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Fachkräftemangel in der Pflege. Wie der Pflegeberuf attraktiver gestaltet werden kann

Lernen von ausgewählten Mitgliedsstaaten der EU

AutorHans Georg Kohlhund
VerlagScience Factory
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl131 Seiten
ISBN9783956872464
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Der Fachkräftemangel hat viele Branchen erreicht. Im Gesundheitssektor, insbesondere im Pflegebereich, stellt er eine große Herausforderung dar - nicht nur für Deutschland, sondern für alle Mitgliedsländer der Europäischen Union. Auf der Angebotsseite fehlt es an Pflegekräften, auf der Nachfrageseite steigt der Bedarf, insbesondere aufgrund der demografischen Entwicklung. Der Großteil der Pflegekräfte in Deutschland beklagt, dass es zu wenig Personal gibt, um eine ordentliche Pflege leisten zu können. Oft fühlen sich die Pflegerinnen und Pfleger ausgebrannt und sind entsprechend unzufrieden mit ihrem Beruf. Gerade im europäischen Vergleich sind das beunruhigende Aussagen. In den Niederlanden sind beispielsweise 90 % der Pflegekräfte mit ihrem Beruf zufrieden und fühlen sich darin wohl. Umso drängender ist die Frage, wie der Pflegeberuf in Deutschland attraktiver gestaltet werden kann - und was wir von anderen Ländern lernen können, um die Attraktivität zu steigern und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Wie kann man die Attraktivität des Pflegeberufes erhöhen, damit mehr Menschen den Pflegeberuf wählen? In seinem Buch sucht und findet der Autor Antworten auf diese schwierige Frage. Der Autor hat zudem herausgefunden, wie und wo sich die Anreize des Berufs in den attraktiveren Ländern unterscheiden. In seiner vergleichende Analyse hat er die Länder Niederlande, Schweden, Großbritannien, Spanien, Polen und Deutschland berücksichtigt.

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Leseprobe

2 Bedingungsfaktoren des Fachkräftemangels


 

Dieses Kapitel beschreibt zuerst die demografische Entwicklung in Deutschland und den epidemiologischen Wandel sowie die Anzahl der derzeitigen und zukünftigen pflegebedürftigen Menschen und anschließend den Fachkräftemangel in der Pflege.

 

2.1 Demografische Entwicklung


 

Der demografische Wandel bedeutet generell eine Veränderung der Bevölkerungsstruktur unter den demografischen Aspekten der Schrumpfung, Alterung, Fertilitätsentwicklung und Migration (Mayer, 2012). Die demografische Entwicklung in Deutschland bezeichnet eine Situation, in der bei rückläufiger bzw. konstant niedriger Geburtenrate die Lebenserwartung der Menschen steigt und somit der Anteil älterer und alter Menschen gegenüber den jüngeren Menschen zunimmt. Zudem geht eine niedrige Geburtenrate mit einem Bevölkerungsrückgang einher. Die Tabelle 1 zeigt die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung Deutschlands bis zum Jahr 2060 im Vergleich zum Jahr 2013. Bei dieser vom statistischen Bundesamt gewählten Variante rechnet das Statistische Bundesamt bei der koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung mit einer Geburtenrate von 1,4 Kinder je Frau sowie mit einem Zuwanderungssaldo von jährlich 200 000 Menschen ab dem Jahr 2021. Ferner wird die Lebenserwartung bei Geburt im Jahr 2060 für Männern mit 84,8 Jahre und für Frauen mit 88,8 Jahre prognostiziert (Destatis, 2015a).

 

Tabelle 1: Entwicklung der Bevölkerung Deutschlands bis 2060

 

 

 

Quelle: Modifiziert nach Statistisches Bundesamt (Destatis), 2015a

 

Ausgehend von dieser Variante bleibt der Jungenquotient über den Zeitraum relativ konstant. Der Anteil der Erwerbstätigen wird sich im Zeitraum von 2013 bis 2030 voraussichtlich um circa 4,5 Millionen verringern. Der Anteil der über 65-jährigen Menschen in Deutschland beträgt im Jahr 2013 über 20 %, d. h. zurzeit ist jede fünfte Person in Deutschland über 65 Jahre. Der Altenquotient wird sich im Zeitraum von 2013 bis 2030 um 42,4 % (und bis 2060 um 78,7 %) erhöhen. Der Anteil der über 65-jährigen Menschen wird in der folgenden Tabelle 2 detaillierter betrachtet.

