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Eumenes II. Selbstdarstellung und Herrschaftslegitimation eines Aufsteigers gegenüber den Mächten seiner Zeit

AutorDiana Wolf
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl48 Seiten
ISBN9783656820147
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Geschichte - Weltgeschichte - Altertum, Note: 1,0, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Historisches Seminar / Seminar für Alte Geschichte und Epigraphik), Veranstaltung: Geschichte, Alte Geschichte, Sprache: Deutsch, Abstract: '[S]eine große Seele überwand alle Schwäche; ein Mann der in den meisten Dingen hinter keinem König jener Zeit zurückstand, in den wichtigsten und schönsten größer und glanzvoller war als alle.' Mit diesen Worten blickt Polybios in seinen Historien auf einen zeitgenössischen Herrscher zurück. Es ist interessant, dass der demokratisch gesinnte Hipparch des Achäischen Bundes, der die Geschichte des Aufstiegs der Republik Rom zur Weltmacht dokumentieren wollte, solch schmeichelhafte Anerkennung einem Monarchen angedeihen lässt. Polybios ehrt hier ein letztes Mal Eumenes II., König von Pergamon (Regierungsjahre 197-160/59). Dem Leser dieses Nachrufs offenbart sich damit unmittelbar die Frage, weshalb Polybios ein solch positives Bild eines Monarchen zeichnet. Wie gelang es Eumenes II., einen solchen Eindruck auf den Historiker zu hinterlassen - und wirkte er gleichermaßen positiv auch auf andere Zeitgenossen? Diese Arbeit geht der Frage nach, wie sich der berühmte pergamenische König selbst darstellte, welches Bild er von sich prägen wollte und ob dies letztlich überall so erfolgreich gelang, wie es der Nachruf des Polybios suggeriert. Das pergamenische Reich begann als eine bescheidene hellenistische Stadt in Mysien, die sich 262 vom Seleukidenreich löste. Pergamon dehnte sich entlang der kleinasiatischen Küste sowie nach Osten aus, wobei die Expansion bis zu Eumenes II. häufig zurückgedrängt wurde und damit eher bescheiden blieb. Nach dem Sieg gegen den Seleukiden-König Antiochos III. änderte sich dies schlagartig. Pergamon expandierte um ein Vielfaches. In der Folge konnte das Territorium mit bestehenden Mittel- und Großmächten konkurrieren. Eumenes II. musste sich daher nicht nur im eigenen Reich als Herrscher durchsetzen und legitimieren, sondern auch international repräsentativ auftreten. Ein wichtiges Mittel zur Herrschaftslegitimation war in hellenistischer Zeit vor allem die königliche Selbstdarstellung. Folglich ist es unerlässlich, dass seine Strategien der Selbstdarstellung nicht nur lokal betrachtet werden, sondern auch in einem internationalen Kontext. Die vorliegende Arbeit betrachtet daher nicht nur Eumenes' Selbstdarstellung im eigenen Reich, sondern auch gegenüber Griechenland und der im Westen erstarkenden Römischen Republik. [...]

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Leseprobe

2. Pergamon und das direkte Umfeld


 

197 kam Eumenes II. in dem damals auf internationaler Ebene relativ unbedeutenden Reich Pergamon an die Macht.[7] Er war der zweite Herrscher aus dem Geschlecht der Attaliden, der sich überhaupt als Basileus (altgr. βασιλεύς), also als „König“, betitelte. Sein Vater, Attalos I., hatte den Königstitel nach seinen Siegen gegen die Galater angenommen und auf seinen Münzen ab 241 verbreiten lassen.[8] Im Vergleich zu den hellenistischen Großmächten in der Nachfolge Alexanders des Großen konnte die Dynastie der Attaliden nicht auf eine seit gut einem Jahrhundert bestehende Herrschertradition zurückblicken. Daraus ergab sich eine entscheidende Problematik: Eumenes II. konnte nicht, wie zeitgenössische hellenistische Könige, auf eine traditionale oder charismatische Herrschaftslegitimierung (nach der Kategorisierung Max Webers)[9] zurückgreifen. Er und seine Nachfolger mussten daher neue Kategorien und Strategien der Herrschaftslegitimation formulieren und durchsetzen. Ob und wie dies gelang, soll im Folgenden zunächst im Hinblick auf das Pergamenische Reich und die verbündeten ionischen Städte untersucht werden.

