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Europa auf dem Weg nach rechts?

EU-Osterweiterung und ihre Folgen für politische Einstellungen in Deutschland - eine vergleichende Studie in Deutschland, Polen und der Tschechischen Republik

AutorDirk Baier, Klaus Boehnke, Susanne Rippl
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl198 Seiten
ISBN9783531902821
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Die Studie untersucht mikrosoziale und sozialpsychologische Konsequenzen der EU-Osterweiterung. Dabei stehen Desintegrationserfahrungen, Ängste und Bedrohungserleben als potentielle Katalysatoren rechter Einstellungen im Zentrum des Interesses. Repräsentative Studien in Deutschland und in den Grenzregionen Polens und der Tschechischen Republik erlauben eine international vergleichende Analyse der Situation aus der Sicht der betroffenen Bürger.

PD Dr. Susanne Rippl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie an der Technischen Universität in Chemnitz.
Dirk Baier, Dipl-Soziologe, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen.
Prof. Dr. Klaus Boehnke ist Professor für Social Science Methodology an der International University Bremen.

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Leseprobe
6. Desintegration, Deprivation, Autoritarismus und Bedrohungsgefiihle (von Andreas Hadjar) (S. 131-132)

In diesem Kapitel werden unter Bezug auf neuere Ansatze der Autoritarismusforschung die Wirkungen bestimmter Kontextbedingungen auf Bedrohungswahrnehmungen, Autoritarismus und ethnozentrische Einstellungsmuster (Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus) betrachtet. Im Fokus der Analysen stehen dabei die besonders von der EUOsterweiterung betroffenen Grenzregionen in Deutschland, Polen und der Tschechischen Republik, die jeweils mit der deutschen Gesamtstichprobe verglichen werden. Herauszuarbeiten ist vor allem, ob in den deutschen Grenzregionen zu den neuen EU-Nachbam starkere Auspragungen autoritarer Einstellungen als Ausdruck von Bedrohungsgeflihlen festzustellen sind und welche Folgen diese haben.

Das seinem Ursprung nach psychologische Grundkonzept" des Autoritarismus basiert auf der Annahme der Existenz einer generellen antidemokratischen, vorurteilsbehafteten und faschistischen Orientierung, der „autoritaren Personlichkeit/` Diese wird charakterisiert durch zwei ambivalente Tendenzen: Zum einen dienen sich autoritare Individuen Autoritaten an und ordnen sich diesen unter, zum anderen streben sie aber auch danach, seibst eine Autoritat zu werden (Boehnke/Hadjar 2004: 251). Diese Tendenzen werden landlaufig als „Radfahrerhaltung" bezeichnet: Nach oben buckeln, nach unten treten. Die verschiedenen Autoritarismus-Ansatze der Sozialwissenschaften differieren in ihrer Auffassung darliber, inwieweit die autoritare Personlichkeit eine konstante Charakterstruktur darstellt bzw. inwieweit sie von situationalen Faktoren beeinflussbar ist. In diesen Fragen kristallisieren sich die unterschiedHchen Ausrichtungen von Psychologic und Soziologie heraus.

6.1 Das klassische Konzept der autoritaren Personlichkeit

Wurzeln des Konzepts der autoritaren Personlichkeit finden sich in den Analysen des Marxisten und Psychoanalytikers Wilhelm Reich (1971 [1933]), der das Wahlverhalten der Deutschen zwischen 1929 und 1933 im Hinblick auf den steigenden Stimmenanteil der NSDAP untersuchte. Aus den Ergebnissen leitete Reich eine relativ stabile Charakterstruktur der Unterordnung unter Autoritaten ab, deren Ursache in den gesellschaftlichen Verhaltnissen der Epoche zu suchen ist. Unter Bezugnahme auf diese Befunde fiihrte eine Gruppe der Frankfurter Schule um Erich Fromm, Theodor Adorno, Max Horkheimer und Erich Marcuse Anfang der 1930er Jahre zunachst eine Studie zu „Autoritat und Familie" (Institut fiir Sozialforschung 1936) durch, um dann in den 1940er Jahren im amerikanischen Exil - mit dem Ziel, den Faschismus zu bekampfen - in einer groß angelegten Untersuchung zur „autoritaren Personlichkeit" (Adorno et al. 1963 [1950]) die psychologischen Krafte zu isolieren, die faschistische und antidemokratische Tendenzen in der Gesellschaft fordem (vgl. Hadjar 2004).

Die wesentliche These der Theorie der autoritaren Personlichkeit, die im Zuge dieser Untersuchungen entwickelt wurde, ist, dass politische, okonomische und soziale Orientierungen eine koharente Denkstruktur bilden, die Abbild einer tiefer liegenden stabilen Personlichkeitsstruktur ist. Eine solche psychische Struktur bildet sich im Verlaufe der aus Freudscher Sicht: fruhkindlichen - Sozialisation heraus, wenn die sozialen Erfahrungen des Kindes von autoritaren Familienbeziehungen, autoritarer Erziehung sowie Abwesenheit von Warme und Emotionalitat gepragt sind (Adorno 1963 [1950], Hopf 1990, vgl. Rippl et al. 2000).

Das klassische Instrument zur Messung der autoritaren Personlichkeit - die so genannte F-Skala - wurde von Adorno et al. (1963 [1950]) entworfen und enthalt neun Dimensionen, die gemeinsam ein Syndrom bilden: Konventionalismus (starre Bindung an die konventionellen Werte der Mittelklasse), autoritare Unterwiirfigkeit (unreflektierte Unterordnung unter idealisierte Autoritaten der Eigengruppe), autoritare Aggression (Tendenz nach Menschen Ausschau zu halten, die konventionelle Werte missachten, um sie verurteilen und bestrafen zu konnen), Anti-Intrazeption (Abwehr des Subjektiven, des Phantasievollen, Sensiblen), Aberglaube und Stereotypie (Glaube an die mystische Bestimmung des Schicksals, Neigung zu rigidem Schwarz-WeiB-Denken), Machtdenken und „Kraftmeierei" (Denken in Dimensionen wie Herrschaft - Unterwerfung, Ftihrer- Gefolgschaft, Identifizierung mit Machtgestalten
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Vorwort8
1. Europa auf dem Weg nach rechts? Einfiihrende Gedanken10
2. Die EU- Osterweiterung in der Rechtsextremismus- und Vorurteilsforschung16
3. Die Studie34
4. Messinstrumente und deskriptive Auswertungen im interkulturellen Vergleich42
5. Bedrohungsgefiihle als Reaktion auf politischen Wandel durch die EU- Osterweiterung112
6. Desintegration, Deprivation, Autoritarismus und Bedrohungsgefiihle ( von Andreas Hadjar)131
7. EU- Osterweiterung und die Mobilisierung von Dominanzideologien151
8. EU- Osterweiterung als Mobilisierungsschub fiir rechte Einstellungen168
9. Was tun? Ergebniszusammenfassung und Konsequenzen181
Autorinnen und Autoren200

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