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Es ist ja nur für eine Nacht

103 Tage auf dem Jakobsweg von Heideck nach Santiago de Compostela

AutorAngela Stadlbauer
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl300 Seiten
ISBN9783743171961
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,49 EUR
Im März 2015 startet Angela Stadlbauer zu Hause an ihrer Haustüre ihren persönlichen Jakobsweg. Ihre Fußreise führt sie durch Deutschland, Frankreich und Spanien bis nach Santiago de Compostela. Sie ist 103 Tage unterwegs und legt in dieser Zeit 2600 Kilometer zurück. Die Emotionen, die sie in dieser Zeit durchlebt, reichen von zu tiefst deprimiert bis überglücklich. Die Menschen, die Teil ihres Weges sind, schließt sie in ihr Herz oder ist froh, ihnen nicht mehr zu begegnen, findet sie doof oder wunderbar. Auf 2600 Kilometern wird ihr unsagbares Vertrauen und auch Skepsis entgegengebracht. Tagsüber pilgert sie durchschnittlich 25 Kilometer, ruiniert dabei ihre Wanderschuhe, läuft sich Blasen an den Füßen, hat starke Schmerzen oder das Gefühl zu schweben und alles zu schaffen, was der Weg ihr auferlegt. Jede der 103 Nächte verbringt sie in einer anderen Unterkunft , alleine oder mit ausdünstenden, schnarchenden Mitbewohnern. Sie schläft auf gammeligen Matratzen, dünnen Isomatten oder in gemütlichen Betten. Geschwächt und gleichzeitig gestärkt und vollgepumpt mit unterschiedlichen Emotionen kommt sie nach dreieinhalb Monaten in Santiago de Compostela an. All diese Erlebnisse hält sie in einem Tagebuch fest, gespickt mit Erinnerungen und Gedanken abseits des Jakobsweges, die sie in ihrem Leben und auf ihrem Camino unweigerlich begleiten.

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Leseprobe

KAPITEL 1 – DEUTSCHLAND


TAG 1 – Mittwoch, 18.März 2015


Nürnberg (30km)


MUTSCH & ICH

Endlich geht`s los. Früh um acht bin ich fast startklar. Aber wie immer wird es zum Schluss doch noch etwas hektisch. Schnell noch Einlagen in die Wanderschuhe gesteckt und ach! Schal, Handschuhe und Mütze wären gut. Schließlich ist noch Winter. Die Strickmütze mit dem Bommel dran? Ist die nicht zu schwer? Ich habe ja alles akribisch gewogen, was mit muss, damit ich kein Gramm zu viel auf den Schultern trage. Oder besser gesagt auf den Hüften. Ich habe das Gefühl, das gesamte Rucksackgewicht schwebt über meinen Schultern und verteilt sich komplett in meine Hüftknochen und Beine. Aber jetzt drängt die Zeit, die Bommelmütze landet auf meinem Kopf.

Draußen warten auch schon meine Eltern. Meine Mama (Mutsch) hat beschlossen, mich die ersten zwei Wochen auf meinem Weg zu begleiten. Und da steht sie, abmarschbereit und wie es mir scheint, etwas organisierter als ich. Ihr Rucksack hat bestimmt zwei Kilo weniger als meiner und die Fleecemütze, die ihren Kopf ziert, ist leichter und handlicher als mein Bommelstrickmonster. Ich kann mir nicht erklären, wie sie bei vergleichbaren Touren tausende Dinge aus ihrem Rucksack zaubert, für alle Eventualitäten immer das Richtige dabei hat und trotzdem mit leichtestem Gepäck reist. Das ist ein Geheimnis, das bleibt.

Meine Freundin Claudia ist gekommen, um mich zu verabschieden. Sie wird mich auf dem Weg aus dem Ort geleiten. Meine Nachbarin lässt es sich nicht nehmen und vergewissert sich, dass ich tatsächlich losmarschiere. Von ihr bekomme ich zum Abschied einen Schutzengel geschenkt. Das ist eine schöne Idee und kann auf keinen Fall schaden, es liegt ein weiter Weg vor mir. Das Gewicht dieses zarten Schutzengels kommt noch oben drauf, das schaffen meine Hüften und Beine noch. Mal sehen, ob ich ihn unbeschadet nach Santiago bringe.