 

2.1 Geopolitische Parameter


 

Die etwas problematische Ausgangslage zu Beginn der Herrschaft des zweiten attalidischen Basileus formulierte Polybios folgendermaßen: Eumenes hatte 197 „von seinem Vater ein Reich geerbt, das auf wenige dürftige Städtchen zusammengeschrumpft war“[10]. Hatte Attalos I. sein Reich zunächst auf Kosten der Seleukiden ausdehnen können, so gelang es Seleukos III., die verlorenen Gebiete erneut seinem Reich einzugliedern.[11] Die territoriale Situation Pergamons verbesserte sich schlagartig nach dem Sieg des vereinten Heers von Pergamenern und Römern sowie einigen griechischen Gemeinwesen, allen voran Rhodos, über den Seleukiden Antiochos III.[12] Nicht nur gelangten daraufhin einige kleinasiatische Städte in pergamenischen Besitz (so zum Beispiel Telmessos und Ephesos), Eumenes unterstanden zudem die ehemals seleukidischen Gebiete im Osten bis an den Fuß des Taurosgebirges.[13] „Pergamon befand sich auf dem Gipfel seiner Macht“,[14] stellt W. Radt für die Zeit nach dem Frieden von Apameia 188 fest. C. Koehn stellt das Reich in eine Reihe „hellenistischer Mittelstaaten“[15] und W. Leschhorn spricht gar vom „Aufstieg Pergamons zur Großmacht“[16]. Unabhängig davon, ob man Pergamon nun tatsächlich zu den hellenistischen Großmächten wie den Ptolemäern oder Antigoniden zählt oder nicht, kann festgehalten werden, dass es mit dem Frieden von Apameia einen enormen Machtzuwachs in Kleinasien und im Gefüge der existierenden großen Akteure erfuhr. Dadurch wurde Eumenes II. nicht nur mit administrativen Aufgaben konfrontiert, sondern auch mit abstrakten Fragestellungen in Bezug auf die ideelle Basis seiner Herrschaft und den Möglichkeiten, diese nicht nur im Pergamenischen Reich, sondern auch außenpolitisch zu artikulieren.

 

2.2 Herausforderung im Rahmen der Herrschaftslegitimation


 

„Der neue pergamenische Flächenstaat konnte dem Umfang nach den großen hellenistischen Reichen an die Seite treten. Eumenes stand vor dem Problem, wie er sich gleichzeitig als Römerfreund und als glaubwürdiger Vertreter der Griechen darstellen sollte“.[17] So drückt T. Scheer die Ausgangslage Pergamons in ihrer Monografie aus. Darüber hinaus musste der junge König sich aber zunächst im eigenen, stark vergrößerten Reich durchsetzen. Allein auf seine Sieghaftigkeit gegen Antiochos III. konnte er nicht bauen, nicht zuletzt weil der endgültige Sieg gegen diesen nicht sein Verdienst allein war, die neuen Territorien ihm darüber hinaus durch die Gnade Roms verliehen worden waren.[18] Ihm fehlte damit die Legitimationsbasis, welcher sich die Seleukiden zuvor hatten bedienen können. Eumenes zog daher andere Mittel heran, um seinen Anspruch zu festigen. Im Jahre 188 ging er als erster Attalide eine dynastische Ehe ein und zwar mit der kappadokischen Prinzessin Stratonike, Tochter des Ariarathes IV.[19] Somit entstand zugleich ein Bündnis mit dem Nachbarstaat Kappadokien.[20] Ein weiterer dynastischer Legitimierungsversuch war die Etablierung eines Kultes in der Hauptstadt für seinen Vater, den verstorbenen Herrscher Attalos I.[21] Des Weiteren setzte Eumenes II. die attalidische Tradition fort, nach der das Portrait des Dynastiegründers Philetairos die Tetradrachmen zierte.[22] Somit war nicht der aktuelle Herrscher der Garant für den Wert des Geldes, wie es in den anderen hellenistischen und philhellenen Reichen, wie z.B. dem Ptolemäerreich oder auch dem Königreich Pontos, üblich war,[23] sondern die von Philetairos begründete Dynastie garantierte den Wert, was diesem eine gewisse Zeitlosigkeit verliehen haben mag. Die Prägung des aktuellen Herrscherportraits war darüber hinaus ein typisches Mittel der charismatischen Selbstdarstellung, worauf Eumenes II. in dieser Form verzichtete.[24] P. Thonemann sieht dies als Indiz dafür, dass jegliche charismatische Qualität des Königs somit „auf dramatische Weise heruntergespielt“[25] wurde. Tatsächlich spricht aber nicht nur die numismatische Evidenz für die Abkehr von der charismatischen Herrschaftslegitimierung.