 

Tabelle 2: Entwicklung der Anzahl der über 65-jährigen Menschen bis 2060

 

 

Quelle: Modifiziert nach Statistisches Bundesamt (Destatis), 2015a, 2015b

 

Im Jahr 2013 ist circa jeder siebte Bundesbürger zwischen 65 und 80 Jahre alt. Laut der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung wird im Jahr 2030 jeder fünfte Bewohner Deutschlands dieser Altersgruppe zugehören, was eine Steigerung von 25 % bedeutet. Dies liegt daran, dass die Geburtsjahrgänge von 1959 bis 1968 – die zehn geburtenstärksten Jahrgänge (Babyboomer) – dann 62 Jahre und älter sind (Robert-Koch-Institut, 2015). Heute ist jeder 20. Bürger in Deutschland eine hochaltrige Person. Dies wird sich bis zum Jahr 2030 deutlich verändern: Die Prognose besagt, im Jahr 2030 ist ca. jeder 12. Bundesbürger über 80 Jahre alt. Dies bedeutet eine Steigerung von über 40 %. Die Prognose für 2060 geht von circa neun Millionen hochaltrigen Menschen aus, was einem Anteil von 12 % an der gesamten Bevölkerung entspräche. Was sich erkennen lässt, ist die Zunahme des Anteils älterer Menschen in der Bevölkerung. Der Altenquotient steigt stetig an und insbesondere die Anzahl und der Anteil der hochaltrigen Menschen in Deutschland nehmen stark zu. Die Bevölkerungsgruppe der Menschen im vierten Alter ist die mit den höchsten Zuwachsraten (Robert-Koch-Institut, 2015). Alter bzw. Hochaltrigkeit per se ist keine Krankheit. Diese Situation führt aber zu Änderungen der Versorgungsbedarfe, da mit hohem beziehungsweise sehr hohem Alter ein Anstieg der Gesundheitsprobleme zu beobachten ist (Wissenschaftsrat, 2012). Hohes Alter geht einher mit einer höheren Prävalenz an Pflegebedürftigkeit und aufgrund einer Krankheit stationär behandelt zu werden (Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2010).

 

2.2 Epidemiologischer Wandel


 

Ein weiterer Aspekt der sich verändernden Bevölkerungsstruktur ist die Veränderung des Krankheitsspektrums und der damit verbundene Anstieg der Pflegebedürftigkeit (Hämel und Schaeffer, 2013). Es ist anzunehmen, dass unsere alten Menschen aufgrund des medizinisch-technischen Fortschritts, der präventiven und rehabilitativen Maßnahmen und wegen eines gesünderen Lebensstiles Lebensjahre hinzugewinnen werden (Morbiditätskompression) (Hämel und Schaeffer, 2013). Andererseits merken Epidemiologen an, dass die gewonnenen Jahre voraussichtlich mit einem Zuwachs an Multimorbidität einhergehen werden (Wahl et al., 2015). Die Auftretenshäufigkeit von Krankheiten ändert sich. Die demografische Alterung ist einer der Motoren für die Verschiebung des Krankheitsspektrums hin zu chronischen, mit dem Alter assoziierten Erkrankungen (Robert-Koch-Institut, 2015). Vor allem bei alten und sehr alten Menschen nehmen Darm- und Lungenkrebserkrankungen zu (Robert-Koch-Institut, 2015). Zudem wird die Zahl der Menschen mit Diabetes Mellitus Typ 2 im Alter von 55 bis 74 Jahren zwischen 2010 und 2030 voraussichtlich von 2,4 Millionen auf ca. 3,9 Millionen ansteigen (Robert-Koch-Institut, 2015). Darüber hinaus gilt das Alter als gesicherter Risikofaktor für das Auftreten einer Demenz (Wahl et al., 2015). Ende des Jahres 2014 leben in Deutschland ca. 1,6 Millionen an Demenz erkrankte Menschen, wobei jährlich 0,3 Millionen Neuerkrankungen dazukommen (Bickel, 2016). Für das Jahr 2030 wird die Zahl der demenzkranken Menschen bei über 2 Millionen liegen (Bickel, 2016). Die Prävalenzrate steigt insbesondere bei den hochaltrigen Menschen stark an. Bei den über 90-jährigen Menschen beträgt sie über 30 % (Robert-Koch-Institut, 2015). Insgesamt wird sich die Anzahl der Menschen, die unter Multimorbidität, d. h. mehreren chronischen Krankheiten leiden, in Zukunft deutlich erhöhen (Hämel und Schaeffer, 2013). Der Anstieg der chronischen Erkrankungen sowie der Menschen, die an mehreren Krankheiten leiden, wird zunehmen, was wiederum die geriatrische Versorgung anwachsen lässt. Somit steigt auch die Anzahl der pflegebedürftigen Menschen. Im folgenden Kapitel wird der Anteil pflegebedürftiger Menschen nach Altersklassen beschrieben sowie die Anzahl der gegenwärtigen und zukünftigen pflegebedürftigen Menschen dargestellt.