Wie schön, dass ich nicht alleine starten muss, das macht das Ganze etwas weniger emotional und ich fange nicht doch noch an zu heulen…auch wenn ich könnte…oder überwiegt einfach die Freude darüber, dass es endlich losgeht und ich dabei bin, mir einen Traum zu erfüllen? Ein paar Tränen könnte ich schon kullern lassen…Neiiiiin…reiß dich zusammen, wie kommt denn das…!?

Es werden noch ein paar Erinnerungsfotos geknipst, die ersten von ganz, ganz vielen. „Aber nicht Hochformat!“, ruft Paps meiner Freundin Claudia zu, und ich versuche, in die Kamera zu lächeln. Und dann fällt mir noch was ein: „Ich brauch doch einen Stein, den ich am Cruz de Ferro ablegen kann!“ Also suche ich hektisch einen hübschen und tragbaren Stein in meinem Garten und packe ihn in die Seitentasche meines Rucksacks. Dass ich wahrscheinlich gar nicht am Cruz de Ferro vorbeikommen werde, habe ich gerade irgendwie nicht auf dem Schirm. Ist halt doch ein bisschen zu viel früh um acht…

Begleitet von guten Wünschen und innigen Umarmungen laufen wir los. Meine Mama Mutsch, Claudia und ich. Zielsicher in die falsche Richtung. Nein quatsch, das passt schon so. Die falsche Richtung ist Absicht, weil ich auf dem Mittelfränkischen Jakobsweg von Nürnberg über Rothenburg ob der Tauber nach Speyer will und dazu müssen wir zunächst nach Norden. Claudia verabschiedet sich nach etwa zwei Kilometern und wir begrüßen fast zeitgleich Annemarie, unsere neue Tagespilgerbegleitung. Annemarie ist eine Bekannte unserer Familie, im Alter meiner Mama und für Aktionen dieser Art immer zu haben. Über Hilpoltstein und den Rothsee – dort werden wir von einer Gruppe Fahrradfahrer darauf hingewiesen: „He, nach Santiago geht´s in die andere Richtung, hähähä…!“ – wandern wir zum Allersberger Bahnhof. Dort verabschieden wir uns von Annemarie und sind von jetzt an zu zweit unterwegs.

Nach 30 km können wir nicht mehr. Mir tut das Gepäck in meinen Beinen weh wie sau und Mutsch hat sich ne riesige Blutblase gelaufen. Vielleicht haben wir uns für den ersten Tag ein bisschen zu viel vorgenommen? Das hätten wir wissen müssen. Aber wir waren schlauer. Jetzt sind wir noch schlauer und haben dazu noch Schmerzen. Es hilft nichts, wir müssen für heute aufgeben. Na das geht ja gut los. Für die erste Nacht quartieren wir uns in Nürnberg bei einer Bekannten ein, und Sahne (eigentlich heißt sie Susanne) ist so nett und holt uns Pilgerinvaliden an einem Bushäuschen mitten in der Pampa ab. Gott sei Dank, ich könnte keinen Meter mehr laufen. Ich wusste doch, wie schmerzhaft das sein kann. Aber nein! Wir dachten, wir könnten es bis Nürnberg schaffen…wie süß…wie naiv.

Sahne und ihr Mann versorgen uns wunderbar, bekochen und bemuttern uns und richten uns ein gemütliches Zimmer im Haus zum Schlafen her. Mit eigenem Bad und Schokoladen-Betthupferl auf den Kissen. Leider bin ich an diesem Abend zu keiner großartigen Kommunikation mehr fähig. Ich bin müde. Ich kann jetzt schon nicht mehr.

MUTSCH, SAHNE & ICH

TAG 2 – Donnerstag, 19. März 2015


Bonnhof (23km)


Frühstück mit unserer Herbergsmutter Sahne und frischen Semmeln - wir werden so verwöhnt. Den Rest vom Frühstück packen wir ein und Sahne fährt uns zu unserem Ausgangspunkt, von dem aus wir weiterpilgern werden.

