Sie sind hier
E-Book

Europäischer Verbraucherschutz: Die Verordnung Rom I und Vertragsabschlüsse über Internet

AutorManfred Mann
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl90 Seiten
ISBN9783640650873
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Jura - Europarecht, Völkerrecht, Internationales Privatrecht, Note: 1, Wirtschaftsuniversität Wien (Institut für Zivil- und Unternehmensrecht), Sprache: Deutsch, Abstract: Durch die Verordnung Nr. 593/2008 (EG) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ('VO Rom I') wurde das Kollisionsrecht im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse neu geregelt. Während einige Prinzipien wie die Anknüpfung an die Rechtsordnung des Staates mit dem stärksten Bezug zum Vertrag oder die Möglichkeit der Rechtswahl durch die Parteien unberührt geblieben sind, gibt es im Detail einige bedeutende Veränderungen beispielsweise bei Beförderungsverträgen, Versicherungsverträgen und Verbraucherverträgen. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung des Internationalen Privatrechts auch im Bereich der Verbraucherverträge immer stärker zu. Einer der Gründe dafür ist die steigende Nutzung des Fernabsatzes, insbesondere des grenzüberschreitenden Einkaufs bei Händlern via Internet. Dies wird auch in Erwägungsgrund (24) zur VO Rom I hervorgehoben. Zwar wird mit der Neuregelung des auf grenzüberschreitende Verbraucherverträge anzuwendenden Rechts durch die VO Rom I eine Intensivierung des Verbraucherschutzes angestrebt, jedoch ist die Auslegung und Bedeutung der Neuformulierung im Einzelnen unklar. Diese Arbeit setzt sich daher das Ziel, die neue Rechtslage in Folge der VO Rom I und die damit verbundenen Probleme zu besprechen sowie einen Ausblick auf zwei bevorstehende Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zu diesem Thema zu geben.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

E. Verbrauchervertrage im Internationalen Privatrecht


 

I. Rechtslage nach Artikel 5 EVÜ


 

1. Allgemeines


 

Art 5 EVÜ widmet sich laut dessen Abs 1 Vertragen über die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen an eine Person zu einem Zweck, der nicht einer beruflichen oder gewerblichen Tatigkeit zugerechnet werden kann. Somit enthält Art 5 EVÜ zunachst eine eigene Definition eines „Verbrauchervertrags": Es darf auf der Seite der Partei, die die Leistung empfängt, kein Zusammenhang mit einer beruflichen oder gewerblichen Tatigkeit bestehen, auf der anderen Seite (beim Unternehmer) hingegen muss dies gerade schon der Fall sein. Weiters muss dem Unternehmer der private Charakter des Geschäfts bekannt sein oder er muss für ihn nach den Umstanden zumindest objektiv erkennbar sein. Dies bedeutet, dass ein Vertrag dann nicht unter Art 5 EVÜ fallt, wenn die Leistung des Unternehmers tatsachlich zur Ausubung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dienen kann, ihm jedoch unerkennbar ist, dass sie im konkreten Fall ausschließlich privaten Zwecken seines Vertragspartners dienen soll.

 

Im nächsten Schritt wird in Art 5 Abs 4 EVÜ eine Ausnahme festgelegt: Die Regeln über den Verbrauchervertrag gelten dann nicht, wenn (a) ein Vertrag über Beförderungsdienstleistungen vorliegt oder (b) es um Dienstleistungen geht, die ausschließlich in einem anderen Staat erbracht werden sollen, als dem, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Abs 5 nennt dann - als Gegenausnahme - sogenannte Pauschalreiseverträge, d.h. für solche gelten die Ausnahmen des Abs 4 nicht.

 

Nach dieser Definition des Verbrauchervertrags" interessieren nun die Rechtsfolgen, falls ein solcher vorliegt: Art 5 Abs 3 EVÜ legt fest, dass fur Verbraucherverträge nicht die „herkämmliche" Anknäpfung nach Art 4 EVÜ („Land mit der engsten Verbindung zum Vertrag") zur Anwendung kommt, sondern das Recht jenes Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat - also das Recht seines Heimatlandes, mit dem er in der Regel noch besser vertraut sein wird als mit dem eines fremden Staates.

