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Ethische Probleme in der Pädagogik

Ein Vergleich zwischen Deutschland und Japan

AutorHideto Ishimura, Kayo Ishimura
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl89 Seiten
ISBN9783668294899
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Forschungsarbeit aus dem Jahr 2016 im Fachbereich Pädagogik - Interkulturelle Pädagogik, Pädagogische Hochschule Freiburg im Breisgau, Sprache: Deutsch, Abstract: In diesem Text wird das Thema 'Ethische Probleme in der Pädagogik' behandelt und es werden das traditionelle und moderne Denken der Moral sowie der konkrete Moralunterricht in der Schule zwischen Deutschland und Japan in einer kulturell vergleichenden Betrachtung behandelt.

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Leseprobe

1 Die Frage von Platon und die Ethik von Aristoteles


 

Zuerst denken wir über eine Diskussion der Moral im klassischen Altertum nach. Die typischen und ältesten griechischen Philosophen sind bekanntlich Sokrates, sein Schüler Platon und dessen Schüler: Aristoteles. Sie haben über die Probleme der menschlichen Moral ausführlich nachgedacht.

 

1.1 Sokrates und Platon


 

Bevor ich die ersten Überlegung über Platon anstelle, stelle ich ein paar grundlegende Informationen über Sokrates und Platon vor.

 

Sokrates hat uns keine Schrift hinterlassen, aber seine Schüler haben viel über ihn geschrieben, deswegen können wir einiges über ihn wissen. Sokrates wurde in Athen ca. 470 v. Chr. geboren; dort lebte er auch. Seine Frau Xanthippe ist berühmt als eine zänkische und streitlustige Frau. Xenophon, ein Schüler von Sokrates, hat die Übellaunigkeit der Xanthippe mehrfach eindrücklich geschildert: „Wenn du dieser Meinung bist, Sokrates, sagte Antisthenes, wie kommt es, daß du die Probe nicht an deiner Xanthippe machst, sondern dich mit einer Frau behilfst, die unter allen lebenden, ja, meines Bedünkens, unter allen die ehemals gelebt haben und künftig leben werden, die unerträglichste ist. [...] Ich legte mir diese Frau zu, weil ich gewiß war, wenn ich sie ertragen könnte, würde ich mich leicht in alle andere Menschen finden können.“[2]

 

399 v. Chr. ist Sokrates gestorben, indem er Gift nahm, denn man hatte ihn wegen Verführung Jugendlicher angeklagt. Er wurde zum Tode verurteilt. Über das Todesurteil kann man in einigen Schriften Platons Interessantes lesen.

 

Der wohl berühmteste Gedanke von Sokrates ist: „Ich weiß, dass ich nicht weiß.“ Das Orakel von Delphi sagte über Sokrates, er sei der weiseste Mann. Das heißt, er ist ausgezeichnet in Hinsicht darauf, dass er sich seines eigenen Nichtwissens bewusst ist, während andere Menschen nur an ihr Wissen glauben. Warum ist der Ausspruch von Sokrates wichtig? Er denkt, dass man die Wahrheit erst ergreifen wollen kann, wenn einem das eigene Unwissen bewusst ist. Sokrates fragt die Sophisten, die jemandem Kenntnisse beibringen, was denn der Mut ist, was denn die Gerechtigkeit ist usw. Gegen ihre Antwort fragt er noch weiter, schließlich wird die widerspruchsvolle ungenügende Antwort aufgedeckt. Daher sind Sophisten ihres »ich weiß nicht« bewusst. Dieser »sokratische Dialog« heißt auch die »sokratische Ironie«. Wenn Sokrates Sophisten ironisch fragt, wie etwa die Frage: „Kennst du eigentlich etwas?“, obwohl man die Sophisten für Weise hält, und wenn sie darauf nicht richtig antworten können, so reagieren sie unangenehm, denn sie fühlen sich beleidigt. Aber ein Schwerpunkt der »sokratischen Ironie« ist Folgendes: „Du weißt das nicht, aber ich weiß es auch nicht. Also wollen wir miteinander es wissen.“ Durch diesen Dialog kann man die Wahrheit suchen.

 

Jetzt stelle ich kurz Platon da. Er hat als ein Schüler von Sokrates Philosophie und Dialogführung gelernt. Ca. 387 v. Chr. hat er die Άκαδήμεια gegründet, in der Rechnen, Geometrie, Astronomie u. a., vor allem aber Philosophie gelehrt wurden. Der Name Ἀκadηµιa kommt aus dem Wald Akademos, in dem sie sich befand. Der Ursprung des Wortes »Akademie« und »akademisch« liegt dort. An der Άκαδήμεια war das Gespräch miteinander wichtig. Später spreche ich über Aristoteles, er ist ein Schüler von Platon. Seit er siebzehn Jahre alt war, war Aristoteles Student und Lehrer an der Άκαδήμεια.