 

2.3 Anzahl der pflegebedürftigen Menschen (Bedarfe)


 

Der demografische Übergang verändert die Gesellschaft in Deutschland. Einerseits steigen die Chancen auf ein längeres Leben, andererseits stehen Alter bzw. Hochaltrigkeit und Pflegebedürftigkeit in einem engen Zusammenhang. Die Wahrscheinlichkeit im Laufe seines Lebens pflegebedürftig zu werden, liegt bundesweit durchschnittlich bei 56,7 % für Männer und bei 74,2 % für Frauen (Isfort et al., 2016). Die Bertelsmann Stiftung kommt im Rahmen ihres Themenreports „Pflege 2030“ auf eine Wahrscheinlichkeit von 50 % bei den Männern und 72 % bei den Frauen (Rothgang et al., 2012). Die Wahrscheinlichkeit pflegebedürftig zu werden ist bei Frauen höher. Der Unterschied liegt u. a. darin, dass Frauen eine durchschnittlich höhere Lebenserwartung haben und sich somit die Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig zu werden, erhöht.

 

 

Quelle: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 2015a, S. 1

 

Abbildung 1: Pflegequote nach Alter und Geschlecht

 

Die Abbildung 1 zeigt, dass die Pflegequote mit dem Alter und insbesondere mit der Hochaltrigkeit ansteigt. Bei den Menschen zwischen 85 und 89 Jahren sind 42 % der Frauen und 30 % der Männer pflegebedürftig. Bei den über 90-jährigen Personen sind zwei von drei Frauen sowie jeder zweite Mann pflegebedürftig. Die Tabelle 3 veranschaulicht, wo die pflegebedürftigen Menschen 2013 versorgt werden.

 

Tabelle 3: Pflegebedürftige nach Anzahl und Versorgungsart 2013

 

 

Quelle: Modifiziert nach Isfort et al., 2016

 

Im Jahr 1999 werden circa zwei Millionen pflegebedürftige Menschen versorgt. Diese Zahl steigt bis zum Jahr 2013 um 30 % auf ca. 2,63 Millionen an. Festzustellen ist, dass mehr als 70 % der pflegebedürftigen Menschen zu Hause betreut werden, davon zwei Drittel durch Angehörige und ein Drittel durch die Zuhilfenahme eines der 12.745 ambulanten Pflegedienste (Isfort et al., 2016). Die Unterstützung durch einen Pflegedienst ist im Vergleich zu 1999 um knapp 50 % gestiegen. Insgesamt werden im Jahr 2013 knapp 30 % der pflegebedürftige Menschen vollstationär in einem der deutschlandweit 13.000 Heimen betreut (Isfort et al., 2016). Dies bedeutet eine Steigerung von ca. 36 % gegenüber dem Jahr 1999.

 

 

Quelle: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 2015b, S. 1

 

Abbildung 2: Anzahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland bis 2060

 

Die Abbildung 2 zeigt, wie sich nach den prognostizierten Zahlen des Bundesinstituts für...

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