 

Das gilt allerdings nur, wenn (alternativ) eine der drei folgenden Voraussetzungen des Abs 2 erfüllt ist:

 

1.wenn dem Vertragsabschluss ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung in dem Staat, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, vorausgegangen ist und wenn der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluß des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat oder

 

2.wenn der Vertragspartner des Verbrauchers oder sein Vertreter die Bestellung des Verbrauchers in diesem Staat entgegengenommen hat oder

 

3.wenn der Vertrag den Verkauf von Waren betrifft und der Verbraucher von diesem Staat ins Ausland gereist ist und dort seine Bestellung aufgegeben hat, sofern diese Reise vom Verkäufer mit dem Ziel herbeigeführt worden ist, den Verbraucher zum Vertragsabschluß zu veranlassen. (sogenannte „Kaffeefahrten")

 

Neben diesen Regelungen des EVÜ bleibt nach Art 5 Abs 2 EVÜ eine Rechtswahl durch die Parteien (Art 3 EVÜ) weiterhin zulässig, darf aber nicht dazu fuhren, dass dem Verbraucher dadurch die zwingenden Verbraucherschutzbestimmungen seines Heimatlandes" entzogen werden, sofern einer der drei Falle des Abs 2 vorliegt. Zu klären ist dabei, was unter den zwingenden Verbraucherschutzbestimmungen" zu verstehen ist: Zweckmäßig erscheint es, darunter das gesamte I. Hauptstück des KSchG zu verstehen sowie die §§ 864a und 879 Abs 3 ABGB, da diese zeitgleich mit dem KSchG eingefuhrt wurden. Für den Fernabsatz besonders relevant sind die oben dargestellten §§ 5c - 5i KSchG.

 

Im Ergebnis bedeutet nun die Regelung des Art 5 EVUä Folgendes:

 

1. Liegt keine Rechtswahl durch die Parteien vor und auch keiner der drei Fälle des Abs 2, so kommt nach Art 4 EVUä das Recht jenes Staates zur Anwendung, mit dem der Vertrag die engste Verbindung aufweist. Hier kann es also passieren, dass das anzuwendende „fremde" Recht fär den Verbraucher wesentlich nachteiliger ist als das Recht seines Heimatlandes.

 

2.Liegt keine Rechtswahl durch die Parteien vor, aber einer der drei Fälle des Abs 2, so kommt nach Art 5 Abs 3 EVÜ fur den gesamten Vertrag das Recht des Staates zur Anwendung, in dem der Verbraucher seinen gewähnlichen Aufenthalt hat.

 

3.Liegt eine Rechtswahl durch die Parteien vor, aber keiner der drei Fälle des Abs 2, so gilt das von den Parteien vereinbarte Recht. Auch dieser Fall kann also für den Verbraucher sehr nachteilige Auswirkungen haben.

 

4.Liegt eine Rechtswahl durch die Parteien vor und gleichzeitig einer der drei Fälle des Abs 2, so gilt zwar die Rechtswahl, sie darf aber nicht dazu führen, dass dem Verbraucher die zwingenden Verbraucherschutzbestimmungen seines Heimatlandes entzogen werden.

 

Im Ergebnis ist der Verbraucher damit im situativen Anwendungsbereich des Abs 2 zumindest durch die zwingenden Verbraucherschutzbestimmungen seines Heimatlandes geschutzt. Liegt keine Rechtswahl vor, so gilt äberhaupt die gesamte Rechtsordnung seines Heimatlandes.

 

Liegt eine Rechtswahl vor, so findet also ein Günstigkeitsvergleich statt, der sich auf die nach dem ohne Rechtswahl maßgeblichen Recht nicht abdingbaren Verbraucherschutzvorschriften erstreckt. Es geht also um alle Rechtsnormen, die eine konkret verbraucherbegünstigende Wirkung haben. Denn eine Rechtswahlvereinbarung soll nicht aushebeln kännen, was durch einfache Vereinbarung nach nationalem Recht nicht ausgehebelt werden kann. Für den Unternehmer bedeutet dies, dass er durch eine Rechtswahlvereinbarung nur verlieren kann: Ist das gewählte Recht für den Verbraucher günstiger, so gilt dieses; ist es für den Verbraucher ungünstiger, so gelten die zwingenden Verbraucherschutzregeln des Rechts seines Heimatlandes. Der Verbraucher kann also durch die Rechtswahlvereinbarung nur gewinnen[29].