 

1.2 Ob die Tugend gelehrt werden kann?


 

Jetzt betrachten wir die sokratische und platonische Moral. Dazu sollen wir Menon und Politeia (Der Staat) von Platon lesen. Platon hat die sokratischen Gedanken übernommen, und es wird gesagt, dass seine Werke deshalb in der dialogischen Form geschrieben wurden. Normalerweise werden Platons Schriften in drei Teile geteilt: Die frühen, die mittleren und die späten Dialoge. Menon ist eines seiner ersten Werke und die Politeia ist eines seiner mittleren Werke. Platon hat am Anfang des Menon geschrieben: „Kannst du mir wohl sagen, Sokrates, ob die Tugend gelehrt werden kann? Oder ob nicht gelehrt, sondern geübt? Oder ob sie weder angeübt noch angelernt werden kann, sondern von Natur den Menschen einwohnt oder auf irgendeine andere Art?“[3]

 

Die Tugend ist das deutsche Wort für das griechische Wort ἀρετή. Platon benutzt das Wort ἀρετή. Doch was ist das? Die ἀρετή wird im Allgemeinen die Vortrefflichkeit einer Sache genannt. Zum Beispiel ist es die ἀρετή des Fußes, schnell zu laufen; die ἀρετή der Kleidung ist das, angenehm zu funktionieren. Die menschliche ἀρετή ist die Tugend. Dagegen haben Moral, die Mores oder die Ethik, die Sitte, das Sittliche usw. keine solche Eigenschaft wie die Vortrefflichkeit. Es handelt sich bei ihnen nur um den Ausdruck gesellschaftlichen Verhaltens; besonders Angepasstheit und Normenbefolgung. Denn diese kommen von dem Ethos her. Den Ethos denken wir noch mal ausführlich, wenn wir uns mit Aristoteles beschäftigen. Diese Vortrefflichkeit, nämlich die Tugend, besteht in der Politeia, im Staat, der in Platons berühmtesten Buch mit dem gleichen Titel beschrieben wird. „Und scheint dir nicht auch jegliches eine Tugend zu haben, dem ein Werk aufgetragen ist? Lass uns nur wieder auf dasselbe zurückgehen. Die Augen, sagen wir, haben ein Geschäft? – Das haben sie. – Gibt es nun nicht auch eine Tugend der Augen? – Auch eine Tugend. – Wie nun? Gab es ein Geschäft der Ohren? – Ja. – Also auch eine Tugend? – Auch eine Tugend. – Und wie nun mit allen andern? Nicht ebenso? – Ebenso.“[4]

 

Menon fragt Sokrates, ob man die Tugend, die Vortrefflichkeit, lehren kann. Gegen diese Frage von Menon antwortet Sokrates, dass er nichts weniger als das wüsste; und er sagt sogar, dass er nicht weiß, was die Tugend denn ursprünglich ist. Darum zeigt Menon die Tugend der Männer, der Frauen, der Ältere, des freien Bürgertum. „Und so gibt es noch gar viele andere Tugenden, so dass man nicht in Verlegenheit sein kann, von der Tugend zu sagen, was sie ist. Denn nach jeder Handlungsweise und jedem Alter hat für jedes Geschäft jeder von uns seine Tugend, und ebenso auch, Sokrates, glaube ich, seine Schlechtigkeit.“[5]

 

Aber Menon hat nicht darauf antwortet, was die Tugend ist, sondern nur darauf, wie die Tugend ist, oder was für Tugenden es gibt. Deswegen fordert Sokrates von Menon noch einmal, darauf zu antworten. Aber Menon führt nun das Gespräch folgendermaßen: „Dass nämlich ein Mensch unmöglich suchen kann, weder was er weiß, noch was er nicht weiß. Nämlich weder was er weiß, kann er suchen, denn er weiß es ja, und es bedarf dafür keines Suchens weiter; noch was er nicht weiß, denn er weiß ja dann auch nicht, was er suchen soll.“[6] Das ist sozusagen ein Paradox des Suchens. Ist diese Erklärung plausibel oder verdächtig?

 

Dagegen sagt Sokrates so: „Denn da die ganze Natur unter sich verwandt ist und die Seele alles innegehabt hat: so hindert nichts, dass, wer nur an ein einziges erinnert wird, was bei den Menschen Lernen heißt, alles übrige selbst auffinde, wenn er nur tapfer ist und nicht ermüdet im Suchen. Denn das Suchen und Lernen ist demnach ganz und gar Erinnerung.“[7]

 

Er sagt, das Suchen ist die Erinnerung vergessener Dinge, die die Leute eigentlich im voraus kennen sollten. Das Paradox ist ein Ausweg, mit dem die Leute ihre Tatenlosigkeit rechtfertigen und das sie faul macht. Um diese Erinnerung klar zu machen, versucht Sokrates einen Knaben, der Menons Diener ist, etwas erinnern zu lassen. Sokrates schreibt ein Quadrat in den Sand; es hat die Seitenlängen »ABCD«. Nun fragt er, wie lang eine Seite eines anderen Quadrates ist, das zweifach so groß wie »ABCD« ist. Der Knabe denkt zunächst, es zweifach zu verlängern, aber das Quadrat wird zur vierfachen Fläche. Danach stellt Sokrates so verschiedene Fragen an ihn, dass der Knabe selbst zur richtigen Antwort kommen kann. Sokrates sagt, das ist seine Erinnerung.

 

Nach Sokrates und Platon, das Suchen beginnt nur, wenn man sich bewusst ist, noch nichts zu wissen. Und zwar, soweit man etwas als nicht bekannt ansieht, kann man das Suchen anfangen. Außerdem braucht man eine Gelegenheit für das Suchen, wie sie Kinder haben. Deswegen könnte man sagen, das Suchen beginnt immer mit der Erziehung.

 

Woher weiß jemand etwas? Wie entsteht Wissen? Was ist überhaupt Wissen? Das ist ursprüngliche Frage von Platon. Menon betrachtet das Wissen mit dem Paradox vom Suchen, als ob das Wissen in verschiedenen Packungen des Wissens irgendwo wäre. Und wie wir aus dem Automat die Getränke mit dem Geld nehmen, wenn wir nur die Packungen des Wissens bezahlen, so bekommen wir sie vom Lehrer oder Professor. Für...

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