Wir laufen beschwingt los, die Schmerzen von gestern Abend sind verschwunden. Zielsicher in die falsche Richtung. Und dieses Mal ist es tatsächlich so und nicht geplant. Zeigt das Schild mit der gelben Muschel auf blauem Grund in die richtige Richtung? Wir zweifeln etwas daran, als wir merken, dass an unserer Marschrichtung etwas nicht stimmen kann. „Hmmm…laufen wir eigentlich wieder zurück oder ist das so richtig?“ frage ich und Mutsch antwortet pragmatisch: „Wird schon passen!“ Wenig später klingt sie nicht mehr ganz so überzeugt: „Vielleicht stimmt das doch nicht…ich glaube, wir sollten jemanden fragen.“ Am Ende des langen Feld- und Wiesenweges angekommen, fragen wir einen fleißigen Gartler nach dem Weg. Seine Antwort lautet: „Ja also da seid ihr falsch, da müsst ihr…“ und sofort verliere ich den Anschluss, versuche, mich auf die Erklärungen von Fritz, dem Holzkünstler, zu konzentrieren, lächle und nicke und es bleibt absolut nichts von seinen erklärenden Worten in meinem Gehirn hängen, außer der Tatsache, dass wir die beiden Jakobswege, die sich hier in der Gegend kreuzen, durcheinandergebracht haben, er auch schon ein Teilstück gepilgert ist und er wirklich tolle Holzkunst macht. Ja, ich hab´s drauf, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das ist ähnlich wie beim Wetterbericht, der bei noch so intensiver Konzentration ungefiltert durch mein Gehirn wandert. Ich kann nicht beurteilen, wie dumm mein Gesichtsausdruck in diesem Moment ist, jedenfalls bietet sich Fritz an, uns ein Stück in die richtige Richtung zu fahren. Und das ist der Moment, an dem auch ich mich wieder gedanklich einklinke. Wunderbar! Natürlich nehmen wir das Angebot an. Fritz packt uns in sein Auto und fünf Minuten später können wir unsere richtige Route wieder aufnehmen.

Der restliche Weg an diesem Tag ist schlecht bemuschelt, wir müssen an jeder Kreuzung extrem aufpassen, dass wir uns nicht nochmal verlaufen und ständig nachfragen, wo es denn weitergeht. Schließlich und endlich landen wir in Bonnhof in einem Gasthaus. Oder besser gesagt, der Wirt sieht uns schon den Berg heraufschnaufen und ruft uns noch von weitem zu, dass er ausgebucht ist und wir reservieren hätten müssen. Oh Nein! Oder macht er Witze? Man macht derlei Scherze nicht mit ausgepowerten, den Berg hochhechelnden, mit Muskelschmerzen kämpfenden Pilgern. Nicht in der ersten Pilgerwoche, in der die Schmerzen und die Müdigkeit am Größten sind. Er macht keine Witze. Er ist tatsächlich ausgebucht. Aber er hat einen Vorschlag für uns: „Naja, wenn ich heute Abend bei meiner Freundin schlafe, könntet ihr in meiner Wohnung übernachten. Wäre das was?“ „Äh…jetzt verarscht er Dich aber, oder?“ flüstert Mutsch. Nein, tut er nicht. Wir haben wirklich die Ehre, unser Nachtlager in den privaten Gemächern des Wirts aufzuschlagen. Als wir den Tag in der Gaststube ausklingen lassen, wird uns ein großer Brotzeitteller gebracht (der uns über den gesamten nächsten Tag rettet) und eine Flasche Wein. Die Männer am Stammtisch binden uns in ihre Gespräche ein und erzählen jeweils ihre persönliche Bindung zu unserem Heimatort. Ach, ich mag das, wenn Menschen so unkompliziert, locker und sympathisch sind…schon macht es sich ein bisschen breit, dieses Camino-Gefühl.

ICH & DER WIRT IN BONNHOF

TAG 3 – Freitag, 20. März 2015


Weihenzell (18km)


Nach einem leckeren Frühstück beim netten Wirt geht´s weiter nach Heilsbronn. Dort suchen wir für Mutsch einen Arzt auf; denn sie hat Schmerzen im Knie,...

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