 

Außerhalb der Fälle des Art 5 Abs 2 genießt der Verbraucher nach dem EVUä keinen besonderen Schutz. Zu beachten ist aber weiterhin § 13a KSchG, insbesondere dessen Abs 2, der fur alle Verbraucherverträge (und damit nicht nur in den drei speziellen Fallen des Art 5 Abs 2 EVÜ) immerhin die §§ 864a und 879 Abs 3 ABGB sowie 6 KSchG als jedenfalls gültige Eingriffsnormen" festlegt.

 

Wenn man sich die Voraussetzungen fur die Anwendung von Art 5 EVÜ über Verbrauchervertrage nochmals ansieht, stellt man fest, dass es sich dabei um Verträge uber die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen" handeln muss. Speziell für die vorliegende Arbeit, die sich mit Vertragsabschlussen über das Internet befasst, soll daher noch eine Frage kurz angesprochen werden, die fast so alt ist wie das Internet selbst: Nämlich, ob es sich bei Software um eine bewegliche Sache handelt. Nach Rechtsprechung des OGH ist dies dann zu bejahen, wenn die Software auf einem Datenträger verkorpert ist[30]. Was den direkten Download von Software über das Internet betrifft, so gehen die Meinungen auseinander. Während Posch[31] meint, dass eine Unterscheidung zwischen Software auf einem Datenträger und einer Online-Übertragung sachlich nicht gerechtfertigt sei, sondern es auf die Funktion der Software fur den Nutzer ankomme, qualifiziert Schwimann[32] den Software-Download als Dienstleistung, was aber genauso eine Anwendung des Art 5 EVÜ zur Folge hat. Letztendlich macht es also wenig Unterschied, ob es sich bei einem Software-Download um die Lieferung einer beweglichen Sache (auch per analogiam) oder um eine Dienstleistung handelt, da beide Fälle von Art 5 EVÜ erfasst sind. Lediglich die Einstufung von Software als unbewegliche Sache würde zu einem anderen Ergebnis führen. Mit dem Inkrafttreten der VO Rom I stellt sich die Frage nach der Einordnung von Software-Downloads allerdings nicht mehr, da Art 6 VO Rom I nicht mehr an das Vorliegen der Lieferung einer beweglichen Sache oder die Erbringung von Dienstleistungen gebunden ist, sondern grundsätzlich fur alle Vertragsgegenstände gilt, sofern keine Ausnahme des Art 6 Abs 4 VO Rom I vorliegt (siehe unten, z.B. Finanzinstrumente usw.).

 

2. Artikel 5 EVÜ und Fernabsatz


 

Der besondere Schutz von Art 5 EVUä kommt einem Verbraucher wie beschrieben nur in drei besonderen situativen Fallgruppen zu Gute. Die erste davon lautet: wenn dem Vertragsabschluß ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung in diesem Staat vorausgegangen ist und wenn der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluß des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat" . Es müssen also kumulativ zwei Voraussetzungen erfullt sein. Besonders ist die Phrase „in diesem Staat" (des Verbrauchers) zu diskutieren: Die eine Extremposition geht davon aus, dass ein Anbieter, der Waren oder Dienstleistungen im Internet anbietet, aufgrund der weltweiten Vernetzung des Internets damit automatisch in allen Staaten der Welt ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung" betreibt, da seine Webseite ja aus der ganzen Welt erreichbar ist. Die andere Extremposition stellt hingegen subjektiv auf die Absicht des Anbieters ab, in welchen Staaten er sein Angebot als solches verstanden haben möchte. Diese Diskussion wird im weiteren Verlauf der Arbeit...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Europarecht - Völkerrecht - ausländisches Recht

Das Medizinproduktegesetz

E-Book Das Medizinproduktegesetz
Staatliche Risikosteuerung unter dem Einfluss europäischer Harmonisierung Format: PDF