 

Für die attalidische Herrschaft wird gerne das Attribut „bürgerlich“ verwendet.[26] Dies liegt unter anderem an der Abstammung des Hauses aus einer politisch unbedeutenden Schicht.[27] Polybios bemerkt über Apollonis, die Mutter Eumenes‘ II.: „Sie war als einfaches Bürgermädchen aufgewachsen und Königin geworden […]“[28]. Man kann das Attribut auch insofern verstehen, als dass die Dynastie sich einerseits über bürgerliche Qualitäten auszeichnete, also ethische Werte wie familiären Zusammenhalt, der König andererseits selbst typisch bürgerliche Handlungsweisen übernahm, wie den öffentlichen Auftritt als Euerget, also als Wohltäter eines Gemeinwesens. Beide Eigenschaften sollen im Folgenden eingehender thematisiert werden.

 

Polybios berichtet von einem Ereignis, bei dem die Harmonie der Herrscherfamilie ostentativ gezeigt wurde. Es handelt sich um einen Besuch der Brüder Eumenes II. und Attalos (der zukünftige Attalos II.) mit ihrer Mutter Apollonis in deren Heimat Kyzikos:

 

Nicht weniger verdient unsere Anerkennung und Bewunderung, daß sie, Mutter von vier Söhnen, allen innigste Liebe und treueste Zuneigung bis zu ihrem Tod bewährte […]. Umgekehrt brachten die Söhne der Mutter die Dankbarkeit und Ehrerbietung entgegen, die sie verdiente, und sie fanden durch die Art, wie sie dem bei einem Besuch Ausdruck gaben, allgemeinen Beifall. Sie nahmen ihre Mutter in die Mitte, faßten sie an beiden Händen und zogen so, von ihrem Gefolge begleitet, von Tempel zu Tempel durch die ganze Stadt. Alle, die es mit ansahen, würdigten ihr Verhalten und priesen sie auf das höchste. Man erinnerte sich an Kleobis und Biton und verglich ihre Gesinnung mit der jener Jünglinge[29]

 

Bei ihrem Spaziergang durch Kyzikos erinnern Eumenes und sein Bruder die Zuschauer an das mythische Bruderpaar Kleobis und Biton, welche sich durch ihre Bruderliebe und die Liebe zu ihrer Mutter auszeichneten.[30] Ebenfalls in Kyzikos ließ Eumenes einen Tempel für seine Mutter nach deren Ableben errichten, auf Reliefs wurden „Zitate griechischer Kindes- und Mutterliebe“[31] angebracht, die den vorgelebten Eindruck in steinerner Form manifestierten.[32] In Teos wurde Apollonis sogar vergöttlicht und gemeinsam mit Aphrodite verehrt.[33] Die Königsmutter spielt also eine zentrale Rolle in der Selbstdarstellung des Königs und der Dynastie. Ihre Funktion ähnelt dabei derjenigen der Göttin Hera, eine Analogie, die auch in der Darstellung Heras am Großen Fries des Pergamonaltars anklingt.[34] Diesen hatte Eumenes selbst in Auftrag gegeben.

 

Eine Inschrift aus Pergamon,[35] die einen athenischen Beschluss zur Ehrung des Eumenes und seines Bruders Attalos bekundet, ehrt nicht nur die beiden Brüder, die sich im Einklang mit dem athenischen Interesse für die Durchsetzung des Thronanspruchs Antiochos‘ IV. einsetzten, sondern darüber hinaus die unbeteiligten Brüder Athenaios und Philetairos sowie die Königseltern Attalos I. und Apollonis. Hier zeigt sich die erfolgreiche Inszenierung der Harmonie der Herrscherfamilie. Der Ruhm des Einzelnen rekurrierte auf die Vortrefflichkeit der ganzen Dynastie.

 

Wiederholt wird die besonders gute Beziehung zwischen Eumenes und seinem Bruder Attalos betont, die im Gegensatz zu anderen hellenistischen Herrscherhäusern offenbar keinerlei Zwistigkeiten um den Thron hegten. Nachdem letzterer sich für seinen Bruder, den König, gegenüber dem Achäischen Bund stark machte, erhielt Attalos den Beinamen „Philadelphos“.[36] Polybios legt dem Makedonenkönig Philipp V. eine...

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