner“ bezeichnet (Hellberg / Steinmüller 2014)

Von Verschlusskarabinern mit niedrigem Sicherheitsniveau wird in der erlebnispädagogischen Anwendung generell abgeraten. Sofern möglich, werden an Punkten, die nicht versagen dürfen (z. B. Toprope-Umlenkung), redundante Systeme verwendet.

Anseilgurte

Anseilgurte existieren als Hüftgurte, Komplettgurte und Brustgurte. Alle drei Typen werden verstellbar oder nicht verstellbar angeboten.

Für das Klettern und Abseilen im erlebnispädagogischen Bereich eignen sich sowohl Hüftgurte, eine Kombination aus Hüftgurt und Brustgurt sowie Komplettgurte. Das Anseilen ausschließlich mit Brustgurt darf unter keinen Umständen vorgenommen werden. Hüftgurte, die Kombination aus Hüft- und Brustgurt und Komplettgurte haben jeweils Vor- und Nachteile. Hüftgurte verfügen über ein relativ geringes Gewicht und Packmaß und können sowohl beim Klettern als auch beim Abseilen verwendet werden.

Für Kinder und übergewichtige Personen (vor allem Personen ohne Taille) ist ein Hüftgurt alleine nicht ausreichend. Bei einem eventuell auftretendem Kopfüberhängen nach einem Sturz besteht die Gefahr, dass diese Personen aus dem Gurt rutschen. Hier muss zusätzlich zum Hüft- ein Brustgurt verwendet werden (Abb. 2).

Abb. 2: Verbindung von Hüft- und Brustgurt mittels offener Bandschlinge und geknüpften Sackstichen. Auf ausreichend Überstand achten. Eingebunden wird durch beide Sackstichringe.

Komplettgurte haben den Brustgurt integriert und eignen sich somit für alle Personengruppen (Deutscher Alpenverein 2014b). Darüber hinaus ermöglichen etliche Komplettgurte eine Aufhängung am Rücken, was insbesondere für hohe Seilaufbauten (Kap. 8) ein Vorteil sein kann. Der Nachteil von Komplettgurten besteht in ihrem hohen Gewicht, ihrem relativ großen Packmaß und ihrer häufigen Unbequemlichkeit beim Hängen.

Schlingen

Schlingenmaterial wird beim Klettern und Abseilen in vielen Situationen verwendet. Als Expressschlingen, als Bandschlingen zur Verlängerung von Zwischensicherungen, als Selbstsicherungsschlingen oder bei der Verbindung von Fixpunkten beim Einrichten eines Toprope oder einer Abseilstation.

Bandschlingen werden aus unterschiedlichen Materialien hergestellt. Es existieren Bandschlingen aus Polyethylen (Dynema), Polyamid (Nylon) und Mischgewebe. Schlingen aus Dynema und Mischgewebe gibt es ausschließlich als vernähte Schlingen zu kaufen, da ihre Oberfläche sehr glatt ist und Knoten rutschen. Unvernähte Schlingen aus Nylon werden heutzutage fast ausschließlich als Verbindungsstück zwischen Hüftgurt und Brustgurt verwendet (Abb. 2). Für alle Schlingen gilt die gleiche Norm (EN 566), die eine Mindestbruchkraft von 22 kN im Neuzustand vorschreibt.

Die Festigkeit von Schlingen kann durch Knoten, äußerliche Beschädigungen (starke Gebrauchsspuren), UV-Strahlung und vor allem auch durch Alterung vermindert werden. Neueste Untersuchungen zeigen, dass insbesondere bei Dynemaschlingen das Alter eine entscheidende Rolle spielt. Diese Schlingen sollten bereits nach drei Jahren ausgemustert werden, wenn sie gebraucht aussehen. Spätestens fünf Jahre nach Anschaffung sollten Dynemaschlingen auch dann ausgesondert werden, wenn sie kaum benutzt wurden (Janotte et al. 2015). Polyamid- und Mischgewebeschlingen können hingegen sechs bis zehn Jahre eingesetzt werden, wenn das äußere Erscheinungsbild in Ordnung ist.