Das Buch beinhaltet eine am Aufbau des Medizinproduktegesetzes orientierte systematische Analyse des Rechts der Medizinprodukte aus europäischer und nationaler Sicht. Am Beispiel des…

Das Medizinproduktegesetz

E-Book Das Medizinproduktegesetz
Staatliche Risikosteuerung unter dem Einfluss europäischer Harmonisierung Format: PDF

Das Buch beinhaltet eine am Aufbau des Medizinproduktegesetzes orientierte systematische Analyse des Rechts der Medizinprodukte aus europäischer und nationaler Sicht. Am Beispiel des…

Das Medizinproduktegesetz

E-Book Das Medizinproduktegesetz
Staatliche Risikosteuerung unter dem Einfluss europäischer Harmonisierung Format: PDF

Das Buch beinhaltet eine am Aufbau des Medizinproduktegesetzes orientierte systematische Analyse des Rechts der Medizinprodukte aus europäischer und nationaler Sicht. Am Beispiel des…

Das Medizinproduktegesetz

E-Book Das Medizinproduktegesetz
Staatliche Risikosteuerung unter dem Einfluss europäischer Harmonisierung Format: PDF

Das Buch beinhaltet eine am Aufbau des Medizinproduktegesetzes orientierte systematische Analyse des Rechts der Medizinprodukte aus europäischer und nationaler Sicht. Am Beispiel des…

Handbuch Europarecht

E-Book Handbuch Europarecht
Band 2: Europäisches Kartellrecht Format: PDF

Das Wettbewerbsrecht hat in den letzten Jahren tiefgreifende Umbrüche erfahren. Das betrifft die Kartellverfahrens- und die Fusionskontrollverordnung ebenso wie verschiedene…

Handbuch Europarecht

E-Book Handbuch Europarecht
Band 2: Europäisches Kartellrecht Format: PDF

Das Wettbewerbsrecht hat in den letzten Jahren tiefgreifende Umbrüche erfahren. Das betrifft die Kartellverfahrens- und die Fusionskontrollverordnung ebenso wie verschiedene…

Weitere Zeitschriften

Ärzte Zeitung

Ärzte Zeitung

Zielgruppe:  Niedergelassene Allgemeinmediziner, Praktiker und Internisten. Charakteristik:  Die Ärzte Zeitung liefert 3 x pro Woche bundesweit an niedergelassene Mediziner ...

AUTOCAD & Inventor Magazin

AUTOCAD & Inventor Magazin

FÜHREND - Das AUTOCAD & Inventor Magazin berichtet seinen Lesern seit 30 Jahren ausführlich über die Lösungsvielfalt der SoftwareLösungen des Herstellers Autodesk. Die Produkte gehören zu ...

Berufsstart Gehalt

Berufsstart Gehalt

»Berufsstart Gehalt« erscheint jährlich zum Sommersemester im Mai mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren und ermöglicht Unternehmen sich bei Studenten und Absolventen mit einer ...

Der Steuerzahler

Der Steuerzahler

Der Steuerzahler ist das monatliche Wirtschafts- und Mitgliedermagazin des Bundes der Steuerzahler und erreicht mit fast 230.000 Abonnenten einen weitesten Leserkreis von 1 ...

DHS

DHS

Die Flugzeuge der NVA Neben unser F-40 Reihe, soll mit der DHS die Geschichte der "anderen" deutschen Luftwaffe, den Luftstreitkräften der Nationalen Volksarmee (NVA-LSK) der ehemaligen DDR ...

rfe-Elektrohändler

rfe-Elektrohändler

rfe-Elektrohändler ist die Fachzeitschrift für die CE- und Hausgeräte-Branche. Wichtige Themen sind: Aktuelle Entwicklungen in beiden Branchen, Waren- und Verkaufskunde, Reportagen über ...

Evangelische Theologie

Evangelische Theologie

Über »Evangelische Theologie« In interdisziplinären Themenheften gibt die Evangelische Theologie entscheidende Impulse, die komplexe Einheit der Theologie wahrzunehmen. Neben den Themenheften ...