Helme

Helme erfüllen zwei Aufgaben: Zum einen sollen sie vor Steinschlag schützen, zum anderen vor Anprallverletzungen bei Sturz oder ungelenken Bewegungen. Hinsichtlich der Konstruktionsweise können zwei Helmarten unterschieden werden. Helme mit einer harten Schale aus Kunststoff bieten guten Schutz gegen Steinschlag, haben aber einen geringen Anprallschutz gegen seitliche Einwirkungen. Modernere Helme bestehen aus einem Styroporkern mit einer relativ weichen Außenschale und werden als „Inmolding-Helme“ bezeichnet. Ihre Stärke besteht im optimalen Schutz gegen Anprall und ihrem geringen Gewicht. Schwächen weisen diese Helme jedoch gegenüber Steinschlag auf. Darüber hinaus sind sie weniger robust (Deutscher Alpenverein 2014c).

Knoten

Hier werden die wichtigsten Knoten für die Erlebnispädagogik in den Bergen vorgestellt. Ihre Verwendung wird in den jeweiligen Kapiteln genauer ausgeführt.

Abb. 3: Halbmastwurfsicherung (HMS)

Abb. 4: Halbmastwurfsicherung (HMS) mit Schleifknoten hintersichert

Abb. 5: Sackstich gesteckt

Abb. 6: Sackstich geknüpft

Abb. 7: Achter gesteckt

Abb. 8: Achter geknüpft

Abb. 9: Prusik

Abb. 10: Mastwurf

Abb. 11: Bandschlingenklemmknoten. Mindestens die Hälfte der Nylonbandschlinge (60 cm) wird von einem Ende her um das Seil gewickelt. Der Rest anschließend durch das Ende am Seil gesteckt.

2.2 Orientierung

Orientierung in der freien unübersichtlichen Natur, abseits gut markierter und beschilderter Wege, erfordert Wissen und Erfahrung. Je häufiger man sich mit...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Vorwort9
1Besonderheiten der Erlebnispädagogik in den Bergen11
1.1Pädagogisches Potenzial und Wirksamkeit11
1.2Naturraum Berge13
1.3Planung14
1.4Zielgruppen17
1.5Risikokultur18
2Fachsportliche Grundlagen25
2.1Ausrüstung25
2.2Orientierung31
2.3Wetter37
2.4Tourenplanung41
2.5Notfall44
3Bergwandern47
3.1Ausrüstungs- und Sicherungskunde47
3.2Mögliche Durchführung53
3.3Pädagogische Themen55
3.4Praxisbeispiele56
3.5Mehrtagestouren57
3.6Bachbettbegehung59
3.7Geländespiele, Orientierungstourenund moderne Technik60
4Biwak62
4.1Ausrüstung und Sicherheit62
4.2Tipps und Tricks bei der Durchführung64
4.3Ökologische Aspekte68
4.4Rechtliche Aspekte68
4.5Praxisbeispiel69
5Klettern72
5.1Ausrüstungskunde, Sicherungstheorieund Aufbau einer Toprope-Station72
5.2Aufbau und Betrieb einer Toprope-Station78
5.3Pädagogische Themen82
5.4Spielformen83
5.5Praxisbeispiel87
6Abseilen89
6.1Ausrüstung und Sicherungskunde89
6.2Aufbau einer Abseilstation89
6.3Pädagogische Themen95
6.4 Praxisbeispiele98
7Niedere temporäre Seilaufbauten100
7.1Ausrüstungs- und Sicherungskunde100
7.2Mögliche Aufbauten103
7.3Pädagogische Themen116
7.4Praxisbeispiele119
8Hohe temporäre Seilaufbauten121
8.1Ausrüstungs- und Sicherungskunde121
8.2Mögliche Aufbauten122
8.3Pädagogische Themen135
8.4Praxisbeispiele135
9Naturerfahrung in den Bergen137
9.1Pädagogische Themen137
9.2Mögliche Übungen141
9.3Praxisbeispiel146
10Winter147
10.1?Ausrüstung und Sicherheit147
10.2?Tourenplanung und -durchführung148
10.3?Pädagogische Themen149
10.4?Aktivitäten150
10.5?Praxisbeispiel154
11Recht und Versicherung155
11.1?Zivilrecht155
11.2?Strafrecht161
11.3?Jugendschutz164
11.4?Versicherungen164
Anhang166
Glossar166
Literatur171
Weitere Informationsquellen174
Bildnachweis175
Die Autorinnen und Autoren176
Sachregister178

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